Haarige Gedichte
Gedicht - Haar, Haare, Frisur, Friseur, Haarfarben, blond, Blondine, Rothaarige, Glatze, Haarausfall, Bart, Rasur, Zöpfe, Locken, Dauerwellen ...

Unser Buchtipp

Abenteuer im Frisiersalon

Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-0-5

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Rapunzel

© Birge Laudi

"Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter."
Die Mutter las
und Annegret und Alois, ihre beiden Kinder, lauschten still
dem Märchen.
Einst hatten die Geschicht vom Zopf der Schönen aufgeschrieben
die Gebrüder Grimm.
Annegret, die Göre von acht Jahren, steckte in Gedanken ganz, den
einen ihrer Zöpfe
in den Mund und knabberte und biss daran herum. "Lass endlich doch
dein Haar
und beiße nicht daran. In deinem Bauche nämlich", sprach die Mutter,
"wächst davon
ein dicht Gewirke wie ein Vogelnest und an ihm dran aus deinen Haaren
hängt ein Zopf,
so wie Rapunzel ihn im Märchen hat. Es wird der Zopf so lang, dass man
sein Ende
kaum noch finden kann." Doch Annegret, die ungebärdig Maid, verschloss
ihr Ohr.
Sie hörte nicht auf das, was ihre Mutter mahnend sprach und aß fortan
von ihrem Haar.
Die Eifersucht auf ihren kleinen Bruder war der Grund, da er der Eltern
Liebling war.
Voll Glück ward er von ihnen auserkorn zum heiß ersehnten Prinz.
In Annegret,
dem wilden, hasserfüllten Mädchen, wuchs der Zorn von Tag zu Tag.
Sie nagte
und sie riss an ihren Zöpfen und verschlang die eignen Haare voll von
unstillbarer Gier.
Die Hoffnung aber wuchs in ihr, dass sich in ihrem Magen formen mög
ein Vogelnest
mit einem langen Zopf daran, so golden und so schön wie einstens bei Rapunzel.
Den Prinzen
sollte er anlocken für die Annegret, aufdass auch sie die Liebe fände, wie ihr Bruder
bei den Eltern.
In ihrem Bauche wuchs, wie sie gehofft, ein Nest aus ihrem Haar mit einem
här'nen Zopf.
Der reichte weit hinab ins Dunkel des Gedärms und machte große Pein. Da sprach
der Arzt:
"In deinem Bauch da liegt ein Bezoar, ein Ball aus deinem Haar, und bald muss
der heraus."
"Ätsch, ätsch", rief auf und nieder hopsend Annegret zu Alois, ihrem Bruder,
"in meinem Bauch
da hab ich was, was du nicht hast und das du niemals haben wirst."
Und zeigte frech
die Zunge ihm und höhnte, als der Bruder darob greinte: "Was soll's schon sein",
rief weinend er,
"dein Bauch ist doch ein Jahr nur älter als der meine und auch gar nicht groß."
"Du kannst ja raten,
aber lass dir sagen, was immer auch du meinst, das ist es einfach nicht."
"Ach Annegret,
sei lieb und spann mich doch nicht auf die Folter, ich bin doch noch so klein
und weiß noch nichts.
Wenn aber du's mir sagst, dann schenk ich dir mein allerliebstes, teures
Kuscheltier."
Da lachte Annegret und tanzte vor dem ungeliebten Bruder und sie rief:
"Ein Bezoar,
und leider weißt du nicht, was dieses ist. Ich werd' es dir nicht sagen."
Der Knabe Alois
weinte sehr und seine Schwester warf die Zöpfe, die dünner als der Schwanz
von Ratten,
hin und her und mal nach links und mal rechts und dann mit raschem Schwung
vor ihr Gesicht.
Von jedem Zopf da steckte sie das End in ihren Mund. Sie biss darauf, und ehe man
es sich versah,
da schluckte sie das Haar der abgebissnen Enden ihrer dunkelblonden Zöpfe
rasch hinunter.
"Ich sag's der Mutter," rief da schadenfroh der kleine Bruder, "denn du weißt,
du sollst es nicht."
Und kaum dass er dies ausgerufen hatte, da krümmte Annegreten sich und
unter Schmerzen
hielt das ungehorsam Mädchen sich mit Jammern ihren wehen Bauch.
Die Mutter,
angelockt von dem Geschrei, schnitt flugs der Tochter ab das lange Haar.
Das Kind jedoch,
die eifersüchtigkranke Annegret, riss sich auch weiterhin mit Ungestüm
das Haar
von ihrem Kopfe, der bereits an vielen Stellen kahl, ja fast zur Glatze ward.
Und eines Tags,
da konnte Annegret nichts anderes mehr essen als nur noch ihr Haar,
und sie erbrach
und eilends bracht die Mutter sie voll Angst zum Arzte der Chirurgenzunft.
Der aber sprach:
"Lieb Annegret, es ist so weit, nun werde ich den Bauch dir schneiden auf.
Der Bezoar,
so fürchte ich, wird sonst dein Tod und dieses wollen weder deine Mutter
als auch ich."
Da weinte Annegret, die Jahr und Tag wie unter einem innern Zwang und fast
wie nicht gewollt,
das Haar von ihrem Kopfe hatte essen müssen, ob sie nun wollte oder nicht.
Behände wühlte
mit Skalpell, Pinzett' und Scher', der Doktor in dem Bauch des Kindes.
Da lag
der Ball aus Haaren in sich eingerollt, kompakt und fest in Annegretens Magen.
Er zog
und zog und an ihm hing ein langer Zopf wie einstens der am Kopf Rapunzels.
Der reichte
weit den Darm hinunter. (Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter!).
"Man nennt",
so sprach der Arzt sodann zur Mutter, als er mit dem Schneiden fertig war,
"man nennt
das Krankheitsbild auch nach dem Grimm'schen Märchen der Rapunzel.
Ein Syndrom,
von dem man weiß, dass es bedarf nicht nur des Operierens, wie geschehen,
sondern auch,
für Annegret die einfühlsame Hilfe über lange Zeit beim Psychologen.
Das Kind
wird ohne Therapie sonst nie vom Haareessen lassen." Und er gab der Mutter
eine Tüte.
In der lag noch rot vom Blute, der entfernte Bezoar aus Annegretens Bauch
und daran hing
der lange Zopf. Da brach die Mutter aus in bittre Tränen, denn sie ahnte wohl,
der Grund
des ganzen Übels sei zu suchen bei der Familie Umgang dem Kinde.
Gehorsam aber
bracht die Mutter ihre Tochter dann zur Praxis eines Psychologen und sieh da,
nach einem Jahr
da ward aus unsrer schlimmen Annegret ein liebes Kind geworden.
Sie war geheilt
und riss nun nicht mehr an dem Haar und schluckte keines mehr herunter.
Der Bruder Alois,
nunmehr seines Sieges sicher, weil seine Schwester seither still und brav,
sprach rächend,
da endlich sie genesen, von Stund an nur "Du dumme Gans Rapunzel."
Und er rief
voll böser Schadenfreude: "Rapunzel, Rapunzel, lass dein Haar herunter",
obgleich man sah,
dass keine Rattenschwänze sie mehr trug. Die hatte einstmals, wie wir alle wissen,
zum Schutze
vor dem Haareessen, die Mutter rasch vom Kopf der Tochter abgeschnitten.
Alois aber,
einst der brave Prinz, trat an der Schwester Stelle nun und er ward wild
und böse.
Voll Häme sprach er, dass schon immer er gewusst, die Annegret sei dümmer
als das Vieh.
"Schau dir doch an", rief Alois keck, "wie unser Kater Friedolin sich putzt und
schluckt wie du
sein Haar. Er ist bei weitem nicht so blöd und ungeschickt, dieselben anzusammeln
in dem Bauche.
Schau hin und du wirst sehen, wie er's macht: Er speit den Ball aus seinem Fell
ganz einfach aus.
Selbst jeder Vogel, der von kleinen Nagetieren lebt und deren Haare unverdaut
im Bauche liegen,
würgt nach dem Mahl den Haarball wieder aus. Man nennt es das Gewölle.
Nicht nötig
hat er's, dass ein Arzt ihm schneidet auf den Bauch und holt das Haar heraus.
Du siehst,
mein holdes Schwesterlein, lern' endlich dein Gewölle auszuspein wie Kater und
der Vogel."
Nun war es an dem Mägdlein brav, dass heiße Zähren musst es weinen.
Wir ahnen es,
es werde Arges geben, weil Alois ward viel schlimmer noch, als einstens war
die Schwester.
Vergeblich fragen wir uns nun, was sind denn Sinn und der Geschicht Moral?
Sie bleiben,
wie so viele Ding in unsrem Leben, vergraben in dem Lauf der Zeit. Soviel jedoch
sei hier verraten:
Der Annegret Rapunzelzopf an ihrem Bezoar ging ein in die Geschicht der Medizin.
Von Alois,
einst dem Lieblingsknaben, spricht heutzutage niemand mehr und keiner weiß,
wo er geblieben.
 

Ein haariges Lesevergnügen


Eine Sammlung von "haarigen Geschichten" finden Sie in dem Buch, das aus unserem Wettbewerb "Abenteuer im Frisiersalon" hervorgegangen ist.

Abenteuer im Frisiersalon Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-0-5

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