Unser Buchtipp
Rapunzel© Heidi Huber, CuiabáSie ließ ihr Haar runter,war ansonsten auch recht munter. Auch er hatte lange Haare, das war die Mode damals, es waren die 60er Jahre. Sie lebten Love and Peace und Flower-Power. Arbeiten mussten beide nie. Pappi und Mami bezahlten schon, die Kinder machten in Revolution. Und sie probierten alles aus. Schließlich kaufte Mama ihnen ein Kaffeehaus - und Anfang der 70er war die Revolution auch aus. Er arbeitete in der Kneipe wie ein Tier. Sie servierte des Nachts Cola und Bier. Beide haben gestrebt und gerafft, die Haare gestutzt, die Schuhe geputzt, sind schließlich solide geworden, aus Kreuzberg weggezogen, sich Auto und Wohnung in Wannsee angeschafft. Auch ein Einzelkind war in der Planung drin. Kurze Zeit lebten sie im Glück. - Er wollte nur Zigaretten kaufen, wurde von einem Auto überfahren und kam nie zurück. So jung und schon Mutter und Witwe. Sie verkaufte die Kneipe und stellte einen jungen Friseurmeister in ihren neuen Friseursalon ein. Ihr Sohn wuchs heran, ihr Leben zerrann in Arbeit und Pflicht. Das Leben stockt und ist doch im Fluss wenn man täglich die selben Sachen machen muss. Aufstehen, ausgeben, einnehmen, schlafen, Verdruss. Eines Tages entdeckte sie, das heute ist und erst morgen, morgen. Wasserstoff-Super erblondet und manikürt hat sie schließlich ein 20 Jahre jüngerer Mann verführt. Sie war seine Gelegenheit. und sie war auch zu allem bereit. Sie haben zusammen eine Zeit verbracht, viel Geld verdient und ausgegeben. Das war ein neues Leben. Sie bemutterte ihn und ließ sich gehen. Eines Tags kam sie früher als vorgesehen von einem Friseur-Kongress zurück. Sie fand ihn bekifft und betrunken mit einer dünnen Blonden in ihrem Bett. Zum Glück hatte sie keine Waffe dabei - Die Polizei kam sehr schnell. Es gab eine Keilerei. Sie schmiss beide raus. Nun war sie wieder Herr im Haus. Die Jahre vergingen, ihr Haar wurde grau. Ihr einziger Sohn kommt sie manchmal besuchen. Sie backt für die Enkel zum Mitnehmen Kuchen. Sie ist dick geworden, hat ihr Selbst vor Kummer vergessen. Die Scheidung und der Verlust hat sie viel gekostet. Sie ist verbittert, die Gelenke sind eingerostet. Sie ist nicht mehr jung. Sie muss sich allein am Schopfe aus dem Sumpfe heben, sich selber verzeihen, und endlich - leben! Ein haariges Lesevergnügen
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