Haarige Geschichten
Kurzgeschichte - Haar, Haare, Frisur, Friseur, Haarfarben, blond, Blondine, Rothaarige, Glatze, Haarausfall, Bart, Rasur, Zöpfe, Locken, Dauerwellen ...

Unser Buchtipp

Abenteuer im Frisiersalon

Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-0-5

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

Pakt mit dem Wahnsinn

© Britta Dubber

Mein Name ist Paulina. Bis vor kurzem verlief mein Leben recht unauffällig. Ich hatte einen langweiligen Job in einer Anwaltskanzlei, einen langweiligen Freundeskreis und einen imaginären Papageien namens Fredo, dem ich nach Feierabend all meine Sorgen erzählte. Dafür, dass er imaginär war, konnte er meine Worte ziemlich gut nachplappern. So hatte ich die meisten Abende ein Echo in meinem Kopf, das mich als Nichtsnutz und unfähige Bürotussi beschimpfte.

Doch eines Abends, als Fredo immerzu die Wörter "langweilige Tussi" wiederholte, klopfte der Wahnsinn an meine Tür.

Ich hatte mir bis dahin keine Gedanken über den Wahnsinn in Gestalt einer Person gemacht.

Für mich war das immer ein nicht visuelles Wort. Es gibt visuelle Wörter, wie zum Beispiel der Begriff Angst, welcher sich als riesige Spinne bildlich gut darstellen lässt.

Vorausgesetzt man leidet wie ich an einer ausgeprägten Arachnophobie. Aber der Begriff Wahnsinn ist eins der nicht visuellen Wörter. Wie zum Beispiel Kauderwelsch. Oder welches Bild taucht vor ihrem inneren Auge auf, wenn sie das Wort Kauderwelsch hören? Keins, sehen Sie!

Auf jeden Fall trug der Wahnsinn in Person rote Pumps, einen schwarzen Lederrock und eine Bluse in Zebralook. Und Haare, wie frisch aus der Steckdose frisiert. Unzähmbar für jedes Haarspray, möge die Webeindustrie versprechen was sie will.

Im ersten Moment war ich völlig sprachlos, trat einen Schritt zurück und starrte mein Gegenüber an. Sie hatte sich mit tiefer, rauchiger Stimme längst vorgestellt. "Guten Tag, ich bin der Wahnsinn, ich biete ihnen einen Pakt an."

Bei einer Tasse Kaffee erörterte sie mir die Einzelheiten. Ihr Blick fiel dabei immer wieder auf meine wallende rote Mähne, die ich von meiner Mutter geerbt habe.

"Geben Sie mir Ihr Haar und ich erfülle Ihnen drei wahnsinnig aufregende Wünsche."

Ich muss zugeben, das "wahnsinnig" in dem Satz hätte mich misstrauisch machen sollen. Tat es aber nicht. Die Stimme hatte etwas Hypnotisierendes an sich. Ich saß da, ließ meinen Kaffee kalt werden und grinste sie debil an. Und dann nickte ich einfach mit dem Kopf.

Ehe ich mich versah, fand ich mich im Schlafzimmer wieder, in der einen Hand ein Schergerät, auf dem Boden vor der Schminkkommode meine roten Locken.

Mein Spiegelbild sah mir nicht mehr im Geringsten ähnlich. Die braunen Augen waren viel zu groß, die Nase ein bisschen zu spitz und der Teint zu blass. Schaufensterpuppe, krächzte Fredo immer wieder. "Klappe!", rief ich.

Der Wahnsinn hatte es sich derweil auf meinem Bett gemütlich gemacht, räkelte seine langen Beine auf der Satinbettwäsche und strich sich immer wieder über das unzähmbare, dunkelbraune Haare.

"Haben Sie sich schon drei Wünsche überlegt?", flötete sie.

Ich sammelte mein Haar vom Boden auf, das sich so weich und geschmeidig in meinen Händen anfühlte, so dass ich es intuitiv an meine Wange drückte.

"Danke sehr", sagte der Wahnsinn, als ich es schließlich aufs Bett legte. Sofort umschloss sie es mit ihren langen, dünnen Fingern. Tränen rollten über meine Wangen. Wie hatte ich das bloß tun können?

"Also, die Wünsche?"

Ich drehte mich um und vermied es dabei in den Spiegel zu blicken.

"Ich möchte meine Haare wieder", flüsterte ich.

"Paragraph 4 b verbietet es mir, Ihnen diesen Wunsch zu erfüllen. Es wäre ein Vertragsbruch."

Ich seufzte. So konnte ich unmöglich am nächsten Tag zur Arbeit gehen.

"Dann möchte ich, dass meine Haare morgen früh nachgewachsen sind."

"Abgemacht", sagte der Wahnsinn und schnippte mit dem rechten Finger. "Weiter, nächster Wunsch? Ich habe nicht viel Zeit, es stehen noch zwei Besuche in der Klapsmühle an und danach muss ich mich bei dem Treffen der anonymen Neurotiker blicken lassen."

Ich dachte nach. "Ich möchte befördert werden. Nicht mehr ständig zum Kaffeekochen abkommandiert werden."

Wieder schnippte sie mit dem Finger. "Und der dritte Wunsch?"

"Einen Mann. Ich möchte den perfekten Mann kennen lernen und er soll sich in mich verlieben."

Mit einem weiteren Fingerschippen stand der Wahnsinn vom Bett auf. "Reklamationen werden nur innerhalb einer Woche entgegen genommen", sagte sie und reichte mir eine Visitenkarte, die ich auf die Kommode legte.

Ich glaube ich muss nicht erwähnen, dass ich in der Nacht keinen Schlaf fand. Unruhig wälzte ich mich hin und her und versuchte die Ereignisse des Tages zu verdauen. War das alles echt gewesen? Doch ein Streicheln über meinen kahlen Schädel beantwortete diese Frage.

Gegen vier Uhr früh stand ich auf, ging in die Küche und setzte einen Kaffee auf. Ich spürte ein Ziepen an der Kopfhaut und rannte in den Flur zum Spiegel. Die Haare wuchsen! Endlich!

Doch als mein Haar auf Schulterlänge nachgewachsen war, hörte es auch schon wieder auf.

Ich strich mit der flachen Hand durch die dünnen Haare, die sich gar nicht geschmeidig und samtweich anfühlten. Sie waren wie Stroh und als ich sie bürstete, luden sie sich elektrisch auf und hatten diesen furchtbaren Steckdosenlook. Ich fing an zu weinen, salzte unbeabsichtigt meinen Kaffee und verschüttete beim Versuch zu trinken die Hälfte von der schwarzen Brühe auf den Küchentisch.

Frustriert ging ich ins Schlafzimmer, nahm die Visitenkarte in die Hand und wählte die Nummer. Der Anrufbeantworter ging ran. Die Sprechzeiten des Wahnsinns wurden durchgegeben. Von neun Uhr bis sechzehn Uhr.

Wütend warf ich das schnurlose Telefon aufs Bett, zog ein grau kariertes Kostüm an und versuchte danach stundenlang irgendetwas aus den Haaren zu machen. Schließlich band ich es zu einem simplen Zopf zusammen. Doch kaum bewegte ich den Kopf, sprang das Zopfgummi heraus und meine Haare standen zu allen Seiten ab. Ich band es erneut zusammen, wechselte die Haarbänder, doch es nützte nichts. Das Haar ließ sich nicht bändigen. Um kurz nach acht Uhr rief ich auf der Arbeit an und sagte meiner Kollegin, dass ich später kommen würde. Dann wartete ich, dass es neun Uhr wurde; versuchte mich mit Fernsehen, Musik hören und lesen abzulenken. Als es endlich neun Uhr war, griff ich erneut zum Telefon. Der Wahnsinn hob nach dem zweiten Freizeichen ab.

"Ich will meinen ersten Wunsch reklamieren!", schrie ich ins Telefon.

"Sind die Haare nicht nachgewachsen?" Die Stimme klang sanft und rauchig.

"Doch ... aber sie sind nicht so wie vorher!"

"Das ist nicht meine Schuld. Dann hätten Sie den Wunsch präziser formulieren sollen."

"Ich sagte, ich möchte, dass mein Haar nachwächst."

"Eben. Das lässt einem ziemlich viel Spielraum, finden Sie nicht? Vergessen Sie nicht, dass es der Wahnsinn ist mit dem Sie einen Pakt geschlossen haben. Rationalismus ist keine meiner Stärken."

Wütend legte ich den Hörer auf, ging ins Bad und verbrauchte eine ganze Flasche Haarspray, bis ein Haargummi hielt.

Auf der Arbeit erntete ich ein paar spöttische Bemerkungen, ging an offenen Mündern vorbei und an meinen Chef, der bei meinem Anblick von der Tischkante fiel, auf die er sich immer mit einer halben Pobacke setzte, während er meiner Kollegin in den Ausschnitt stierte.

"Sie sollten heute eigentlich ins Vorzimmer in den ersten Stock umziehen. Dr. Hausmann brauchte ganz dringend eine neue Assistentin. Frau Schmitt hat überraschend gekündigt. Aber da Sie nicht da waren, habe ich Kerstin hoch geschickt."

"Oh", sagte ich nur und fühlte wie sich eine unsichtbare Schlinge immer fester um meinen Hals schnürte. "Na ja, die hatten ein wichtiges Meeting mit Leuten eines japanischen Konzerns. Die konnten nicht auf Sie warten."

Missmutig sank ich auf meinen Stuhl, vermied es dabei jemandem im Raum anzublicken.

Natürlich hatte der Wahnsinn auch für diesen misslungenen Wunsch eine Ausrede parat.

"Was kann ich dafür, dass Sie nicht pünktlich zur Arbeit gehen? Der Wunsch wäre sonst zu Ihrer vollsten Zufriedenheit ausgeführt worden."

"Aber ich bin doch nur zu spät gekommen, weil meine Haare eine einzige Katastrophe sind", flüsterte ich in den Hörer. Laura hatte ihren Schreibtisch genau gegenüber und lächelte mich zaghaft an.

"Darüber hatten wir ja schon gesprochen und ich sage Ihnen nochmals, das ... "

Ich legte auf. "Ärger mit dem Friseur? So was hatte ich auch mal ... ", begann Laura und fuhr sich mit der Hand durch ihre perfekt frisierten Locken.

Ich hörte nicht zu. Innerlich brodelte es. Schreien hätte können. Und ich hätte es vielleicht getan, wenn nicht dieser gutaussehende Typ zur Tür herein gekommen wäre. Er hatte welliges fast schwarzes Haar, einsblaue Augen und ein Zahnpastelächeln.

Mit Aktentasche unter dem Arm, hätte er glatt er als Anwalt durchgehen können. Doch er stellte sich kurz darauf als Mandat vor. Als Sonnenstudiobetreiber hatte er eine Klage am Hals, die meine Chefs sicherlich im Nu abschmettern würden. Von welchem Sonnenstudiobetreiber konnte man schon erwarten einen Warnhinweis anzubringen, dass Make-Up unter der Bräunungsröhre verläuft. Eigenes Pech, wenn man danach eine weiße Bluse anzieht und einen Termin zu einem Vorstellungsgespräch hat.

Als er mich spontan zum Essen einlud, wusste ich, dass er Wunsch Nummer drei sein musste.

Welcher normale Mann würde sonst mit einer Frau ausgehen, die aussah, als ob ihre Lockenwickler explodiert wären.

Erstaunlicherweise war ich weder nervös, noch stammelte ich rum. Wir unterhielten uns, als würden wir uns schon lange kennen. Er erzählte von seinem Urlaub auf den Malediven, von seinem neugebauten Haus mitten im Grünen, dem kürzlich reparierten Porsche und von seiner Mutter, die irgendwo in Italien lebte. Der Mann war wirklich eine gute Partie. Und er schien sich tatsächlich in mich zu verlieben. Nur leider fand ich ihn weder besonders interessant, noch sympathisch. Er war oberflächlich und egozentrisch, begutachtete sein Spiegelbild immer wieder im Suppenlöffel, strich sich die Haare aus dem Gesicht und lächelte sogar, als ich ihm von der verpassten Jobchance erzählte. Noch vor dem Essen verschwand ich zum Nase pudern und ging ohne Umwege zurück ins Büro, wo ich von meinem Chef sofort zum Kaffeekochen abkommandiert wurde.

Abends war ich so frustriert, dass ich meinen Kummer mit einer Flasche Rotwein ertränkte. Nach dem vierten Glas klingelte es an der Tür und ich war überrascht, dem Wahnsinn erneut gegenüber zu stehen. Wieder in roten Pumps, Lederrock und Zebrabluse und mit meinen wunderschönen Haaren! Sie passten nicht zu Zebramuster. Sie passten überhaupt nicht zum Wahnsinn.

"Der Mann ... hicks ... war Schrott ... richtiger Schrott.", lallte ich, ließ mich aufs Sofa plumpsen und trank den Rest aus meinem Glas in einem Zug aus.

"War er nicht perfekt? Hat er sich nicht in Sie verliebt?"

"Er war stink... hicks ...reich, prahlte mit seinem Geld und war ein ober... oberflächliches Arschloch. Und ich hatte keine Schmetterlinge im Bauch."

Der Wahnsinn setzte sich auf den Ledersessel, drehte die Weinflasche herum und schenkte sich dann ebenfalls ein Glas ein.

"Es war nicht die Rede davon, dass Sie sich in ihn verlieben. Sie haben sich einen perfekten Mann gewünscht, der sich in Sie verliebt."

"Aber ... in den perfekten Mann hätte ich mich verliebt. Er war nicht perfekt. Wäre er ... hicks ... perfekt gewesen, hätte ich Schmetterlinge gehabt."

"Sie scheinen nur vergessen zu haben, dass es keinen perfekten Menschen gibt."

"Oh", sagte ich nur und griff nach der leeren Weinflasche. "Mist. Leer."

Der Wahnsinn schnippte mit dem Finger und mein Glas füllte sich von selbst nach. Hastig nahm ich einen Schluck. "Meine schönen Haare ...", jammerte ich leise.

"Sie wachsen wieder so nach, wie diese hier", sagte der Wahnsinn und dabei zwirbelte sie an einer roten Locke, "wenn sie nochmals abrasiert werden und natürlich nachwachsen. Ich habe übrigens Perücken im Sonderangebot."



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Ein haariges Lesevergnügen
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Hrsg. Ronald Henss
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ISBN 978-3-9809336-0-5

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