Haarige Geschichten
Kurzgeschichte - Haar, Haare, Frisur, Friseur, Haarfarben, blond, Blondine, Rothaarige, Glatze, Haarausfall, Bart, Rasur, Zöpfe, Locken, Dauerwellen ...

Unser Buchtipp

Abenteuer im Frisiersalon

Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-0-5

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

Beim Frisör

© Holger Wittschen

Weißt Du, ... auch wenn sich Dein Kopf langsam aber sicher dem Deines Wellensittichs ähnelt in Zeiten der Mauser, allerdings einer Art fortschreitender, nicht enden wollender Mauser, musst Du doch irgendwann zum Frisör. Nützt nichts. Siehst aus, wie ein alter Flokati - ziemlich abgenutzt und fusselig. Sonst hat Mutti Dich immer beschnitten oder Deine Frau. Alle sechs Wochen kamst Du dran, ob Du das nun wolltest oder nicht."Jung, wie sist du denn ut? Du sist jo ut as een Beetle! Dor mot'n sik jo för schomen!", hieß es bei Mutti. Aber seit Deine Frau mit diesem Burofuzzi durchgebrannt ist und Mutti plötzlich und unerwartet nicht mehr ist, stehst Du da und musst zum ersten Mal etwas tun, was Du noch nie zuvor getan hast. Du stehst also etwas verklemmt vor dem Frisörladen und gehst nur zögernd hinein. Eine gut gewachsene Frisöse mit langem, braunem, lockigem Haar kommt so cool auf Dich zu wie Gary Cooper in 'High Noon / 12 Uhr Mittags, einen Ledergürtel wie einen Pistolengurt lässig um die schmale Hüfte geschnallt. Darin steckt allerlei Spitzes, Scharfes und Gefährliches. Scheren aller Größen, Rasiermesser, Haarschneidemaschine. Sie hilft Dir aus Deiner Jacke, was Du misstrauisch als ein erstes Zeichen beginnenden Alters bei Dir deutest. Sie lächelt Dich lieb an und fragt ob Du Kaffee möchtest. Du lehnst dankend ab und sagst, das Du wegen dem Haare schneiden hier bist und schon zu Hause Kaffee getrunken hast. Die Frisöse ist etwas kleiner als Du und trägt eine Victoria Beckham Brille mit extra großen Gläsern, die mit leichter Tönung sehr attraktiv in ihrem scharf geschnittenen Gesicht wirkt. Sie bittet Dich vor einem großen Spiegel Platz zu nehmen. Aus reiner Gewohnheit ziehst Du Deinen Pulli aus, wegen der vielen kleinen Haare nach dem Schneiden, weil die immer im Nacken so pieken und Du den Pulli noch weitere drei Tage tragen möchtest. Das spart enorm an Wäsche - hat Mutti immer gesagt.

Die Frisöse guckt etwas verstört, als Dein weißes Schiesser Feinrippunterhemd auf Deiner ebenso weißen Haut plötzlich vor ihr und im Spiegelbild erstrahlt, fast so keusch als handelt es um die Jungfrau von Orléons persönlich. Nein, sagt sie überrascht und mit mühsam unterdrücktem Lächeln. Hier bräuchtest Du das nicht. Ist hier nicht so wie bei Mutti hat sie nicht gesagt. Aber irgendwie musste sie sich immer wieder umdrehen und hatte bald ganz schwarz - verschmierte Augen und die Träne kullerten ihr die Wangen herunter. Dann legt sie Dir einen Papierkrepp um den Hals und bindet Dir einen Umhang um. Wie wir's denn gerne hätten, fragt sie und wuschelt dabei in Deinem Flokati herum. Du wärst wohl schon lange nicht mehr beim Frisör gewesen, sagt sie scharfsinnig, denn von Frisur könne hier keine Rede sein. "Altbagsch" sagt sie noch, so als handele es sich um eine schlimme Krankheit, die es schleunigst loszuwerden gilt. Tja, sagst Du. Irgendwie hast Du Dir um Deine Frisur noch nie einen Kopf gemacht. Bei Mutti oder Deiner Ex hast Du Dich auf einen Küchenstuhl in der Diele hingesetzt und niemand hat Dich nach Deinen Wünschen gefragt. Irgendwann und nach einer Menge Schnippelei hat Mutti gesagt: "Tzü, nu süst du wedder anstännig ut, mien Jung" und dann warst du fertig. Tja, sagst Du noch einmal. Offensichtlich bist Du etwas überfordert mit Deiner plötzlichen Frisurenmeinungsfreiheit. Vielleicht muss man dass ja auch erst lernen. Sich quasi langsam herantasten. "Das Pony schön kurz", hörst Du dich sagen und glaubst auch es überzeugend rübergebracht zu haben. Tja, antwortet nun die Schöne. Tja, also erstens hieße es nicht 'das' Pony, das steht nämlich auf der Weide, sondern den Pony antwortet sie belehrend und schiebt mit einer energischen Handbewegung ein paar Deiner Fussel nach hinten, die sich über die Jahre hartnäckig über deiner Stirn gehalten haben und zweitens fände sie es besser die hohe Stirn mit den noch verbliebenen Haaren zu kaschieren. (Die verbliebenen Haare, klingt wie die Hinterbliebenen einer Trauergemeinde von verlorenen Haaren) Tja, sagst Du und ärgerst Dich ein wenig, weil sie Deine Meinung so lässig ignoriert hat. Und lange Haare im Nacken trägt man schon lange nicht mehr. Das sähe ja noch aus wie bei 'Manta Manta - Der Film'. So was hätte sie schon lange nicht mehr gesehen. Echt museumsreif. Sie schlüge vor Nacken schön ausrasieren, an den Seiten kurz und oben ein paar blonde Strähnchen. Dadurch wirkt das Haar optisch voller. Tja, sagst Du und nickst zustimmend. Sie glaubt, dass du genau das sagen wolltest und sagt, dass sie Deinen Vorschlag toll findet.

Klar, für die siebenunddreißig Euro hättest Du Dir auch was anderes kaufen können. Aber Du bist schon stolz auf Deine Kreation. Quasi mutiert von einer gewöhnlichen, willenlosen Runkelrübe zum appetitlichen Pfirsich der weiß was er will. Und gezwickt hat danach im Nacken auch nichts. War nicht so wie bei Mutti oder Deiner Ex. Selbst mit einem breiten Scheitel ist es für eine moderne Frisur eben nie zu spät. Hat Deine Frisöse gesagt. Du lächelst Dein Siegerlächeln, denn irgendwie hätte diese Weisheit auch von Dir kommen können.



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Ein haariges Lesevergnügen
Noch mehr haarige Geschichten finden Sie in dem Buch, das aus unserem Wettbewerb "Abenteuer im Frisiersalon" hervorgegangen ist.

Abenteuer im Frisiersalon Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-0-5

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