Unser Buchtipp
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Lehrjahre sind keine ...© Kerstin PeskeIn dem blitzsauberen Friseursalon Heiko war alles wie immer. Zum Leidwesen von Kati. Ihr Chef hatte soeben ein dickes Trinkgeld kassiert, weil er wieder einen ganz normalen Haarschnitt vollbracht hatte, und er zwinkerte ihr zu. "Da kommst du auch eines Tages noch hin." Kati hatte langsam die Nase voll. ‚Nur weil ich der jüngste Lehrling bin, muss ich immer die Drecksarbeit machen', schmollte sie, während sie mit dem Besen die nächste Fuhre Haare vom Fußboden zusammenfegte. ‚Fegen, waschen. Ist das Wasser so angenehm? Waschen, fegen. Genau wie gestern und vorgestern und vorvor...' Die Türglocke ging. Sie blickte auf. ‚Oh nein, nicht das auch noch.' Die alte Frau Schreiner betrat energisch den Salon. In dem gleichen Kostüm wie schon beim letzten Mal. Sie kam, wie viele andere alte Damen, alle drei Wochen, um sich die Haare waschen zu lassen. Dementsprechend fettig waren sie und rochen unangenehm nach Talg, Küchendünsten und alter Frau zugleich. Innerlich durchlief Kati ein Ekelschauer. ‚Als wenn die zu Hause kein fließendes Wasser hätte.' Nach Außen hin jedoch bewahrte sie die Fassung. "Guten Morgen, Frau Schreiner", sang sie mit einem gekünstelten Lächeln, während sie auf sie zuging. Die Frau drückte ihr ihren Mantel in die Hände, ging zu dem freien Stuhl am Waschbecken und setzte sich. Heimlich verdrehte Kati die Augen, während sie den Mantel an die Garderobe hing. Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, ging widerwillig zu ihrem Arbeitsplatz und bemühte sich um Freundlichkeit. "Geht es Ihnen gut, Frau Schreiner?", fragte sie das Spiegelbild. Frau Schreiner machte ein verbissenes Gesicht. "Seh ich so aus?" Kati schwieg. Sie band ihr den Umhang um, legte ein Handtuch darüber und machte sich daran, die Wassertemperatur einzustellen. Der Chef kam vorbei, grüßte freundlich und musterte Katis Arbeit. Er nickte und ging zu einer Kundin gegenüber. Frau Schreiner legte ihren stinkenden Kopf in die Mulde. Beim Waschen stellte Kati die obligatorische Frage: "Ist das Wasser so angenehm?" Frau Schreiner hatte die Augen geschlossen. "Hmhm", es klang grimmig. Kati schüttelte den Kopf. ‚Wenn das das einzige ist, was ich im ersten Lehrjahr lerne, dann frag ich mich wirklich, für wie doof man hier gehalten wird. Ist das Wasser so angenehm? Den Spruch hatte ich schon am ersten Tag drauf!', sinnierte sie verärgert. Derweil hielt sie die Luft an, bis sie endlich das wohlduftende Schampoo, die doppelte Menge wie üblich, in die Haare massieren konnte. Als sie fertig war, wickelte sie Frau Schreiner ein Handtuch um den Kopf und führte sie zu einem anderen Platz. Fönen durfte sie noch nicht. ‚Wenn ich nicht bald auch mal fönen darf, dann platze ich. Ist der Fön auch nicht zu heiß? Das krieg ich ja wohl auch noch hin.' Das Telefon klingelte. Sie rannte los. Doch Tina kam ihr zuvor und riss den Hörer an sich. "Hier Salon Heiko. Sie sprechen mit Tina!?" Sie lächelte Kati blöde an. ‚Das hätt ich auch gekonnt. Blöde Kuh.' Die Türglocke bimmelte. Schon kam die nächste Kundin für Kati herein. Es war Frau Wagner. Eine freundliche Dame, die zum Glück jede Woche zum Waschen kam und entsprechend weniger roch. "Ist das Wasser so angenehm?" Frau Wagner lächelte nur genüsslich. Kati war froh, denn sie hatte mittlerweile kein Gefühl mehr in den Händen. Sie steckte den Brausekopf zurück in seine Halterung, nahm ein frisches Handtuch vom Stapel und wickelte es stillschweigend Frau Wagner um den Kopf. Sehr gesprächig waren sie heute alle nicht, die alten Leutchen. Aber das war ihr nur recht. ‚Man kann sich ja nicht ständig deren Enkelgeschichten und Wehklagen anhören.' "Kati, kannst du bitte für einen Moment auf das Telefon aufpassen?", fragte ihr Chef im Vorbeigehen, "die anderen haben grad alle keine Zeit." Sie nickte: "Ist gut", führte Frau Wagner an einen anderen Sitzplatz, reichte ihr eine Illustrierte und machte sich ans Aufräumen. ‚Wenn das Telefon gleich wirklich klingelt und jemand einen Termin zum Haarewaschen will, dann drück ich ihn dem Chef auf's Auge. Oder Tina!' Kati grinste ihr Spiegelbild an und machte große Augen, weil das Telefon tatsächlich klingelte. Mit wenigen Schritten war sie da. Sie griff nach dem Hörer, setzte ein wichtiges Gesicht auf und straffte sich. "Ist das Wasser so angenehm?" Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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