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Zauberhaar der vielen Tiefen© Bianca DetersEinst lebte ein junger Fischer mit seiner Frau, die war schön und hatte goldenes, lang wallendes Haar. Sie trug es gerne offen oder zu einem stolz geflochtenen Zopf. Alle Männer begehrten sie, doch blieb sie ihrem Mann stets treu und liebte auch nur ihn. Der Mann aber, war misstrauisch, denn er selbst war nur von geringer Schönheit. Deshalb fragte er sie: "Sag Frau, wie sehr liebst du mich?" "Ich liebe dich so sehr, wie die Lerche den Morgen", antwortete da die junge Frau und der Fischer war zufrieden. Einige Zeit später, gingen die beiden in das Dorf, Fische zu verkaufen und der Mann sah wie die anderen Burschen seine Frau anstarrten. Da wurde er wieder von Zweifeln gepackt und fragte erneut: "Sag Frau, wie sehr liebst du mich?" "Ich liebe dich so sehr und brauche dich so dringend wie das Wasser zum Leben", sagte die Schöne und der Mann schien beruhigt, doch seine Eifersucht schlummerte weiter in ihm! Lange Zeit lebten sie unbeschwert weiter, doch eines Tages bemerkte er, wie einer der anderen Fischer, seiner Frau ein Lächeln schenkte und sie dieses erwiderte. Aufgebracht stellte er sie sofort zu Rede: "Frau, sag mir, wie sehr liebst du mich?" Traurig über so viel Zweifel antwortete sie: "Ich liebe dich so sehr und brauche dich so dringend, wie die Luft zum Atmen." Doch der Fischer stieß sie unsanft auf den Heimweg und beschimpfte sie unentwegt. Zu Hause angekommen brüllte er: "Wenn ich dir wirklich glauben soll, dann befehle ich dir: Schneide auf der Stelle dein Haar ab! Schneide es so kurz, wie es nur eben geht, denn es betört die anderen und für mich macht es keinen Unterschied, ob du es lang oder kurz trägst." Das machte die Schöne sehr traurig, denn sie liebte ihr Haar über alles, doch noch mehr liebte sie ihren Mann. So nahm sie ein Messer und schnitt mit einem Zug, den langen goldenen Zopf ab und legte ihn in die Wäschetruhe. Kurz geschoren war sie nun und wirkte knabenhaft. Weil sie auch des Öfteren Männerarbeit verrichtete und hartes Arbeiten gewohnt war, glaubten die anderen Fischer, ein neuer Lehrling weile unter ihnen und sie freuten sich über den jungen Burschen, der zwar zaghaft aber doch sehr gewissenhaft arbeitete. Sie klopften ihm lobend auf die Schulter und scherzten und lachten mit dem vermeidlich neuen Kameraden. Das sah auch der junge Fischer und blind und rasend vor Eifersucht rannte er zur Schenke, wo er seinen Kummer ertränkte und sich über sein untreues Weib ausließ. Doch nichts und niemand konnten ihn beruhigen und so kam es, dass er anstelle nach Hause zu gehen, wo die junge Frau schon sorgenvoll wartete, ins Wasser ging. Er drehte sich nicht einmal um, er ging und ging, bis er nicht mehr zu sehen war! So groß waren seine Zweifel, dass er nicht länger leben wollte. Als die Menschen, aus dem Dorf, das Unglück bemerkten und auch seine Frau dazu kam, die aber keiner wegen der kurzen Haare erkannte, da sagte man ihr: "Sieh nur Bursche, so unglücklich ergeht es einem, wenn die Frau zu schön ist und anderen schöne Augen macht. Dann nimmt man sich aus lauter Herzeleid das Leben. Oh dieses Weib, wenn sie uns in die Finger fällt, dann wollen wir sie verbrennen, diese Hexe!" Ja, so sprachen die Leute untereinander, besonders die Männer taten sich hervor, die vor kurzer Zeit noch gelächelt hatten, wenn sie der Frau des Kameraden begegnet waren. Traurig und verstört ging sie heim. Als Glück im Unglück empfand sie das abgeschnittene Haar. Sie setzte sich auf ihr Bett und weinte bittere Tränen darüber, dass der Mann, den sie von Herzen liebte, sie so einfach verlassen hatte. Die Tränen rannen ihre Wangen herunter, schwollen zu einem kleinen Bach und flossen vom Kinn direkt in die Wäschetruhe, in der der Zopf lag. Wie durch ein Wunder begann der zu wachsen. Je mehr Tränen der Liebe sie vergoss, umso länger wurde er. Ja, er wuchs und wuchs, bis zum Meer und schließlich gar bis auf den Grund des Wassers! Als die Frau es endlich bemerkte, folgte sie dem Haar und als sie sah, dass es bis zum Meeresgrund reichte, da zögerte sie keine Minute und ließ sich am Zopf hinunter in die Tiefe gleiten. "Was habe ich schon außer meinem Leben zu verlieren, was ist es wert ohne meine einzige Liebe?", dachte sie bei sich. So gelangte sie zum Meeresgrund und wurde schon erwartet von einer jungen, wunderschönen Frau. "Wer bist du?", fragte die Frau des Fischers erstaunt. "Ich bin Unda, Herrscherin der Tiefe, Tochter des Wasserfürsten der Prikulic. Ich habe schon auf dich gewartet, wollte ich doch wissen, zu wem dieses zauberhafte Haar gehört und warum es dich hierher verschlägt." "Ach, was sollte ich dir sagen? Alles, was ich möchte, was ich so dringend suche, ist mein Mann, der ins Wasser ging, weil er an meiner Treue zweifelte." "Ich weiß", antwortete die Wasserfrau, "und ich weiß auch von den Tränen, die du um ihn vergossen hast. Ich sah durchs Wasser wie durch einen Spiegel, wie er zweifelte, sah seine Eifersucht und auch deine bedingungslose Liebe. Doch was willst du von diesem Mann, der dich gezwungen hat, dich von deinem Haar, das dir lieb und teuer war, zu trennen?" Die junge Frau blickte der Unda tief in die Augen. So schön sie auch war, schien sie die Liebe nicht zu kennen. Die Fischer erzählten ihre Geschichten wohl zu Recht, dass Undinen seelenlos seien, aber bis auf die Seele der Menschen blicken können. Und so wählte sie mit Bedacht ihre Antwort: "Ich liebe ihn, genau für das, was er ist!" Die Herrscherin der Tiefe betrachtete sie wohlwollend und sagte: "Deine Antwort gefällt mir und ich gebe dir seine Seele zurück, obwohl es mir nicht leicht fällt. Denn du sollst wissen, ich selber bin seelenlos und gebe nicht gerne heraus was ich mir so dringend wünsche. Doch kann ich nur beseelt und schön werden, durch die Liebe eines Menschen, der mein wahres Antlitz ertragen kann." Sogleich verwandelte sich die Unda und ihre Schönheit verging. Sie war nun ein Wesen halb Unke, halb Mensch und so hässlich, dass ein jeder, der sie erblickte, sofort davonlaufen wollte. Auch die junge Frau musste sich sehr sammeln, um diesen Anblick zu ertragen. "Siehst du", sagte die Herrscherin traurig, "wenn du dich so erschreckst, wie soll ich da nur je einen Menschen finden, der mich so liebt wie ich bin, wenn ich nicht gerade den kurzen Zauber der Schönheit für mich nutze? Ich möchte, dass du mir dabei hilfst, sozusagen als Gegenleistung. Ich gebe dir dazu eine Frist von drei Monden und sollte es dir nicht gelingen, so muss auch deine Seele hier am Meersgrund bleiben!" "Ich werde dich nicht enttäuschen", sagte da die Schöne und kletterte den Zopf empor zur Wasseroberfläche. Sie legte ihr Haar aufgerollt unter ihr Nachtlager und dachte noch lange über die seltsame Begegnung nach, so lange bis sie einschlief. Am nächsten Tag machte sie sich auf in die Dorfschänke, dort erzählte sie den anderen Fischern, von der wunderschönen Unda doch die lachten und scherzten, nun war ihr neuer Lehrling nicht nur begabt in seinem Handwerk, sondern er schien auch ein guter Erzähler zu sein, was man sehr schätzte. "Na, wenn ihr mir nicht glaubt, so werde ich halt wieder gehen", sagte der vermeidliche Bursche schulterzuckend. Doch es dauerte gar nicht lange, da folgte ihm einer, dem die Bilder, der schönen Wasserfrau nicht aus dem Kopf gingen. "Sag, Junge, ist es wirklich wahr, was du erzähltest? Deine Bilder erschienen mir so klar." "Wenn du willst, komm mit mir mit, ich werde dir zeigen wovon ich sprach", kam es zur Antwort. So kletterten sie in ein Boot und ruderten hinaus auf das Meer, bis nach der Stelle, die mit der Wasserfrau verabredet war. "Bei allem was gleich auch passiert, denke an all die Einzelheiten, die ich von der Unda schilderte, wurde der Fischer ermahnt, dann wurde die Wasserfrau gerufen. Als sie erschien, hatte der Mann nur all die schönen Bilder vor Augen, in die er sich verliebt hatte. Doch als Unda fragte: "Sage, was siehst du?" Da wurde er wach und sein Ekel und seine Furcht waren so groß, dass er vor Entsetzen ins Wasser sprang und ertrank. "Siehst du, das habe ich erwartet", sagte die Meeresherrscherin und blickte traurig aus ihren Glubschaugen drein. "Es wird mir gelingen, hab nur Geduld", antwortete die junge Frau und machte sich auf den Heimweg. Und es dauerte auch nicht lange, da hatte sie wieder einen gefunden, der wie betört vom Bild der Unda war. Sie stiegen ins Boot und ruderten los. "Bei allem, was gleich passiert, denke an all die Schönheit, von der ich sprach, wurde auch dieser Fischer ermahnt. Und hier stecke dir bitte diese Lumpen in die Ohren, es könnte laut zugehen. Wenn du sie erblickst, sage einfach: "Ich sehe das schönste Wesen, das mir je begegnete, und wenn man liebt dann sieht man mit nur dem Herzen." So wurde es vereinbart und die Wasserfrau wurde gerufen. Sie tauchte auf und der Mann sah ebenfalls nur, was er sehen wollte. Als sie auch ihn fragte: "Sage, was siehst du?" Da murmelte der Bursche verlegen:"Ich sehe das schönste Wesen, das mir je begegnete, und wenn man liebt, dann sieht man nur mit dem Herzen." Dass machte Unda sehr glücklich und sie rief: "Komm zu mir, Liebster! Tauche mit mir hinab, und ich werde beseelt und so schön sein, wie du es magst." Doch der Fischer verstand ihre Worte nicht, war traurig darüber, befreite seine Ohren von den Lumpen und bat sie zu wiederholen, was sie sagte. Doch kaum sprach die Wasserfrau, da erwachte auch er aus seinen Bildern von Schönheit und genau das wurde auch ihm zum Verhängnis, aus Ekel sprang er in die Tiefe wo auch er ertrank. "Es war nicht Recht von dir, ihm die Ohren zu verschließen, doch hätte es zur Liebe verholfen, so wäre ich gewiss die glücklichste Frau der Welt gewesen", sprach die Undine und sah noch viel trauriger aus, als beim ersten Mal. Voller Mitleid blickte die Fischerfrau zu ihr herunter. Sie war so hässlich, schleimig und nackt, es war zum Erbamen. Da, kam ihr eine Idee. "Noch ist meine Frist nicht vorüber, ich werde wiederkommen und dann wird geschehen, was geschehen soll", antwortete sie und machte sich erneut auf den Heimweg. Dort angekommen, betrachtete sie ihren goldenen Zopf, sie hieb ihn durch nahm ihn an sich und sprach: "Wenn du mir schon einmal einen Weg gewiesen hast, so wirst du mir auch jetzt den richtigen Weg weisen." Damit machte sie sich auf zu den anderen Fischern. Sie erzählte abermals von der schönen Unda. Und wieder begab sie sich mit einen von ihnen zu der Stelle, wo auch die anderen beiden schon auf die Wasserfrau trafen. Sie ermahnte auch ihn, sich an die schönen Bilder der Unda zu erinnern und dann wurde diese gerufen. Doch als sie auftauchte und fragen wollte: "Sag, was siehst du?" Da schmiss des Fischers Frau das lang wallende Haar ins Wasser. Es umwickelte die Herrscherin der Tiefe und bahnte sich einen Weg zum Lurchschädel. Wie durch ein Wunder wuchs es dort augenblicklich an und die Undinne wurde wunderschön, ganz ohne ein Traumbild. Ja noch viel schöner, als der Mann es sich hätte träumen lassen können! Verliebt und voller Verlangen sah der auf dieses Wesen herab. Die Unda aber sprach zur jungen Frau: "Ich habe so gehofft, dass dir dieser Gedanke kommt, dein wundervolles Zauberhaar mit mir zu teilen, doch habe ich es nicht zu träumen gewagt. Nun bin ich gleich doppelt beseelt. Einmal durch die Liebe einer Menschenfreundin und einmal durch die Liebe eines Menschenmannes, hab Dank dafür." Und wie versprochen erhielt die Frau ihren Mann wieder und auch noch die beiden anderen Burschen. Der Fischermann aber, der nun wusste, dass seine Frau ihn so sehr liebte, dass sie sogar ihre Seele dafür gegeben hätte, der liebte seine Frau noch viel, viel mehr. Doch, die Eifersucht, die blieb am Meersgrund zurück. Ob das nun Einsicht oder ein Geschenk der Unda war, darüber kann man denken wie man möchte. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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