Unser Buchtipp
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Unter Brüdern© Stefan FalkeDie tiefstehende Sonne tauchte den eisenreichen Sand der Straße in dunkles Rot, dass er aussah wie geronnenes Blut. Zwei Jungen rannten hintereinander her und lachten. Der Wind fauchte durch die Straßen und verbrannte das Gesicht des Barbiers. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Er ging in den Laden und lehnte sich an die Kommode. Mit einem Handtuch, das aussah, als sei es noch nie benutzt worden, polierte er sorgfältig die Klingen der Scheren. Hauchte sie an, wischte sie sauber und legte die Schere, ohne sie mit den nackten Fingern zu berühren zurück in die Schublade. Er schaute nur kurz auf, als ein General den Laden betrat. Der Barbier schaute in das Fenster auf sich selbst und sah einen Mann mit dünnen, blonden Locken, kleinen Falten, die auf seine Augen zeigten, poriger Lederhaut, die seine Wangenknochen umspannte und einem groben, aber fein geschnittenen Bart, der seine Mundwinkel nach unten zog. Auf den Stufen vor dem Laden lag der alte Hund. Sein graues Fell stand in alle Richtungen. Er sah aus, als sei er schon seit Jahren tot, würde nicht aus einer Wunde frisches Blut tropfen. Der Barbier lächelte traurig. Der alte Hund lag jeden Tag auf den Stufen und es sah aus, als hielte er Wache, als wolle er aufpassen, dass jeder Kunde einen Viertel-Dollar auf dem Tresen hinterließ. Der Barbier legte die letzte Schere in die Schublade. Er rieb seine Hände in dem Handtuch trocken und warf es sich über die Schulter. Der General nahm seinen Hut vom Kopf und nickte den Barbier zu. Der Barbier sah einen Mann mit dünnen, blonden Locken, kleinen Falten, die auf seine Augen zeigten und poriger Lederhaut, die seine Wangenknochen umspannte. Der Barbier machte einen Schritt zur Seite und seine Hand zog langsam eine Schublade auf. "Hast du darin deinen Revolver?", fragte der General. Er legte seine groben, weißen Zähne zu einem Lächeln frei und ließ sich auf den Stuhl fallen. Ein Bein von sich gestreckt, als wäre er in einer Bar. "Nur meine Scheren", sagte der Barbier und zog eine der polierten Scheren aus der Schublade. Er warf dem General einen Umhang über. Er zupfte ihm durch die Haare und ließ die Schere nach den Locken schnappen. "Wie hältst du das aus? Die Hitze, die Rothäute?", knurrte der General. "Wie hältst du das aus?", fragte der Barbier zurück. Der General lachte. "Ich töte sie. Und vor der Sonne reite ich davon." "Niemand hat gesagt, dass du sie töten sollst." "Aber es beschwert sich auch niemand." Der General schaute das Spiegelbild des Barbiers an. Ihre Blicke trafen sich. Die spielenden Kinder waren verschwunden. "Rasieren kannst du mich auch noch", sagte der General. Der Barbier steckte die Schere weg und mischte den Rasierschaum an. Er stellte sich vor den General und schmierte ihm den weißen Schaum auf die Wangen. "Ich hatte auch mal so einen Bart wie du", sagte der General. Er zuckte mit den Schultern und zog die Mundwinkel nach unten. "Stand mir nicht." Der Barbier zog das Rasiermesser aus der Tasche. Er legte den Kopf des Generals zur Seite und schabte ihm über die Wangen. Er hielt inne und schaute den General an. "Hättest du mich auch erschossen, wenn ich den Indianern geholfen hätte?" Der General schaute ihn erstaunt an. Dann nickte er. "Wenn du mich nicht zuerst erschossen hättest." Der Barbier schabte über den Hals des Generals. Für einen Moment sah er sich, die scharfe Klinge durch den Hals des Generals ziehen. Sah das Blut aus dem Hals spritzen und den General leblos auf dem Stuhl zusammensinken. "Ich hatte mich verliebt", sagte der Barbier. "Das ist schön", lächelte der General. "Sie ist gestorben." Der Barbier wischte das Rasiermesser am Handtuch ab. "Durch deinen Colt." Der General schob den Barbier beiseite. Er sprang auf, riss sich den Umhang vom Hals und wischte sich den Schaum aus dem Gesicht. Wütend schleuderte er das Handtuch auf den Boden. "Im Krieg sterben nun mal Menschen!" Seine Augen funkelten. Der Barbier ging rückwärts, bis seine Hand die Schublade fand. "Was für ein Krieg ist das, in dem ihr Frauen und Kinder tötet?" Seine Hand schloss sich um das kalte Metall des Revolvers. Er richtete ihn auf den General. "Das wagst du nicht", sagte der General. Er schaute dem Barbier fest in die Augen. Der Barbier zielte auf die Stelle der Brust, unter der das Herz sein musste. Der Revolver zitterte. Der General verzog seine Lippen zu einem Grinsen. Dann drehte er sich um und verließ den Laden. In der Tür schaute er auf den Hund. Der General zog einen Viertel-Dollar aus der Tasche und warf ihn dem Barbier vor die Füße. Ein letztes Mal traf sich ihr Blick. Der General lachte laut auf und verließ den Laden. Er lachte, als er sich den Hut aufsetzte, er lachte, als er die Straße entlang schritt und er lachte, als ihn der Barbier schon längst nicht mehr sehen konnte. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.
Eingereicht am Ein haariges Lesevergnügen
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