Haarige Geschichten
Kurzgeschichte - Haar, Haare, Frisur, Friseur, Haarfarben, blond, Blondine, Rothaarige, Glatze, Haarausfall, Bart, Rasur, Zöpfe, Locken, Dauerwellen ...

Unser Buchtipp

Abenteuer im Frisiersalon

Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-0-5

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

Wie die Bürger aus Mesopotamien zu ihren Perücken kamen

© Susanne Kischkel

Es lebte ein König im Land Mesopotamien. Der König war sehr beliebt und angesehen im Volk. Außerdem hatte er große Besitztümer und ein großes Gefolge am Königshof. Der König hatte auch etwas ganz Besonderes: Schönes langes gelocktes Haar, das er stolz zur Schau stellte. Jeden Tag wurde sein Haar alle vier Stunden gebürstet. Jeden Morgen mussten seine Bediensteten seine Haare nach einem bestimmten Ritual bürsten. Das Haar wurde zuerst verlesen. Danach mit einer weichen Schweineborstenbürste gebürstet, welches ihm den Glanz verlieh. Außerdem wurde eine spezielle pflanzliche Tinktur auf sein Haar gesprüht, durch welche das Haar noch schöner auf die Schultern fiel und noch schimmernder glänzte. Es hieß, dass der König sehr stolz auf seine Haare war. Jede Woche kam der Hoffriseur und beschaute sich die Haare des Königs. Mit einer extra geschärften Haarschneideschere die aus Eisenklingen bestand wurde das Haar millimeterweise gestutzt. Denn der König achtete darauf, dass ihm von seinem Haar nicht zu viel abgeschnitten wurde. Für die Nacht setzte der König eine spezielle Schlafmütze auf. Diese war aus kostbarer Seide gewebt und besonders atmungsaktiv. So konnte das Haar im Schlaf nicht zerzausen und wurde dazu noch gut belüftet. Der König wollte stets über die neuesten Haarpflegemittel informiert sein. So sandte er monatlich einige seiner Leute aus, damit sie diese auskundschafteten.

Sein Haar wurde gehegt und gepflegt und wuchs und wuchs. Es wurde ihm zur Gewohnheit einmal in der Woche durch die Stadt zu spazieren. Dabei trugen ihm die Hofdiener sein wallendes Haar auf silbernen Tabletts hinter ihm her. Die Leute bewunderten des Königs Haar und wollten mal so gerne sein geschmeidiges Haar befühlen und betasten. Das erlaubte der König allerdings nicht. Bei seinen Stadtspaziergängen sah der König wohl, dass es Leute gab, die einen sehr spärlichen Kopfbewuchs hatten. Dies fiel dem König unangenehm auf, und er bedauerte dies sehr. War er aber doch im Innersten froh. Denn er war überzeugt, dass ihm so ein Unglück bei seiner guten Pflege niemals passieren würde. So stolzierte er an den Leuten vorbei, zurück in den Königspalast um sich wieder seiner Haarpflege zu widmen. So vergingen Tag für Tag, Monat für Monat und Jahr für Jahr.

Eines Tages aber machte er eine schreckliche Entdeckung: die sein ganzen Leben verändern sollte. Bei seiner abendlichen Haarpflege stellte er mit Sorge fest, dass in der Bürste sich mehr Haare als gewöhnlich befanden. Entsetzt fuhr er sich mit seiner Bürste wieder und wieder durchs Haar. Jedes Mal mit dem gleichen Ergebnis: Ihm gingen die Haare aus! Dies entsetzte den König sehr und die ganze Nacht tat der König kein Auge zu. Am nächsten Morgen rief er im ganzen Land ein Weinen und Klagen aus. Alle Geschäfte mussten schließen. Kein Handel durfte betrieben werden, denn am Königshof wurde getrauert. Er rief die besten Friseurmeister aus dem Land zusammen um sich zu beraten. Die Friseurmeister versuchten den armen trauernden König zu beruhigen. "Das ist nur so eine Phase", sagte der eine, "Das Haar erneuert sich, es wächst wieder nach" so ein anderer. Aber nichts konnte den König beruhigen. Tag für Tag sah er sein Haar schwinden. Jedes Haarbüschel in seiner Bürste schmerzte den König zutiefst. Sein kostbares ausgefallenes Haar sammelte er in einem goldenen Gefäß. Mit jedem ausgefallenen Haar wurde der König mit der Zeit immer griesgrämiger. Dies äußerte er mit einer üblen Laune. Unfreundlich kommandierte er sein Gefolge herum. Auch das Regieren machte ihm keinen Spaß mehr. Lustlos spazierte er in seinem Königshof herum. Die Bediensteten trugen ihm sein noch verbliebenes Haar auf einem silbernen Teller hinterher. Aber der König hatte keine Freude mehr daran und stolz war er auch nicht mehr. und des Abends saß er vor seinem goldenen Krug und beweinte sein ausgefallenes Haar. Auch grämte er sich, da er so achtlos an den Leuten mit dem wenigen Haaren vorübergegangen war. Denn jetzt konnte er gut verstehen, wie schlecht sich die Leute fühlen mussten. Bald äußerte das Volk im Land seine Unzufriedenheit mit dem unfreundlichen und lustlosen König. Die Minister am königlichen Hof berieten täglich miteinander, wie sie dem König helfen könnten. Die königlichen Ratgeber wälzten nächtelang dicke schlaue Bücher um einen geeigneten Rat für den König zu suchen. Sie sagten, der König solle sich gesund ernähren, Sport treiben und ausreichend schlafen. Aber nichts half. Die Unzufriedenheit im Volk mit dem übellaunigen König verschlechterte sich immer mehr und die Minister befürchteten schon eine Aufstandsrevolte. Aber niemand wusste einen Ausweg.

Es begab sich, das eine der Kammerzofen des Königs, die die tägliche Reinigung der Königsgemächer vornahm, das schöne glänzende goldene Gefäß bewunderte, indem der König seine ausgefallenen Haare sammelte. Sie konnte dem geschmeidigen und seidigen Haar nicht widerstehen. Immer wieder hielt sie während ihrer Arbeit inne um den Deckel anzuheben und einem Blick auf das schöne Haar zu werden und es zu betasten wie weich es sich anfühlte. Sie hatte einen Bruder, der wiederum einen Freund hatte, der Perücken herstellte. Dieser war stets auf der Suche nach neuen Haaren, um sie in seinen Perücken zu verarbeiten. Das brachte sie auf eine Idee. Heimlich nahm sie die Haare aus dem Krug, tat ein paar Knäuel von kuscheliger grauer Wolle hinein, damit es dem König nicht auffiel und brachte sie zu dem Perückenhersteller. Dieser war verzückt über des Königs wunderschönem ausgefallenem Haar und machte davon eine Perücke mit schönem langen wallendem Haar. Während der König seine Trauerrunden im Schlosshof lief, tat die Kammerzofe die Perücke wieder schnell in den Krug. An diesem Tag war es dem König besonders schwarz ums Herz. Düster schlurfte er vor sich hin und nahm seine Umwelt gar nicht richtig wahr. In seinem Schlafgemach wollte er sich an diesem Abend besonders ausgiebig seiner Trauer hingeben. Er wollte die Türe verschließen, seine ausgefallenen Haare aus dem Krug herausnehmen und die gute alte Zeit beweinen. Als er noch vergnügt und stolz mit seinem wunderschönen Haar durch die Stadt spazierte. Müde und verdrossen setzte er sich, nahm den Deckel von dem goldenen Krug und griff hinein. Er befühlte das weiche seidene Haar und ein Schmerz durchzog seine Brust. Die Tränen traten in seine Augen und er wollte die Hand mit seinem ausgefallenen Haar an sein Herz halten. Doch was war das? Das gesamte Haar war an einer Art Mütze befestigt. Er konnte nicht verstehen, was mit seinem ausgefallenen Haar geschehen war. Als er aber mehr und mehr begriff, dass er eine Perücke mit wunderschönem langem grauem seidigem Haar in den Händen hielt, konnte er sein Glück nicht fassen. Zum ersten Mal nach langer langer Zeit konnte er wieder in sein Spiegelbild schauen und sah wieder wie ein richtiger König aus. Langes seidiges graues Haar legte sich um seine Schultern. Laut rief er seine Minister und Bediensteten und veranstaltete an diesem Abend ein großes Fest. Er sandte sein Gefolge aus und alle Leute aus dem Volk einzuladen, die einen spärlichen Haarwuchs besaßen und verteilte Perücken in den schönsten Haarfarben und den modischsten Frisuren. Des Königs Übellaunigkeit war verschwunden und er wurde wieder ein beliebter König im ganzen Land, mit großem Besitz und vielen Reichtümern, der sich besonders um die Leute mit spärlichem Kopfbewuchs kümmerte.

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.

Ein haariges Lesevergnügen


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Hrsg. Ronald Henss
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