Unser Buchtipp
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Des Pudels Fell© Erika HemmersbachZitternd blieb ein Streifen Sonne über meinen Augenlidern stehen. Gähnend öffnete ich die Augen, um sie gleich darauf wieder geblendet zu schließen. Ärgerlich drehte ich mich in meinem hübschen Körbchen einmal um mich selbst herum und legte dann seufzend meinen Kopf auf die Pfoten. Mein Körbchen hatte ich vor einigen Tagen zu meinem ersten Geburtstag geschenkt bekommen. Es war ein Traum aus rosa und weißen Spitzen, Volants und weichen Kissen. Rosa war die Lieblingsfarbe meines entzückenden Frauchens Julia. Sie hatte mir ein Kinderzimmer eingerichtet mit rosafarbenen Gardinen, die gesäumt waren von weißen Volants, in die kleine Herzchen eingestreut waren. An den, natürlich zartrosa gestrichenen Zimmerwänden standen ein weißer Kleiderschrank, ein Regal und eine weiße Kommode. Ordentlich zusammengefaltet warteten dort meine Kleidchen, Mäntelchen und Schühchen auf mich. Auch meine Leine war natürlich rosa und mit glitzernden Steinen besetzt, Svarowskidiamanten, wie Julia stolz ihren Freundinnen sagte. Ich liebte meine Sachen sehr. Günther, Julias Lebensgefährte, besaß eine Reihe sehr exklusiver Boutiquen und Julia führte gerne auf Modenschauen seine Modelle vor. Dabei trippelte ich stets neben ihr über den Laufsteg und präsentierte die neuesten Modelle für die feine Hundedame. Ein exklusiver Pudel ist selbstverständlich in der Lage, die Modelle graziös vorzuführen Wenn Frauchens Freundinnen zu Besuch kamen, stießen sie entzückte Schreie aus, sobald sie in mein Reich geführt wurden. War einmal ein vierbeiniger Besuch dabei, der mir an Vornehmheit nahe kam, ließ ich ihn oder sie gnädig in meiner Spielzeugkiste kramen und erlaubte ihnen großzügig auch einmal auf einem Quietschtier herumzukauen. Natürlich saß ich dann mit gelangweilter Miene daneben und tat so, als ob mich dies alberne Getue nicht interessierte. In Wirklichkeit zitterte ich innerlich, dass der Besuch auch umsichtig und pfleglich mit meinen schönen Spielsachen umging. Ich passte sehr auf sie auf, damit kein Schrämmchen oder Loch mein Vergnügen minderte. An diesem schönen Morgen hatte ich jedoch keinen Gedanken an mein Spielzeug übrig. Als ich meinen Kopf auf die schneeweißen Pfoten legte, unten umspannte eine Krause aus Felllocken meine zierlichen Beine, fiel mein Blick auf meine sorgfältig manikürten Krallen. Voll Entsetzen stieß ich einen kleinen Quietscher aus. Der rosafarbene Nagellack war abgesplittert. So konnte ich doch heute Abend nicht mit Frauchen und Herrchen ins Restaurant gehen! Und morgen war eine große Modenschau angesagt! Da musste etwas geschehen. Eilends sprang ich aus dem Körbchen heraus und trippelte schnell ins Schlafzimmer. Der duftige Schleier des Himmelbettes bewegte sich leise im Wind. Das Fenster stand offen, die Vögel zwitscherten und das Bett war leer. Hatte ich so verschlafen? Dann hörte ich Frauchens Stimme. Aha, sie hielt mal wieder eines ihrer langweiligen stundenlangen Telefongespräche mit ihren Freundinnen Heute schien es etwas Besonderes zu sein. Sie jubelte und juchzte vor Begeisterung und ich hörte ihre "Ohs" und "Ahs" durchs Haus schallen. Ich sprang schnell die Treppe hinunter und versäumte dabei nicht, unten in der Halle einen langen Blick in den großen Wandspiegel zu werfen. Ich sah einen zierlichen schneeweißen kleinen Pudel mit einem Krönchen aus Haaren, Manschetten an den Beinen und einer Krause um den Körper. Grübelnd sah ich mein Spiegelbild an. Meine Frisur war etwas aus den Fugen geraten. Einzelne Locken kringelten sich vorwitzig aus dem gepflegten Fellrund heraus. Der letzte Besuch beim Friseur lag schon 8 Wochen zurück. Es war höchste Zeit für den nächsten Haarschnitt. Ich trippelte auf leisen Pfoten ins Wohnzimmer. Julia legte gerade den Telefonhörer in die Hände des großen Mickey Mouse Ständers. "Oh, Rosa, mein Liebling, da bist du ja.", hörte ich sie zu mir flöten, während ihre Hände "Guten Morgen" kraulten. Ich legte mich mit halbgeschlossenen Augen und einen Schniefer auf den Rücken und bot ihr genussvoll meinen kleinen Bauch zum Krabbeln an. Natürlich konnte sie nicht widerstehen. "Rosa, heute haben wir etwas ganz Besonderes vor. Es ist Zeit für den Hundesalon. Günther wird Augen machen heute Abend," freute sie sich. Ich bellte zustimmend, sprang auf und ging in Richtung Küche, wobei ich nicht vergaß, mich kokett umzudrehen und ihr auffordernde Blicke zuzuwerfen. Mein Magen knurrte unfein und ich freute mich auf mein Frühstück. Julia leerte eines der Schälchen mit dem weißen Hundekopf in mein Porzellanschüsselchen und betrachtete mich nachdenklich, während sie noch eine Tasse Kaffee trank Um ihre zarte Figur zu behalten, frühstückte sie nie. "Das wird gigantisch. Alle meine Freundinnen werden mich beneiden", meinte sie schließlich.
Nachdem Julia noch eine weitere Stunde telefoniert hatte, war es schließlich soweit. Julia holte mir mein Morgen-Ausgeh-Mäntelchen, rosa mit weißem Pelzbesatz übrigens, und wir gingen schnell noch eine Runde durch den Garten bevor wir dann den Wagen aus der Garage holten.. Auch eine elegante kleine Pudeldame hat ab und zu ein Bedürfnis, das sie unter einem Rosenbusch lassen möchte. Das Wetter war schön. Julia klappte das Dach ihres Cabriolets herunter, ich sprang auf den Beifahrersitz und los ging es. Ich liebte die Autofahrten mit Julia, wenn mir der Wind um meine kleine schwarze Nasenspitze wehte. Viele Gerüche strömten auf mich ein und ich träumte von Abenteuern, gepflegten, natürlich. Nach einer stockenden Fahrt durch den morgendlichen Berufsverkehr erreichten wir endlich den Hundesalon. Die Besitzerin begrüßte uns sehr freundlich und sah prüfend auf meine nachgewachsene Mähne. Julia flüsterte ihr etwas ins Ohr, sie schaute verblüfft, lachte dann und sagte: "Von mir aus, das ist kein Problem." Während ich darüber nachgrübelte, was sie meinten, setzte ich mich auf ein Wartekissen und ließ meine Augen gelangweilt über die wartenden Hunde schweifen. Und da sah ich ihn! Er, von dem ich schon immer geträumt hatte! Mit aufgeregtem Fiepen setzte ich mich in Pose. Er musste mich doch bemerken. Mein Traummann war ein wunderschöner schwarzer Pudel mit seidig glänzenden Locken. Lässig lag er auf dem Kissen, hielt die Augen halbgeschlossen und sah sehr gelangweilt aus. Sein Frauchen begrüßte Julia freudig -warum kannte ich ihn dann noch nicht- und beide Frauen begannen ein lebhaftes Gespräch, während ihre Augen immer wieder auf mir ruhten. Wir mussten eine Weile warten. Andere Hunde wurden gebadet, frisiert gefönt, gestylt und ließen sich die Krallen verschönern. Ich gab mir reichlich Mühe, den Blick des schönen Jungen auf mich zu lenken, wechselte öfters meine Position, bellte einmal kurz verschreckt auf, als ein großer Hund an mir vorbeiging und hatte es schließlich geschafft. Er sah mich an! Vor Freude wurde mir ganz heiß, aber jetzt tat ich uninteressiert. Sein Blick ließ mich nicht mehr los, wie ich natürlich voller Aufregung bemerkte. "Julia, du kannst gerne vor mir dran", hörte ich die Freundin sagen. "den Spaß will ich mir nicht entgehen lassen" Du schaffst eine neue Mode, meine Liebe. Alle werden dich um deine Rosa beneiden" Ich durfte also vor ihm in die Badewanne steigen. Ich liebte es, wenn die Hände der Pflegerin meine Haut mit warmem duftendem Seifenschaum massierten und ich danach mit warmem Wasser abgespült wurde. Ich genoss das Fönen und das Haareschneiden hinterher. Dann war ich der wichtigste und schönste Hund der Welt. Der Blick von Julias Augen sagte es mir immer. Aber heute sollte es anders kommen. Die Friseuse wickelte eine dünne Folie um meinen Körper und ließ nur meine Fellkrause frei. Anstelle des duftenden Seifenschaums wurde mir ein stinkendes Zeug ins Fell geschmiert und man setzte mich auf einen Tisch. Hier musste ich eine Weile, eine Ewigkeit, wie mir schien, still und geduldig sitzen bleiben, während Julia schon wieder Kaffee trank und mit ihrer Freundin schnatterte. Der schöne Pudel hatte seinen Kopf wieder auf die Pfoten gelegt und schlief. Ich konnte es ihm nicht übel nehmen. Eingewickelt in eine Plastikfolie sah ich nun wahrhaftig nicht mehr attraktiv aus. Endlich schrillte ein Wecker und das stinkende Zeug wurde unter Julias und der übrigen Damen Begeisterungsgeschrei abgewaschen. Dann ging es ans Fönen und Frisieren. Inzwischen umstanden alle den Frisiertisch und bewunderten mich mit vielen "Oh wie süß! Nein, wie niedlich! Ein neuer Trend! Das will ich auch haben!" Julia stand mit leuchtenden Augen neben mir und strahlte von Kopf bis Fuß Besitzerstolz aus. Mein schöner schwarz gelockter Junge hatte sich aufgesetzt und starrte mich aus ungläubig geweiteten Augen an. Jetzt schien ich endlich einen großen Eindruck auf ihn zu machen. Noch ein wenig dunkelrosa Nagellack auf meine Krallen und ich war fertig gestylt. Julia hob mich vom Tisch und ich stolzierte an dem Schönen vorbei. "Hallo, meine Kleine, was haben sie aus dir gemacht?" bellte er fragend. Ich fiepte schnell kokett zurück "Siehst du doch" und bekam heiße Backen vor Aufregung. Er hatte mit mir gesprochen! Die beiden Frauen umarmten sich und verabredeten ein Treffen gleich am nächsten Tag zur Modenschau. Ich würde ihn bald wieder sehen! Beschwingt trippelte ich neben Julia aus dem Salon und sprang elegant in das Auto. Leute blieben stehen, als sie mich sahen, schüttelten die Köpfe oder lachten laut los. Julia kniff die Lippen zusammen. Das machte sie immer, wenn sie ärgerlich war, startete den Wagen und fuhr los. Überall blieben die Leute stehen und sahen uns hinterher. Aus anderen Autos wurde mit den Fingern auf mich gezeigt und gelacht. Ich verstand die Welt nicht mehr. Noch nie hatte mein Friseurbesuch so einen großen Aufruhr verursacht. Zu Hause stakste Julia noch immer wütend aus dem Auto. In der Eingangshalle lief ich gleich aufgeregt zu dem großen Wandspiegel und sah … einen kleinen Pudel mit rosa gefärbtem Fellkrönchen und rosa Manschetten um die weißen Beine und den weißen Bauch ... Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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