Unser Buchtipp
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Ein haarsträubender Spaß© Doris ThomasHaben Sie Kinder? Wenn nicht, lesen Sie, was Sie verpasst haben. Falls sie doch Kinder haben, amüsieren Sie Sich mit meiner Geschichte, weil Sie die Situation entweder nachvollziehen können, sie Ihnen eventuell noch bevorstehen könnte oder weil dieser Kelch an Ihnen vorüber gegangen ist. Meine Tochter war süße drei Jahre alt und mein schlitzohriger Sohn gute fünf, als wir unseren "haarsträubender Spaß" hatten. Wer mit Kindern Erfahrung hat, weiß Folgendes: laute Kinder können einem ganz schön auf den Geist gehen. Doch genau dann, wenn die lieben Kleinen ganz leise sind, ist erhöhte Wachsamkeit geboten und meist ein sofortiges Einschreiten erforderlich. So auch an diesem Tag. Damals hatte meine Tochter wunderbare hellblonde Haare, die ihr, fast einer Fee gleichend, schimmernd über die Schulter fielen. In diesem Alter haben Kinder im Allgemeinen noch meist zauberhafte Gesichter mit relativ wenig prägnanten Gesichtszügen. Sie strahlen so ein "hab mich doch lieb" aus. Zumindest wirkt das so auf all diejenigen Erwachsenen, die in unserer teils verkorksten Gesellschaft noch normal ticken. Genau die ausgeprägten Merkmale fehlen noch in den knuddeligen niedlichen Kindergesichtern, die uns dann später im Optimalfall schön, oder leider auch manchmal weniger vorteilhaft aussehen lassen. Meine Tochter war ein total hübsches kleines Mädchen mit wunderschönen blauen Augen. (Jetzt ist sie immer noch hübsch, aber längst nicht mehr so niedlich. Aber das sagt wahrscheinlich jede Mama.) Ich war mit irgendeiner Hausarbeit beschäftigt und packte nebenbei unsere Sportsachen für das Kinderturnen. Meine zwei waren ruhig, sehr ruhig, viel zu ruhig! Aber das war mir in diesem Moment nicht bewusst, weil ich mich zu sehr auf meine Arbeiten konzentrierte. Ich weiß noch, wie ich im Wohnzimmer stand und in den Flur hinausblickte. Dort standen meine zwei Spezialisten und strahlten mich an. Das heißt, meine Tochter strahlte, denn mein Sohn hatte bereits eine leise Vorahnung, dass ich wohl nun nicht in Begeisterungsstürme ausbrechen würde. Trotzdem präsentierte er seine kleine Schwester: "Mama, schau mal!" Meine Tochter strahlte immer noch. Dieses süße kleine Mädchen. Völlig ahnungslos stand sie da und hatte diesen ganz besonderen, unschuldigen Blick. Ihre Augen leuchteten, als sie mir die lange Haarsträhne in der einen und die Bastelschere in der anderen Hand entgegenhielt. Zuerst starrte ich auf ihre Hände, dann wanderte mein Blick auf ihre Haare. Vorne am Haaransatz war gähnende Leere. Ein gut zwei Zentimeter breiter Streifen bestand nur noch aus wenigen Millimeter langen Stoppeln. Auch der Rest der Frisur sah irritierend zerrupft aus. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass sie sich überall auf dem Kopf die Haare geschnitten hatte. Am Hinterkopf fand ich gar eine Stelle, bei der man beinahe die Kopfhaut sehen konnte. "Das hab ich gemacht", verkündete mein Sohn stolz. An meiner Tochter hingen einige circa 25 Zentimeter lange blonde Strähnen. Die restlichen würde ich später auf dem Fußboden in ihrem Zimmer finden. Bei diesem Anblick kamen mir die Tränen. Meine hübsche Tochter sah eher einem gerupften Huhn ähnlich, einer Ratte beim Fellwechsel, einem streunendem Straßenköter, einer Katze nach einem Waschmaschinengang. Weinend sammelte ich die Strähnen ein. Ich konnte es nicht fassen, was die zwei getan hatten. Allmählich begriff auch meine Tochter, dass ich ihre Aktion nicht lustig fand. Doch für Reue war es zu spät. Aus lauter Verzweiflung rief ich meine beste Freundin an und schüttete ihr unter Schluchzen mein Herz aus. Sie tröstete mich und konnte mich überreden, trotz allem zum Kinderturnen zu fahren. Also zog ich die Kinder dick an, setzte ihnen die Mützen auf und wir machten uns auf den Weg. Als wir im Umkleideraum ankamen, begrüßte mich meine Freundin mitfühlend. Ich hatte immer noch rote Augen und schämte mich, meiner Tochter die Mütze vom Kopf zu nehmen. Nicht dass Sie nun denken, ich sei so eine Mutter, die ihre Kinder stylt und mit ihnen angeben will. Wirklich nicht. Aber unter dieser Mütze verbarg sich, ohne zu übertreiben, eine Katastrophe. Als ich meiner Tochter nun schließlich doch die Mütze vom Kopf zog, beobachtete ich dabei gespannt die Reaktion im Gesicht meiner Freundin. Sie biss die Zähne zusammen und es war unübersehbar, dass sie vor Lachen fast zersprungen wäre. Aber sie kämpfte tapfer dagegen an, nur um meiner Tochter möglichst ernst zu sagen, dass sie das aber nicht hätte tun sollen. Ihr Ringen um Beherrschung war so witzig, dass ich grinsen musste. So lange wie möglich hielt sich meine Freundin zurück, bis sie dann endlich losprustete. Da musste auch ich lachen und sah das erste Mal diese "Verstümmelung" nicht mehr als so dramatisch an. Mein Kind war nicht verletzt, hatte keine Schmerzen und die Haare würden wieder nachwachsen. Sie sah allerdings so was von fruchtbar aus! Am nächsten Tag rief ich meine Friseurin an. Ich schilderte die Situation und durfte sofort mit meiner Tochter vorbeikommen. "Oh!", war der erste Kommentar, "die hat aber keine halben Sachen gemacht" Nein, hatte sie nicht. Das konnte man wirklich mit Fug und Recht behaupten. Ratlos ging die Friseurin um meine Tochter herum. Soviel retten wie möglich, war die Devise. Vorsichtig begann sie zu scheiden. Eine Runde … eine nächste Runde … Ratlosigkeit machte sich breit. Nichts funktionierte, was auch noch einigermaßen gut ausgesehen hätte. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als meiner Tochter eine radikale Kurzhaarfrisur zu verpassen. So fiel der Pony, der ja nur noch aus Stoppeln bestand, am wenigsten auf. Und auch die kahle Stelle am Hinterkopf stach einem nicht mehr so ins Auge. Als die Frisur fertig war, war ich am Boden zerstört. Die Friseurin und ich blickten uns an: Schulterzucken. Es war schlicht nichts mehr von den wunderbaren Haaren meiner Tochter zu retten gewesen. Nachdem ich die zusammengefegte Haarpracht als Erinnerung aufgesammelt hatte, zogen wir ziemlich frustriert wieder nach Hause. Selbst meine Tochter schien nun ihre Haare zu vermissen. Immer wieder griff sie sich in den Nacken, aber da war nichts mehr. Nach kurzer Zeit fand im Kindergarten eine Feier statt, bei der ich im Auftrag der Leiterin die Kinder und Gäste fotografierte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Haare meiner Tochter immer noch superkurz. Bei den Aufnahmen ist mir ein schönes Foto gelungen, bei dem sie interessiert eine Vorführung beobachtet. Es hängt noch heute in unserer Bildergalerie und ich betrachte es sehr häufig. Durch die kurzen Haare ist ihr Gesicht unglaublich ausdrucksstark und was soll ich sagen: ein Engel könnte nicht schöner sein! Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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