Unser Buchtipp
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bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.
Gewiehert wie ein Pferd© Fred HaefnerMir gegenüber in der Bahn sitzt ein älterer Herr, seine Hand umschlingt eine Zeitung. Er schläft fest. Bis Hamburg bleibt genügend Zeit, um noch einige Seiten im Taschenbuch zu lesen. Schnell versetzen mich Hans Falladas Erinnerungen in "Damals bei uns daheim" an die Schwelle zum zwanzigsten Jahrhundert, wo er in einem Berliner Frisörladen als junger Mann übertölpelt wird: Locke für Locke seines Haares fallen zu Boden und hinterlassen eine breite, kahle Schneise auf seinem Kopf. Oh Mann, wenn mir das passiert wäre! Bei dieser Vorstellung beginne ich jäh ungehemmt zu lachen, wofür mich einige Fahrgäste mit verächtlichen Blicken bestrafen. Des unbeherrschten Gefühlsausbruches wegen halten sie mich für überdreht oder sogar für einen flüchtigen Patienten aus einer Nervenheilanstalt? Verzweifelt bemühe ich mich um einen ernsten Gesichtsausdruck. Ohne Erfolg! Das Bild vom Kahlschlag auf dem Kopf des jungen Fallada lässt sich nicht aus meinem Schädel verdrängen. Immer wieder schütteln mich schrille Lachkrämpfe, die mein Gesicht wie eine tausend Watt-Glühlampe leuchten lassen. Den erlösenden Einfall, auf die Toilette zu flüchten, verwerfe ich schnell wieder. Bei auch nur der kleinsten Bewegung würde ich mir in die Hosen pinkeln. Zum Glück erreicht in diesem Moment der ICE Hamburg und die Fahrgäste verlassen das Zugabteil. Auch der ältere Herr von gegenüber ist aufgewacht. Verschlafen blinzelt er zu mir. Als er das Taschenbuch in meiner Hand bemerkt, sagt er vergnügt zu mir: "Das kenne ich, das ist gut! Über die Stelle beim Frisör im Buch habe ich gewiehert wie ein Pferd." Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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