Unser Buchtipp
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Haarakiri© MBHatte ich diesem Wetteinsatz wirklich zugestimmt? War ich wirklich so verrückt gewesen? So viel hatte ich an jenem Abend doch eigentlich gar nicht getrunken. Unser berühmter Damenkegelklub "Keine Neune" war zwar gegen Ende der zwei Stunden doch immer ganz gut angetrunken, aber dass ich mich auf so etwas einließ. OK, Maria war seit Wochen ganz heiß auf die WM, schließlich schwärmte sie auch für den einen oder anderen ihrer Landsleute. Und ich, heimlich träumte ich von einer Nacht mit Michael Ballack. Irgendwie lag das alles ja auch schon ein vier Wochen zurück, aber jetzt drohte die Einlösung dieser verflixten Wette. Und morgen war wieder Kegeln angesagt. Das würde ein schönes Gelächter werden. Während ich mir den besagten Abend in Gedanken nochmals durch den Kopf gehen ließ, klingelte auch schon das Telefon. "Ciao, hier ist Maria", meldete sie sich. "Ich bin sicher du weißt, warum ich anrufe. Sicher hast du das Spiel auch gerade im Fernsehen verfolgt und weißt somit, dass nicht etwa ihr Deutschen, sondern wir Italiener gewonnen haben. Damit ist jetzt klar, dass wir die Besseren sind, denn wir stehen im Finale und Ihr spielt nur um Platz drei. Bist du einverstanden, wenn wir uns heute noch treffen, um die Sache zu erledigen, ich freue mich schon sehr." - "Ja, ja", höre ich mich mit einem dicken Kloß im Hals murmeln, "komm doch einfach vorbei, ich hab heute eh nichts mehr vor." Ein kurzes "bis gleich" und schon hat sie aufgelegt. Zum vermutlich letzten Mal betrachte ich im Spiegel meine leuchtend rote Mähne. Erst vor vier Wochen habe ich dem Drängen von Jochen, meinem Frisör nachgegeben und mich zu Rot überreden lassen und jetzt das. Jetzt brauche ich erst mal einen Schnaps. Was werden meine Kolleginnen wohl sagen und sonstige Bekannte, die nichts von dieser verfluchten Wette wissen, na es nützt nichts, da muss ich jetzt durch. Keine zehn Minuten später klingelt es auch schon an der Tür. Maria steht dort und sie hat auch noch ihre jüngere Schwester Theresa mitgebracht. Stolz schwenkt diese ihre Videokamera. Maria ist gut vorbereitet, wahrscheinlich hat sie seit Wochen an nichts anderes mehr gedacht. Sie hat sogar einen neuen Frisierumhang mit aufgemalter italienischer Flagge mitgebracht. "Am besten gehen wir irgendwo hin, wo es schön hell ist, damit der Film auch gut wird", sagt sie und geht an mir vorbei in die Küche. Dort stellt sie einen der Stühle in die Mitte des Raumes, deutet mir an, mich zu setzen und schon habe ich den Umhang um. Ihre Schwester murmelt, dass es ruhig losgehen könne, die Kamera läuft. Schon drückt Maria meinen Kopf etwas nach vorne und ich höre das Surren der Haarschneidemaschine. Sie setzt direkt am Wirbel an, greift mit der anderen Hand in meine Locken und ich spüre wie sich die Maschine langsam einen Weg nach vorne bahnt. Jetzt sehe ich die ersten Haare auf meinen Schoß fallen. Ihre Schwester ruft noch "Bravo, das wird ein toller Film." Schon fallen weitere Haare zu Boden und auf dem Umhang. Irgendwie hatte ich es mir dennoch schlimmer vorgestellt. Im Gegenteil, das Gefühl ist irgendwie eher aufregend. Mangels Spiegel kann ich nur erahnen, was da oben auf meinem Kopf vor sich geht. Jetzt spüre ich, wie Maria mein Ohr herunterklappt und dann direkt darüber eine weitere Bahn zieht. Der Blick ihrer Schwester, der ich jetzt direkt in die Augen schauen kann, zeigt mir absolute Begeisterung. "So die vordere Seite hätten wir", sagt Maria "am besten drehst du dich jetzt um, damit auch der Schnitt des Nackens auf dem Film zu sehen ist". Ich stehe kurz auf und drehe den Stuhl um 180 Grad und schon setze ich mich wieder und Theresa macht sich an meinem Hinterkopf zu schaffen. Triumphierend hält sie mir einen kleinen dünnen Zopf vor die Nase. Dann ist es wohl vollbracht, denke ich, aber schon höre ich Wasser laufen und dann seift Maria mir den Kopf ein. "Du bist noch nicht fertig, ich sehe da noch winzige Haare, die müssen alle weg" sagt sie und deutet mir an schön ruhig sitzen zu bleiben. Schon spüre ich das Metall, des Rasiermessers auf meinem Schädel. Langsam schabt sie die vermutlich letzten Reste meiner Haare ab, bis sie irgendwann mit ihrem Werk zufrieden ist. Nun wischt sie die restlichen Seifenreste mit einem Handtuch trocken und trägt eine Creme auf. Dann wird mein Umhang gelöst. Alle Haare werden zusammengekehrt und ich kann mich endlich im Spiegel betrachten. Völlig fremd komme ich mir vor, aber so schlimm wie ich es mir vorgestellt hatte, sieht es gar nicht aus. Auch Maria meint, dass mir die Glatze echt gut stehe und bietet mir bereitwillig ihre Dienste für die Zukunft an. Sie teilt mir noch mit, dass es den Film morgen bei unserem nächsten Kegelabend zu sehen gibt. Zum Schluss leeren wir noch eine Flasche Sekt "auf Italien und auf mein neues Outfit". Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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