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Gilda mit den Rattenschwänzchen© Sabine LudwigsZuerst schaffe ich es nicht, zu Gilda hinzusehen. Ich stehe da, mit hängenden Schultern und will einfach nur weinen. Mein Herz liegt schwer in dem zu engen Brustkorb - und doch weiß ich, dass ich es tun muss. Davor habe ich Angst. Nach Minuten, die sich endlos dehnen, wende ich langsam den Kopf, hebe die Lider und schaue in den hellen Sarg. Gilda trägt die Sachen, die ich Frau Wehner vom Beerdigungsinstitut gegeben habe: ihre Lieblingsjeans, das rosa Millefleurs-Shirt, dazu die Riemchensandalen, und doch sieht sie ganz anders aus. Irgendwie fremd. Schuld daran ist diese Frisur. Gildas flusiges, honigfarbenes Haar legt sich jetzt in sanften Wellen um ihr rundes Gesicht, als wäre sie ein Kinderengel aus der Renaissance. Es schimmert unnatürlich, beinahe wie poliertes Kupfer. Unwillkürlich strecke ich die Hand aus und streichele darüber. Es fühlt sich eigenartig hart an, nicht flaumig wie ich es kenne. "Was haben Sie mit ihrem Haar gemacht?", frage ich Frau Wehner. "Wo sind ihre Spangen?" Sie tritt neben mich. "Sie mögen es nicht?" "Nein." Ich schüttele den Kopf und plötzlich bin ich aufgebracht. "Nein! Das ist nicht Gilda. Sie trug ihr Haar geflochten ... wie auf dem Foto." Ich zeige auf das Bild in dem hohen, gusseisernen Ständer, der morgen für den Trauergottesdienst in der Kirche aufgestellt wird. Darauf trägt Gilda dieselben Jeans und das Shirt wie im Sarg. Mit großen grünen Augen schaut sie lachend in die Welt und ihre im Sonnenlicht glänzenden Haarsträhnen sind zu kinnlangen, dünnen Zöpfen gebunden, die ein bisschen vom Kopf abstehen. "Rattenschwänzchen", sage ich und breche ich in Tränen aus. "Rattenschwänzchen! Verstehen Sie?" Frau Wehner nickt. Sie verlässt den Raum und kommt kurz darauf mit einer kleinen Kiste zurück. Darin sind Sprühflasche, Bürsten, Kämme und Gildas knallrote Schleifenspangen. Frau Wehner stellt alles auf ein Tischen in der Nähe, danach geht sie zu Gilda. Sie redet leise mit ihr. Von da, wo ich stehe, kann ich nicht verstehen, was sie sagt, aber ich höre das warme, beruhigende Murmeln ihrer Stimme und tue nichts, als sie mein Kind behutsam aufsetzt, einen Arm darum legt, mich dann ansieht und wartet, dass ich es tue. Also nehme ich eine Bürste mit ganz weichen Borsten, einen Kamm, die Spangen und kämme das Haar meiner Tochter. Ich tue es wie immer. Mit langsamen, behutsamen Bewegungen, damit es auf der Kopfhaut nicht wehtut. Einige Härchen laden sich statisch auf. Es knistert schwach und sie stehen wie ein feines Gespinst aufrecht. Ich bürste und bürste, bis das Haar sich wieder geschmeidig anfühlt. Mit dem Kamm ziehe ich schließlich einen Scheitel am Hinterkopf, teile Haarsträhnen ab, flechte die Zöpfe. Das Haar ist so fein, dass es mir manchmal durch die Finger rutscht, und ich brauche viel Geschick, bis die Rattenschwänzchen fertig sind. Sie stehen ein bisschen ab, wirken kess, wissbegierig, mutig und zugleich ein wenig verletzlich. Fröhlich und vorwitzig, kindlich, zärtlich, lustig und laut. Ich lächele. Ja. Das ist sie! Gilda mit den Rattenschwänzchen. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors.
Eingereicht am Ein haariges Lesevergnügen
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