Unser Buchtipp
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Pediculus humanus© Ulrike Maier-PölzlPediculus humanus, das klingt wie ein Harry-Potter-Zauberspruch für die Vernichtung irgendwelcher Fabelwesen, aber diese zwei Worte trieben mich im letzten Jahr zur Verzweiflung! Als der Warnanruf einer befreundeten Mutter kam, war es längst zu spät. Pediculus humanus hatte die Haare meiner Tochter längst erobert! In einem Haushalt mit Hund und Katze erlebten wir schon Flöhe und Würmer. Aber diese Plage, die sich sofort auch auf meinem Schopf breit machte, war die Hölle! Nach dem erwähnten Anruf eilte ich in das Zimmer meiner zehnjährigen Tochter. Sie lag auf dem Boden und las ein Buch, sich versonnen am Kopf kratzend. Keine Sekunde dauerte es und ich entlarvte, hysterisch keuchend, die erste lebende Laus! Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir trotz zweier Kinder und jährlichem Läusebefall in Kindergärten und Schulen, verschont geblieben. Aber nun war es soweit! Pediculus humanus! Alarmstufe Rot! Ich packte meine Tochter, verfrachtete sie ins Badezimmer, verbot ihr jeglichen Umgang mit dem Bruder, der rasch als nicht infiziert erklärt wurde. Dann warf ich die Läuse-Vernichtungsmaschinerie an! Haare waschen, biologisches Läuse-Shampoo auftragen! Ich gebe zu, ich hatte das Insektizid schon im Arzneimittelschrank stehen, da ich früher schon argwöhnte, Nissen im Haar meines Sohnes entdeckt zu haben, die sich aber als Blütenpollen herausstellten. Kurzerhand rasierte ich ihm damals die Haare sehr kurz ab, das war übrigens im Frühling und die Frisur war also ganz passend, sonnentauglich quasi, wenn es auch ein klitzekleines Trauma bei meinem Sohn auslöste. Aber Haare wachsen ja bekanntlich nach! Hektisch las ich nun die Gebrauchsanweisung mehrmals. Also Haare auswaschen, erneut Shampoo, dann eine Stunde einwirken lassen, wieder mit Wasser entfernen. Behandlung in einer Woche wiederholen und täglich mit dem Nissenkamm Strähne für Strähne nach den Plagegeistern absuchen! Na, Prost Mahlzeit! Ich entließ die Tochter aus dem Bad, machte bei mir dieselbe Prozedur und am Schluss knöpfte ich mir den Achtjährigen vor, dessen Haare wahrhaftig wieder gewachsen waren. Die Ansteckungsgefahr war immens, und wenn es auch dementiert wurde; die Läuse konnten springen! Binnen kürzester Zeit sahen wir uns erschöpft an, Schaum in den Haaren, Plastiktüten um das Kampfgebiet gewickelt, damit auch nicht eine Laus dem tödlichen Shampoo entkam! Alle drei waren wir in Bademäntel gehüllt, denn bekanntlich krabbelten die Viecher auch über die Kleidung zum Nächsten. Kuscheln und Köpfe zusammenstecken wurde ab jetzt untersagt! Aber nicht lange hielt es mich auf meinem Sitz. Ich packte Haarbürsten, Haargummis und Kämme in die Gefriertruhe, ließ nebenbei den Computer hochfahren. Konkrete Informationen über den Feind waren jetzt lebensnotwendig! Die Waschmaschine und der Trockner liefen rund um die Uhr, Betten wurden abgezogen, ich wusch, saugte und putzte. Jacken riss ich von den Haken und Plüschtiere wurden gnadenlos eingesammelt und ebenfalls eingefroren. Alles was nicht niet- und nagelfest war, wurde entweder gewaschen oder Schock gefrostet. Hackfleisch, Rhabarber und anderes Tiefkühlzeug musste weichen. Inzwischen war mein Gatte angekommen und hatte, telefonisch instruiert, noch mehr biologische Waffen im Kampf gegen Pediculus humanus mitgebracht. Sprühzeug für Möbel und Gegenstände, wie die Radhelme und Autositze der Kinder. Als es ihn auch auf dem Kopf juckte, gestattete ich mir nur einen matten Seufzer. Er hatte doch so kurze Haare, ultrakurz, und an diesen Stoppeln konnte sich keine Laus festhalten, nicht einmal mit Pickel und Seil. Zudem war eine gewisse Stelle schon sehr kahl und ich vermutete, nur die fiktive rotwangige Wüstenlaus, Pediculus gobinus rubus, hätte an seiner Halbglatze ihre Freude. Ich mahnte mich gegen Mitternacht zu Gelassenheit. Gut, ich hatte alles getan, was ich im Internet und auf den Beipackzetteln las und was mir mein Verstand bei solch einem Desaster riet. Aber der Ekel, der ließ sich nicht wegwaschen und fortsprühen! Da nützte mir auch der Kommentar meiner Mutter nichts, der da lautete, ach, damals nach dem Krieg, da hatten alle Läuse. Bei den Mädchen sah man sie über die Zöpfe laufen. Pfui Teufel! Dabei suchte ich mütterlichen Trost und Unterstützung. Andere, die ich ebenfalls um moralischen Beistand ersuchte, sprachen von kleinen Tierchen, als ob ich niedliche Eisbärenbabys im Haar beherbergte! Wir also, die betroffenen unfreiwilligen neuen Tierbesitzer, kämmten die Haare und suchten stundenlang nach Läuseleichen und Nissen. Tagelang! Die Nissen! Das sind die Chitin umhüllten Eier der Läuse. Also abgesehen von den flügellosen Insekten, die im Haar herumspazierten und alle drei Stunden Blut saugten, Juckreiz, und bei mir beinahe Brechreiz verursachten, klebten einem auch noch ihre Eier ins Haar. Vier bis zehn pro Tag werden pro Läusefrau gelegt und in ihrem ganzen Leben kann die Ektoparasitin 270 Nachkommen aus dem Hinterleib quetschen. Ich stellte mir vor, wie die Eierschale aufbrach und hungrige, winzige Sechsfüßler herauskrabbelten. Das tun sie aber nicht, denn nach acht Tagen hat man erst die Larven auf dem Kopf. Nichtsdestotrotz werden aus Larven junge, geschlechtsreife Läuseteenager, die sich auf meinem Kopf paarten! Ohne Kondom offensichtlich! Wer isst, bzw. Blut trinkt, muss auch mal und ich sah kleine Kothäufchen in meinem Haar, noch dampfend und warm! Du liebe Güte! Erwähnte ich schon, dass die Läuse das biologische Mittel ganz gut vertrugen? Ich musste also zu härteren Maßnahmen greifen und ließ mich in der Apotheke beraten. "Ja", meinte die adrette Verkäuferin, "Sie sind nicht die Einzige." Na, das war ein Trost, als ich meinen Kindern das stinkende Insektizid auf den Kopf träufelte. Wir mussten das Fenster während der Prozedur öffnen, um nicht zu ersticken. Später übrigens, als wir den Läusebefall schon ein zweites Mal hinter uns hatten, erfuhr ich, dass eine Kinderärztin von diesem Mittel wegen enormer Giftigkeit abriet. Soweit zur Beratung in der Apotheke, in der man mir pro Flasche Läusevernichtungsmittel fünfundzwanzig Euro abknöpfte, ohne auf die Toxizität hinzuweisen! Das Schlimme an Läusen ist, dass man prophylaktisch nichts tun kann. Das Kind kann sich am nächsten Tag nach der Haarwaschbehandlung wieder anstecken und in mir regte sich langsam der Widerstand. Die Schule verteilte freundliche Schreiben: "Achtung! Läuse!", aber weigerte sich ernsthaft einzugreifen. Das Problem löste sich ja von selbst, wie man aus vergangenen Jahren wusste. Drei Mal, das will ich noch erwähnen, drei Mal steckten sich die Kinder insgesamt an und ich schwankte zwischen einer Kahlrasur bei allen Familienmitgliedern, Hysterie und Kampfgeist. Inzwischen hatte ich das dritte Mittel besorgt, das weniger giftig sein sollte und gegen das die Läuse noch keine Immunität entwickelten. Denn, das hatte ich auch gelernt, manche Produkte rangen den Pediculus humanus nur noch ein müdes Lächeln ab. Sie hielten den Atem an, schien mir, bis die Luft wieder rein war. Völlig entnervt flohen wir dann in die Herbstferien, läusefrei, da war ich mir sicher, dreihundert Kilometer von unserem Wohnort entfernt, und suchten Erholung bei Verwandten. Da kam meine Schwester auch zu Besuch, denn der Kindergarten ihres Sohnes hatte überraschend geschlossen. "Läuseferien", lachte sie, die bisher Verschonte. Ich dagegen, schielte entsetzt auf den dunklen Haarschopf meines fünfjährigen Neffen! Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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