Haarige Geschichten
Kurzgeschichte - Haar, Haare, Frisur, Friseur, Haarfarben, blond, Blondine, Rothaarige, Glatze, Haarausfall, Bart, Rasur, Zöpfe, Locken, Dauerwellen ...
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Marita Claudee wird schon mal kopflos, wenn es um Haare geht
oder Zufälle sind die heimlichen Botschaften der Engel

© Meike Blunk

Scheiße! Oberscheiße, verdammte. So ein Mist! Wie konnte mir denn das passieren? Wo ist mein Handy? Ah, hier!

Mama, ich bin's. Mir ist etwas ganz Dummes passiert. Mein Auto ist völlig kaputt. Ich bin auf einen LKW aufgefahren. Dem LKW ist aber überhaupt nichts anzusehen. Nein, Menschen wurden auch nicht verletzt. Ja, ich bin auch völlig ok. Ich bin nur noch so durcheinander, Mama. Jetzt bin ich in der Werkstatt. Das wird wahrscheinlich richtig teuer. Bei meinem Auto ist der ganze Kühler eingequetscht. Oh, das war alles so völlig doof: Ich war auf dem Weg nach Hause. Vor mir war so ein kleiner LKW. Und dann habe ich ganz kurz nicht mehr auf die Straße geguckt. Und plötzlich stand der LKW vor mir. Einfach so! So war dann der Abstand auf einmal so klein, da blieb mir gar nichts anderes übrig, als aufzufahren.

Was, warum ich nicht mehr auf die Straße geguckt habe? Also, das war so, da ging plötzlich ein ehemaliger Kunde von mir mit seinem Hund spazieren.

Das ist kein Grund, nicht mehr auf die Straße zu schauen? Mama, du weißt ja nicht, was das für ein Kunde von mir war! Als er damals, vor ca. zwei Jahren, zu mir kam, da sollte ich ihm die Haare hinten im Nacken und an den Seiten komplett wegrasieren. Oben auf dem Kopf blieb ein kleiner Kranz stehen. Er hatte damals gewettet, dass er sich das traut.

Ja und nun hatte er eine richtig dicke Matte und er hatte sie in mindestens fünf ganz unterschiedlichen Farben gefärbt: Von blau bis grün und gelb und rot. Mama, der könnte super aussehen, der Typ. Die Haare hingen aber einfach nur so in ihren unterschiedlichen Farben vom Kopf. Gegen die Farben habe ich überhaupt nichts! Nur der Schnitt, der gar keiner war, der passte überhaupt nicht zu seinen extravaganten Farben. Verstehst du, was ich meine, Mama. Du weißt doch, ich sehe über so manche Verirrung hinweg. So habe ich sozusagen vor meinem inneren Auge dem Typen die richtige Frisur verpasst. Mama, sorry, das verstehst du jetzt sicher nicht so ganz. Doch das kam bei mir irgendwie ganz automatisch.

Der hat nämlich super Haare. Und wahrscheinlich ist das auch ein mutiger und extrovertierter Typ. Der könnte, wenn ich ihm die Haare schneiden dürfte, sogar mit dieser platten Farbzusammenstellung super aussehen.

Obwohl ein bisschen beraten würde ich ihn schon in Bezug auf Farbgebung und vor allem in Bezug auf Farbharmonie.

Mama, nachdem ich im Kopf die perfekte Frisur für diesen Typen hatte, wollte ich mich gerade bemerkbar machen, durch Winken oder Hupen. Denn ich wollte ihn fragen, ob er nicht mal wieder eine richtig gute Friseurin bräuchte. Als ich dann nach vorne schaute, stand der LKW plötzlich direkt vor mir.

Das ist echt unfair. Ich weiß überhaupt nicht, wieso der da plötzlich stand.

Und dadurch hatte ich überhaupt keinen Platz mehr und auch keine Zeit mehr auszuweichen oder so.

Ich verstehe dich so schlecht! Du willst wissen, was die Reparatur nun kosten wird?

Halt dich fest, Mama: 3000,- €

Ich verstehe die Preise wirklich nicht mehr! So viel ist gar nicht kaputt. Die nehmen es echt von den Lebendigen. Das ist völlig überteuert! Unmöglich! Aber Mama, das muss ja jetzt gemacht werden.

Ich brauche ja das Auto. Nein, Mama, ich möchte nicht, dass ihr das alles bezahlt.

Ich werde mir etwas einfallen lassen. Ich meine, ich werde mir einfallen lassen, wie ich zu viel Geld kommen kann. Mama, mir ist wirklich gar nichts passiert. Beruhige dich und erzähle es Papa bitte ein wenig schonend. Mama, du kennst mich doch. Normalerweise fahre ich doch total sicher und gut. Das waren jetzt einfach diese Haare bzw. dessen unvorteilhafte Nichtfrisur, die mich abgelenkt bzw. inspiriert hat.

Mama, mein Akku ist gleich leer. Ich bekomme einen Leihwagen und dann fahr ich zu Betty.

Ich brauch jetzt ein bisschen seelischen Beistand. Es wird aber nicht so spät. Mach dir keine Sorgen.

Und grüß Papa von mir.


Tagebuch von Marita Claudee
09.12.06

Das ist so spannend, was seit gestern alles passiert ist. Wie schön, dass heute mein freier Tag ist, so komme ich dazu, ein bisschen Ordnung in diese ganze Geschichte zu bringen.

Gestern nach dem Unfall, war ich ja doch erst einmal ziemlich fertig mit mir und der Welt.

Wenn ich mir vorstelle, dass ich einen Unfall verursacht habe! Wie gut, dass niemand zu Schaden kam! Das wäre ja nicht auszudenken gewesen.

Ja, da hat Betty recht, da stand mir doch noch ein Schutzengel zur Seite.

Wie gut, dass ich gestern noch bei Betty war!

Denn ich alleine wäre doch nie auf die etwas gewagte Idee gekommen, bei dieser hellseherischen Agentur anzurufen. Nachdem ich Betty erzählt hatte, dass ich unbedingt, die blöden Kosten für die Reparatur selber bezahlen möchte, aber keinen Schimmer habe, wie ich das anstellen solle, da sagte sie doch ganz selbstverständlich zu mir, dass ich ja eine Hellseherin anrufen könne. Sie würde eine Telefon-Agentur kennen, die sehr seriös arbeitende Hellseher angestellt hätten.

Betty war der Meinung, dass eine Hellseherin mir sagen könnte, welche Möglichkeiten ich hätte bzw. welche Möglichkeiten ich ergreifen müsste, um an Geld zu kommen.

Ich glaube, daraufhin habe ich Betty erst einmal etwas blöde angeschaut.

Egal, liebes Tagebuch, ich erzähle nun dir, was ich bis jetzt noch keinem anderen Menschen erzählt habe: Ich glaube, dass es keine Zufälle gibt!

Wahrscheinlich musste ich erst den Unfall haben, um auf diese Spur gebracht zu werden.

Der Reihe nach bitte! Ich habe gestern mit der Hellseherin Magda gesprochen. Und diese sagte mir, dass ich mir überhaupt gar keine Gedanken machen bräuchte, ob ich so viel Geld zusammen bekommen würde, da für mich im neuen Jahr eine große berufliche Veränderung anstünde. Sie sagte, dass ich mir guten Gewissens erst einmal das Geld von meinen Eltern leihen müsste. Dass aber ab Ende Januar eine sich finanziell lohnende Veränderung kommen würde. Und mit dieser Veränderung würde auch der Erfolg kommen.

Zuerst konnte die Magda nicht genau erkennen, wodurch diese Veränderung ausgelöst werden würde. Doch als ich ihr erzählt hatte, wie der Unfall passiert ist, da sagte sie plötzlich: Ich sehe eine rothaarige Frau, die mit Masken arbeitet, zu dir kommen. Durch diese Frau bekommst du die Möglichkeit, im künstlerischen Bereich, so etwas wie der Staatsoper, in einer größeren Stadt, z.B. in München oder Hamburg für einen Zeitraum von einem dreiviertel Jahr oder so zu arbeiten. Und diese Arbeit würde sehr gut bezahlt werden. Sie fragte mich, ob ich eine solche Frau kennen würde.

Das ist der Hammer! Denn mir fiel sofort Frau Beradoni ein. Ich bin, wenn ich daran denke, noch völlig erschrocken, weil Frau Beradoni doch Maskenbildnerin bei der Staatsoper in Berlin ist.

Ich kriege jetzt, wo ich das aufschreibe, wieder die totale Gänsehaut.

Ferner sah die Magda, dass ich in Zukunft viel mit Kunst zu tun haben würde.

Wieder konnte sie nicht genau sagen, was es sein würde. Sie sah nur viele Farben und sie sah auch Stoffe.

Dann sagte sie noch ganz liebevoll zu mir, dass mir mein Engel etwas sagen wollte und dass ich nun durch diesen Anruf zu erkennen gegeben habe, dass ich die versteckte Botschaft unbewusst schon ernst genommen habe und nun auf dem richtigen Weg sei.

Ich solle vertrauen und mich mit Menschen umgeben, die mir gut tun würden. Siehst du, liebes Tagebuch, deshalb bin ich ja auch so gern mit Betty zusammen. Sie tut mir einfach gut. Ohne sie wäre ich ja auch nicht auf diese Idee mit der Hellseher-Agentur gekommen.

Die Hellseherin Magda sagte noch, dass ich mich manchmal ein wenig ernster nehmen müsste

Daraufhin hatte ich zu ihr gesagt, dass ich doch zufrieden mit mir und meinem Job und so sei.

Doch sie ist der Meinung, dass ich Fähigkeiten hätte, die in meinem Beruf nur teilweise ausgelebt werden könnten. Deshalb solle ich nun ab Januar der rothaarigen Frau vertrauen und ihr folgen, denn diese würde mich auf die richtige Spur bringen.

Tagebuch, du kannst dir vorstellen, dass ich nun ziemlich aufgeregt bin.

Ich und Staatsoper oder so etwas! Wie kommt die Magda da drauf? Werden die Maskenbildner und Haarstylisten denn da so gut bezahlt? Ich habe keine Ahnung. Ich merke nur, ich möchte daran glauben! Und ich möchte diese verdammten 3000 € auch selber aufbringen können. Ich möchte meinen Eltern doch nicht zur Last fallen. Und ich möchte auch, dass mein Auto wieder heil wird.

Ich spüre, ich bin echt gespannt, wie es weiter gehen wird. Ich bin bereit für so eine große Veränderung!

Aber ich frage mich noch etwas ganz anderes seit gestern: Wieso habe ich, nachdem ich bei dem LKW hinten drauf gefahren bin, meinen flippigen Haartypen nicht mehr gesehen. Wo war der plötzlich? Der muss doch gehört haben, dass es einen Unfall gegeben hat.

Ich hätte ihm so gern das Angebot gemacht, ihm die Haare schneiden zu können, damit er mal richtig gut aussieht. Aber dazu kommt es wohl nun nicht mehr.

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Ein haariges Lesevergnügen


Noch mehr haarige Geschichten finden Sie in dem Buch, das aus unserem Wettbewerb "Abenteuer im Frisiersalon" hervorgegangen ist.

Abenteuer im Frisiersalon Abenteuer im Frisiersalon
Hrsg. Ronald Henss
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