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Haarige Lieben und Leiden ...© Miriam AstrohEr öffnete die Tür seiner Wohnung und schaute mich unverständlich an. "Ja, bitte", räusperte er. Der Garderobenständer brach hinter ihm zusammen. Er kämpfte mit den vielen Jacken, die zu Boden fielen und richtete den Garderobenständer wieder auf. Eine labile Konstruktion, die den sich türmenden Jacken nicht standhalten konnte. Er schaute mich nochmals an. "Gabi", sein Blick verharrte, der Garderobenständer fiel hinter ihm zu Boden, "was hast Du denn gemacht? Mein Gott, wie siehst Du denn aus?" Ich spürte, wie der Kloß in meinem Halse langsam hinaufwanderte und sich langsam in Tränen aufzulösen begann. War ich wirklich so hässlich, wie ich glaubte mit diesen Haaren oder war das nur meine Einbildung? "Du hast mich noch nicht mal erkannt", stotterte ich und spürte nur wie meine Tränen, die die Schminke von meinem Gesicht hinunterspülten. Ich fühlte mich wie ein Pudel, mit meiner grau-braunen "Afro-Matte" auf dem Kopf. "Wie soll man Dich denn erkennen mit dieser Filzhaube", er zog mich ins Haus und war sichtlich erbost, "damit kann man ja den Küchenboden wischen." Mein Stolz war dahin. Männer sind immer so unsensibel und direkt. "Wer hat Dir das angetan?", er sah mir direkt in die Augen und wurde nervös. "Ich wollte nur große, schwingende Hollywoodwellen in den Längen", schluchzte ich, "Und sie haben mir kleine Ringellocken gemacht." Ich blickte zu Boden. Er packte mich, zerrte mich ins Bad und sagte: "Das kriegen wir schon hin, Schatz. Ich weiß, wie so etwas geht". Er zog den Duschvorhang auf, drehte den Wasserhahn auf und suchte verzweifelt in den Badezimmerschränken. "Hier", er gab in seine Hände eine tennisballgroße Dosis Haarshampoo. Er packte meinen Kopf und wühlte sich mit seinen shampoo-beschmierten Händen durch meinen Haarfilz. "Du musst die Haare erst nass machen", murmelte ich. "Ja, das weiß ich auch". Er nahm den Duschkopf und bekämpfte das, was ihm offensichtlich nicht gefiel. Danach nahm er wieder eine handgroße Dosis Shampoo und schäumte mein strubbeliges Lockengewirr zu einer weißen Schaumkugel. "Wir kriegen das schon hin, Schatz. Wirst sehen." Ich hatte nicht den Mut, das auszusprechen, was er nicht wusste. Ich hatte eine Dauerwelle. "Bist hinterher schöner als Du je warst. Ich krieg das schon hin. Dein Andy macht das schon." Er föhnte meine Haarpracht. Vergebens. Seine Lippen spitzten sich zu einem kleinem asymmetrischen Strich. Ich sah ihn verzweifelt an. "Wir probieren das einfach noch mal." Zweiter Waschgang. Dritter Waschgang und meine Lockenkrone wurde zu einem ermatteten graufarbenen Mopp. Ich schluchzte, nahm die lehre Flasche Shampoo und schleuderte sie vor Wut gegen die blau-weißen Badezimmerfliesen. "Ich wollte keine Dauerwelle. Ich hatte so wunderschöne Haare vorher---, so wunderschöne glatte Haare, lange Haare bis ... bis zu den Pogrübchen ..." "Zieh Dich an", befahl er und nahm seine Jacke vom Garderobenständer, "Wir gehen da jetzt hin und die Friseuse macht Dich wieder so schön wie Du warst". Er klang unglaubwürdig. Er wollte mir ja nur helfen. Seine Worte bohrten sich wie ein Pfeil in mein Herz.
30 Minuten vor Ladenschluss zog mich mein wütender Freund an der Hand mit aufgeblasenen Nüstern und hochrotem Kopf in den Friseursalon hinein ... "Wie kann ich Ihnen helfen", die Friseuse beäugte mich, "waren Sie nicht heute schon einmal hier?" "Ja, meine Freundin war heute schon einmal bei Ihnen Kundin. Und wir sind nicht zufrieden". Seine Stimme bebte. Er versuchte sie zu zügeln. "Oh, das tut mir leid. Ich kann Ihnen einen Termin anbieten und wir verbessern, das was Ihnen nicht gefällt. Ist Ihnen morgen früh recht?" "Hören Sie, ich habe den ganzen Nachmittag damit verbracht meiner Freundin die Haare zu waschen. Vergeblich … das Gewusel ist immer noch da."
"Ja, natürlich. Es ist ja auch eine Dauerwelle." "Ist mir völlig egal welche "Welle" das ist", er wurde kirschrot im Gesicht und presste meine Hand zusammen, dass ich vor Schmerz hätte aufjaulen können. Aber ich biss mir auf die Lippen. "Ich will, dass Sie die Haare meiner Freundin wieder so machen, wie sie waren. Eine Unverschämtheit ein Mädchen so zu entstellen!"
Die Friseuse trat zu mir. "Aber, was gefällt Dir denn an den Haaren nicht? Du siehst richtig niedlich aus. Das ist jetzt Mode und bei deinem schönem Gesicht sieht das richtig klasse aus." "Ich wollte das aber nie so haben. Ich wollte große Wellen. Jetzt sehe ich aus, wie ein Königspudel." Sie betrachtete meine Haare von nahem und sagte: "Ja, also, wir können versuchen die Dauerwelle herauszubekommen. Aber ganz ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass wir die Haare so glatt bekommen wie sie waren." "Ist mir egal. Ich verlasse diesen Laden nicht bevor ich nicht zufrieden bin. Und wenn Sie hier bis Mitternacht sitzen. Das ist mir völlig Schnuppe", antwortet Andy schnippisch. Die Friseuse versuchte meine Haare vergeblich einer weiteren Chemie-Therapie zu unterziehen. Vergeblich. Sie schaute uns ratlos an. "Schlimmer geht immer", dachte ich nur als ich mich im Spiegel betrachtete. "Schatz, und wenn wir das Gewusel einfach abschneiden. Haare wachsen doch schnell nach. Ich muss jeden Monat zum Friseur." Er realisierte nun, dass die Rettungsaktion "Haare" scheitern würde. "Bist Du denn wahnsinnig. Meine Haare schneide ich nie ab. Nie und nimmer", jammerte ich empört, "die sind schon genug abgeschnitten worden." Und so verließ ich wenig später den Friseursalon mit einem bubenhaften, frechen Kurzhaarschnitt. Das war das Ende meiner langen Haare.
In Gedanken versunken schmunzele ich in mich hinein. Ich denke daran, wie wir anschließend zu einem Imbiss gingen und meinen neuen Haarschnitt feierten. Ja, er hatte mich immer geliebt, mit Bubbikopf genauso wie mit Loreley-Mähne Auch jetzt, wo meine Jugend -na ja-, ein wenig dahin schwindet. Ich lege meine Hände um den warmen Becher und nippe an meinem Kaffee.
Es klingelt an der Haustür. Ich richte meine Strickjacke. "Ich komme". Es klingelt noch einmal. Mein Labradorwelpe jault auf. Sturmklingeln. Es ist Meya, meine Tochter. Ihr Finger klebt neuerdings auf der Klingel. Sie hatte sich vor ein paar Tagen von ihrem Freund getrennt und ist nun unerträglich. "Ja, ich komme doch", ich öffne die Tür und schaue zwei Mal hin. "Was um Himmels willen hast Du denn gemacht!" Meine mit Tränen überströmte Tochter stößt die Tür wütend auf und sagt: "Mama, ich wollte das so haben", sie hämmert mit ihrem Zeigefinger auf eine Modezeitschrift und durchstößt beinahe das Titelblatt von dem mir eine blonde Schönheit entgegenstrahlt. "Findest Du, ich sehe so aus?", sie hebt das Titelblatt auf Kopfhöhe. Ich sehe ihre Limonen-gelbgefärbten Haare, neben denen der Schönheitsikone. Es tat mir in der Seele weh, wenn ich daran dachte, dass sie sich ihre rassigen braunen Haare ruiniert hatte. Es sah aus, als würde sie eine Perücke tragen. Eine, die einfach nicht auf ihren Kopf passte.
"Es sieht aus als würde ich eine Perücke tragen", schluchzte sie. "Nicht, das ich nun eine Verlassene bin, jetzt bin ich auch noch hässlich und er rennt mit einer anderen herum." "Aber nein, Schatz. So schlimm ist das nun auch wieder nicht. Sei froh, dass Du den Jungen los bist. Ein paar dunkele Strähnchen und das sieht schon ganz anders aus." "Andy", kreische ich, "Andy, komm mal bitte her---- deine Tochter …" Ich streichele ihre Wange. Papa kriegt das schon wieder hin. Vertrau mir mal. Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors. Ein haariges Lesevergnügen
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