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Miefern ohne Reue

© Karin Reddemann


Genossen, Gönner, Geringfügige,

fühle mich unverstanden, kann so nicht arbeiten. Beabsichtige jetzt, Fränzken zu konsultieren, der mir schon in ganz anderen Krisensituationen kompetent unter die Arme gegriffen hat. Franz Puwalski schätzt meine Kunst. Im Gegensatz zu diesem lumpigen Verleger, der sich mein wohl recherchiertes Vokabular mal kreuzweise und dreimal durchgefurzt zwischen seine akademischen Arschbacken klemmen kann. Doktor Sven-Tjorben Tillmann. Soll doch miefern, bis der Hintern qualmt. Rotzlöffel, der, weiß noch nicht mal, wie das funktionieren könnte, um wenigstens halbwegs seriös mithalten zu können. Sage ich mal wertneutral so, vermeide bewusst rhetorische Seitenhiebe auf derbe Bildungslücken. Gell, Dökörchen, da muss man das mal hübsch bleiben lassen, sich den Popo mit dem Lexikon abzuputzen, da muss man da auch mal den mickrigen Zinken reinstecken. Klugscheißer, der. Kann leck-mich-doch auf Kisuaheli sagen, hat aber vom Miefern keine Ahnung. Ich erkläre dem das nicht weiter, ich, Paul-Egon Schloppke, mit Sicherheit nicht. Soll Fränzken sich mit rum schlagen.
Swänntjobben, wenn ich das schon höre, da wird mir ganz übel. "Swännitjobbi, du, das ist aber nicht okay von dir, dass du Papis Joint in dein Müsli tunkst, du." Ist doch klar, wie der aufgewachsen ist. Ich sag nur: 68er, Peace für Pappköppe. Durchgematschte Kommunenblage, Mami Therapeutin mit eintätowiertem Grinseffekt im Wallawallafummel, Papi Sozialarbeiter mit verflohtem Pferdeschwänzchen und gelben Fußnägeln in Jesuslatschen. "Du, jetzt sei doch mal kommunikativ, du." Bäh. Und alle haben sich lieb. Diesen Sven-Tjorben hätte ich früher bei uns im Kenkhoff-Viertel an die Wand geklatscht. Aber nein, Chance vertan, jetzt drückt der seinen arroganten Hintern platt und erdreistet sich, mir Vorschriften zu machen: "Neenee, Herr Schloppke, so geht das nicht." Watdennwatdenn? Nur, weil der nicht weiß, dass Hunde miefern, soll ich meine Geschichte umformulieren?! Ich bitte doch, das Wort kennt ja wohl nun jeder. Fränzken, der sich die affige Promotion im Gegensatz zu diesem geltungssüchtigen Sven-Tjorben getrost hat kneifen dürfen, weil er so oder so ein begnadeter Jurist geworden wäre, hat sofort gewusst, was ich meine: Wenn son Tier pinkeln muss oder auf die heiße Pudelin von gegenüber will oder weil mal wieder nix im Napf ist, dann wird halt ordentlich gemiefert. Eben. Keineswegs gemüffelt, wie Doktor Doof als völlig unbrauchbare Alternative vorgeschlagen hat. Sagt der doch glatt: "Schloppke, Sie gebrauchen da, warten Sie mal, fünf, sechs, ja, dreizehn Mal das Wort Miefern in Ihrer Geschichte. Das kennt, sorry, Schloppke, keine Sau. Miefen, müffeln, gut. Miefern? Nee, so kann ich das nicht drucken."
Sooo kann Svenni-Tjöbbi das nicht drucken, eiteitei. Hat Mami da was versäumt, hat ihn wohl zu oft k-i-f-f-e-n buchstabieren lassen, hm?! Ich also, die Geduld in Person, sage zu ihm: "Herr, ähm, Doktor, wenn Sie erlauben? Ich schreibe nicht über einen stinkenden Köter, sondern über einen miefernden Hund. Was Sie da anbieten, wäre völlig sinnentstellend." Insgeheim denke ich natürlich: Arschgeige, bekloppte, was willst Du eigentlich von mir, hä?! Sagt der doch in solch einem absolut unangemessen abgenervten Ton: "Und was, lieber Schloppke, ist miefern?" Liiieeber Schloppke, das klingt verdächtig nach "Her mit der Kotztüte", so was mag ich gar nicht. Ich beuge mich also weit nach vorn, damit Doktolilala nicht unnötig viel Ohrenschmalz rauspulen muss, um mich besser zu verstehen, und sage: "Denken Sie einfach an die klassischen Mieferlaute eines, nehmen wir mal, Schäferhund-Terrier-Mischlings. Was hören Sie da?" Glotzt der mich an, als hätte ich ihn gebeten, mit mir zusammen hier und jetzt unsere Hymne auf Polnisch zu singen, guckt noch eine Weile derb blöd und meint dann: "Janken. Wimmern. Fiepen. Winseln. Knurren. Jaulen. Und? Vielleicht miaut der eine oder andere sogar. Oder zwitschert. Von mir aus. Aber er miefert nicht. Haben Sie sich das Wort selbst ausgedacht, Schloppke? Um mir den Tag zu versauen oder wie?" Ich, immer noch erstaunlich ruhig, hätte an dieser Stelle gern einen Doppelten gekippt, ich gesteh's. Wie kann ein halbwegs intelligenter Mensch nur so weltfremd, so beschränkt in seinem Wortschatz, so hickekacke deppert sein? Teetrinker, klar, mit dick Huschihaschisch statt Kandis drin, kennt man ja. Genug also, fühle mich zu diesem Zeitpunkt leer gebrannt, geht nicht anders, sage also: "Von mir aus ersetzen Sie halt Miefern durch Stöhnen. Ungern zwar, aber wenn Sie sich dann besser fühlen. Lassen wir die arme Kreatur halt stöhnen. Das geht aber nur, wenn der Hund unkastriert bleibt. Dann muss ich die durchaus amüsante Szene beim Tierarzt eben umschreiben. Bitte, kein Problem, bin Profi." Das letzte Wort betone ich, es kommt mir vertraut kühn und gut über die Lippen, und dabei verziehe ich leicht, ganz leicht nur die Mundwinkel, um Doktor Doof auf meine feine Art darüber in Kenntnis zu setzen, was ich tatsächlich von ihm halte, da knallt der doch glatt seine Faust auf die Tischplatte und wird ungesund rot im Gesicht. "Schloppke, wollen Sie mich verarschen? Köter stöhnen nicht, nicht mal, wenn ihnen der Schwanz abgeschnitten wird. Weil Sie dann narkotisiert sind. Und das mache ich gleich auch mit Ihnen, Schloppke, wenn Sie nicht augenblicklich Ihr Manuskript nehmen und es eigenhändig in den Müll stopfen."
So weit zum Tatbestand, will sagen, Sachverhalt, sofern es mir überhaupt zumutbar ist, einen derartigen Vorfall ohne persönlichen Groll und aus völlig nüchterner Perspektive betrachten zu können. Selbstverständlich habe ich meine Geschichte in Sicherheitsverwahrung genommen. Sie wird ihren Weg auch ohne Sven-Tjorben Tilldödeldoofmann gehen. Mein Anwalt Fränzken Puwalski kümmert sich bereits um diese skandalöse Angelegenheit. Ihr, verehrte Genossen, Gönner, Geringfügige, seid durch meinen offenen Brief ausdrücklich gewarnt. Es kann der Wortgewaltigste nicht in Frieden leben, wenn literarisches Gut von benebelten Dumpfbacken zensiert wird.
Gestern Abend in Pits Pilshütte haben wir das eingehend ausdiskutiert: Fränzken, Bernd-Bulli Haferkott, der lange Luddi und ich. Fränzken und Bernd-Bulli haben selbst miefernde Hunde, im wesentlichen Verhalten nicht unähnlich meinem eigenen, der aus Altersgründen mittlerweile deutlich dezenter miefert als früher. Einzig Luddi musste ich kurz, aber eben erfrischend kurz nur erläutern, wann genau und wie und warum überhaupt beispielsweise Bullis Beppo miefert, der das sehr ausgeprägt und lustvoll praktiziert. Er hat dann auch sofort kapiert, obwohl der aus dem Pott stammt und meint, es wären wohl eher die friesischen und sächsischen und teilweise bayrischen Hunde, die ja bekanntlich arg extrem und sozusagen pausenlos miefern würden im Gegensatz zu denen aus Gelsenkirchen oder Essen. Das mag wohl sein. Freilich, bei den sächsischen bin ich mir nicht so ganz sicher. Aber ist ja auch immer eine Frage des Dialekts. Meine ich.

Kollegialer Gruß, Autor Paul-Egon Schloppke
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Eingereicht am 21. Mai 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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