Der garstige Hahn
© Luzia Fischer
"Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes."
Rudolf rumpelte in den finsteren Beichtstuhl und bekreuzigte sich hastig. "In Ewigkeit. … Amen."
Der Vorhang hinter dem Trenngitter bewegte sich kurz.
"Bub, wann war deine letzte Beichte?"
Der Elfjährige kratzte sich am kurz geschorenen Kopf und faltete dann eilig seine Hände. "Is scho eine Weile her, Herr Hochwürden."
"So lang, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst, Bub? Wahrlich, mit dir wird es noch ein schlimmes Ende nehmen."
"Der Großvater hat g´sagt … "
"Was dein Großvater meint, kann ich mir schon denken. Er meidet ja die Kirche, wie der Teufel das Weihwasser."
Ein langer Seufzer. - "Jetzt beichte schon deine Sünden! In Reue und Demut, falls du dazu im Stande sein solltest."
Das harte Brett unter Rudolfs nackten Kniescheiben wurde immer spitzer. Der dunkle Raum zog sich eng um ihn zusammen.
"Am Montag war´s … da hab i der Gärtners Frieda drei Eier fort.
Die haust ja gleich neben dran und hat nix g´merkt, als i die Eier aus dem Hühnerstall g´nommen hab. Weil die doch schlecht hört und fast nix mehr sieht. Gott sei Dank."
"Na, na, na! Die Gärtners Frieda mag ja schlecht hören und sehen, aber unser Herrgott nicht. Das merke dir, Bub! Unser Herrgott weiß alles über dich."
Rudolf schluckte. Ihm wurde in der zugigen Dorfkirche ganz heiß. "Von dem Konrad … hab i mir seinen Zwiesel ausborgt. Wirklich bloß ausborgt, Hochwürden."
"Aha. Für was hast du dieses Utensil benötigt?"
"Kein Uten … dings, einen Zwiesel halt. Sie verstehn mi scho Hochwürden. Weil mit dem musst i ja die Eier abschießen."
Ein strenges Räuspern.
"Du hast also einen Zwiesel und drei Eier entwendet, um auf was zu schießen, Bub?"
"Auf den Hahn, Hochwürden. Auf dem garstigen Hahn vom Steffel Bauer. Der is nämlich auf dem Dach von unserem Häusel g´hockt."
"Von welchem Häusel sprichst du, Bub?"
Rudolfs Stimme wurde zittrig. "Des, wo neben dem Misthaufen steht. Des mit dem Herz in der Tür. Sie wiss´n scho, Hochwürden. Dort, wo der Kaiser zu Fuß hingeht."
"Du sprichst also von dem Donnerbalken."
"Na, nix Donnerbalken, Hochwürden. Wir sind scho zivilisiert. Ich red von unserem Scheißhäusel aus Holz, verstehn´s?"
Kurzes Schweigen.
"Warum hast du also auf den armen Hahn geschossen?"
"Von wegen armer Hahn! Des Mistvieh traktiert doch einen jeden. Den sollt ma endlich den frechen Hals umdreh´n."
"Na, na! Ereifere dich nicht, Bub! Gab es denn Anlass zu der Schießaktion?"
"Ja, scho. Mein Großvater war doch in dem Häusel drin. Immer, wenn der rausgehn wollt, hat der Hahn wie wild auf seinen Kopf einpickt. Gradwegs auf seine empfindliche Glatz´n."
Stille. - Dann ein Gehüstel.
"Ich habe genug gehört, oder hast du noch andere Schandtaten zu beichten?"
"Nicht, dass ich wüsst, Hochwürden. Mir will grad nix mehr einfallen."
"Bete zur Buße fünf Ave Maria und drei Vater unser. Und nun gehe hin in Frieden."
"Is des nicht arg viel, Hochwürden? I wollt doch nur meinem Großvater helfen und den depperten Hahn ist ja auch nix passiert."
"Wegen deiner Dummheit, Bub. Um auf den Hahn zu schießen, hättest du nicht die Eier von der Gärtners Frieda zu stehlen brauchen."
"Und da heißt´s `Selig sind die Armen im Geiste´. Ja von weg´n."
"Hinaus mit dir, du Lausbub!"
Rudolf polterte erst gegen die Tür, bevor er sie aufstieß.
"Dem Großvater richte einen schönen Gruß aus. Das nächste Mal soll er doch einen Hut aufsetzen."
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Eingereicht am 09. November 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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