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Verzweiflungsschrei einer Hausfrau!!© Gaby SchumacherDa ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung aus Unkenntnis oder vielleicht auch aus taktischen Gründen vorsichtshalber eine auffallend unbeteiligte Miene aufsetzt, kommt die Sprache auf diesen all-täglichen Begleiter der Menschen der zivilisierten Welt, erkläre ich mal kurz, worum es geht: Wir stellen uns ganz dumm. Wir stellen uns ... sind es aber nicht. Und weil wir das so gar nicht sind, begreifen wir die nachfolgenden Ausführungen garantiert, auch ohne dass unser Kopf deswegen zu qualmen beginnt. Wir alle kennen Röhren. Manchmal essen wir sie sogar, nämlich dann, wenn sie 'Nudeln' heißen. Im Gegensatz zu den Röhren besitzt der Mülleimer einen Boden, auf den man schlecht verzichten kann, weil man sonst den widerlichen Dreck direkt wieder vom Küchenboden pflücken dürfte. Das obere Ende ist entweder ständig offen, manchmal offen oder im besten Falle meistens geschlossen.
Mülleimer ist nämlich nicht gleich Mülleimer: Der König unter den Mülleimern ist der Papierkorb, obwohl er weder einen Deckel geschweige denn noch eine Krone trägt. Wie der Name schon sagt, beherbergt er im günstigsten Falle nur Papier und Pappe. Sollte er zumindest, doch besonders in Jugendzimmern tummeln sich da noch ganz andere Dinge, als da wären: Kaputte CDs, Bleistiftschnipsel, Bonbons mit und ohne Papier, Schokolade ebenfalls mit und ohne Hülle und ausgesprochen gerne Apfelkitschen, die doch wirklich nichts dafür können. Der Weg zur Küche war zu weit und jugendlichen Beinen einfach nicht zumutbar.
Der bürgerliche Mülleimer hat es schon nicht mehr ganz so einfach. Mitleidig hat man ihm einen Deckel gegönnt, entweder zum Auflegen oder auch einen festen. So vermag er sein Geheimnis wenigstens eine Zeitlang zu wahren und muss es nur zu Fütterungszeiten lüften. Dann allerdings staunen wir Bauklötze, was sich da alles versammelt hat: Leere Milchpackungen, zwischen denen sich Joghurtbecher verzweifelt nach einem Plätzchen umrollen, jede Menge Käsefolien und ausgeräuberte Wurstpackungen runden das Bild ab. Ab und an steckt noch der Schraubverschluss eines Marmeladenglases dazwischen oder auch noch etwas ganz anderes.
Der erbarmungswürdigste Artgenosse unter den Mülleimern ist der Bio - Eimer. Der arme Kerl muss all das schlucken, was als Rest unserer Essorgien zurückbleibt und zusätzlich noch Lebensmittel, die ihr Verfallsdatum sogar selbst schon längst wieder vergessen haben. All dies bietet wahrlich Grund genug dafür, ihn mit dem mehr als unangenehm riechenden Inhalt möglichst in einem Unterschrank der Küchenzeile oder hinter der Küchentüre zu verstecken. Es ist übrigens dringend anzuraten, ihn so oft wie nur möglich zu entleeren.
So, das Wichtigste wissen Sie jetzt schon. Haben Sie denn Ahnung vom Umgang mit diesen Gesellen? Nein? Na, dann lesen Sie weiter. Es reicht ja nicht, dass da ein Mülleimer steht. Nein, der soll ja nach außen sauber strahlen, um darüber hinwegzutäuschen, wie es drinnen aussieht. Also wienert sich die Hausfrau halbtot, belässt es aber nicht allein dabei, sondern verschönt ihn noch mit der Supermarktstüte des letzten Einkaufes. Richtig chic sieht er jetzt aus. Sie sonnt sich froh in seinem Plastikglanz.
Doch sie lebt ja nicht alleine. Da sind ja noch zwei Kinder und ein Mann. Bezüglich des Wohles des armen Eimers outen sie sich als Risikofaktoren auf zwei Beinen hoch drei. Jeden Tag mehrmals fragt sich deshalb die geplagte Hausfrau: ?Wozu das alles? Weshalb habe ich denn überhaupt unter Stöhnen diese Tüte in den Eimer gesteckt?? Das ewige Bücken bei derlei Tätigkeiten ist schließlich anstrengend.
Da naht die eine Hälfte Nachwuchs. Ganz so jung ist sie nicht mehr, eher bereits jungerwachsen. Doch davon wiederum ist in dem Moment nicht viel zu merken. Das Eis hat bis auf einen kleinen Rest gut geschmeckt. Der war zuviel, den will Tochter mit so wenig Energieaufwand als möglich entsorgen. Unnötige Kraftanstrengung bedeutete es, mit der einen Hand die Tüte aufzuhalten, um dann das Nur-beinahe-leere- Eishörnchen ins Plastikgrab zu befördern. Also macht 'Jungerwachsen' es sich einfach und schmeißt die klebrige Geschichte ungerührt zwischen Eimerwand und Tütenseite in den Eimer. Das Klebrige ist sehr klebrig und pappt scheuersicher fest. "Kannst 'e nicht mal den Abfall in die Tüte befördern anstatt daneben?!", meckert Mama los. "Nee, kann ich nicht!", meint der Nachwuchs. Offensichtlich will er sich schonen, denn am nächsten Tag braucht er seine ganze Energie fürs große Sting - Konzert. "Also wirklich!", protestiert Mama, jedoch bereits zu spät. Der Nachwuchs hat sich schleunigst verdünnisiert, trabt munter in den Hobbyraum, um sich per Internet noch mal intensivst mit den Texten seines Idols auseinander zu setzen. Kein einziger Gedanke mehr an den Eimer und noch nicht einmal mehr an die voran gegangenen Bemühungen seiner Mama.
Mama versucht sich zu trösten: "Immerhin hat sie's in den richtigen Eimer geworfen!" Angesäuert wienert sie aufs Neue. Der Eimer blinkt erneut mit der Sonne draußen um die Wette.
Ein Paar Minuten später schlurft Risikofaktor Zwei in die Küche. Auf dem Arm balanciert diese gleichfalls jungerwachsene Dame einen Teller mit Essensresten. Gegen besseren Wissens, nämlich jene abgenagten Hähnchenknochen zu entsorgen sind, wählt sie den kürzeren Weg zum Eimer mit den leeren Milchpaketen und den Joghurtbechern, schnappt sich den Pfannenheber und kratzt so ungefähr in einem halben Meter Höhe über dem Behältnis alles vom Teller ab. 'Ballsport' hat dir noch nie gelegen!", bemerkt Mama ironisch. Sie ist kurz vorm Platzen, denn sie hat den Rest der Familie genauestens unterrichtet, was wo rein gehört. Danach sollte Kind Nr. Zwei es geschnallt haben, dass Pizza keine Folie ist.
Kind Nr. Zwei kratzt ungerührt weiter. Ballsport hat dieser Tochter wirklich nie gelegen. Es geht alles daneben, weder in die Tüte noch wenigstens in den Eimer. Die Pizza nimmt ein kühles Fliesenbad auf dem Küchenboden. "Also, die Schweinerei wischt du weg!", braust Mama auf und stemmt die Hände in die Hüften. "Reg' dich ab! Was kann denn ich dazu, wenn die Tüte nicht richtig drin ist? Du hast wohl noch nie geplempert!", trotzt diese Tochter. Blasiert-beleidigter Miene greift sie sich den Lappen, nicht ohne die Schublade mit überhöhtem Schwung zuzuknallen und - wischt tatsächlich. Hinterher pfeffert sie das besagte, nun völlig verdreckte Tuch ungerührt ob dessen neuen Outfits wütend ins Spülbecken und düst, ohne Mama eines weiteren Blickes zu würdigen, aus der Küche. Im Fernsehen läuft schließlich Fußball. Den Lappen säubert Mama.
Mama setzt ihre ganze Hoffnung auf den Papa. Wenigstens er würde doch ... Schon hört sie den Hoffnungsträger sich eiligen Schrittes der Küche nähern. "Der hat entweder Kaffeedurst oder gehörigen Kohldampf!", konstatiert sie. Es ist Durst. Papa öffnet einen der Hängeschränke und schnappt sich die Kaffeetüte. Er will sich vergewissern, ob genug Pulver da ist, hält ganz in Gedanken an den zu baldigen Kaffeegenusses die Packung schräger und schräger. Zu schräg, wie es sich dann heraus stellt. Das Pulver genießt rieselnd seine Freiheit, setzt sich in alle erreichbaren Ritzen, landet zum kleineren Teil im Spülbecken, zum weitaus größeren allerdings als brauner Teppich auf dem Küchenboden. "Ach, du Schei... !", entfleucht es Papa. "...sse!", ergänzt Mama, schämt sich dessen noch nicht einmal und entrüstet sich: "Mensch, ich hatte gerade alles sauber!" Wütend betrachtet sie Kaffeepulver-Dolomiten da vor ihr auf den Fliesen. "Ich mach' s ja weg!", brummt Papa.
Tatsächlich kramt er sich Handfeger und Kehrblech hervor und vergisst aber gleich seiner Tochter mitnichten das Zuknallen der Schranktür. Mama schreckt darob ein zweites Mal an diesem tollen Tag zusammen. "Naja, er bemüht sich ja wenigstens, alles wieder in Ordnung zu bringen!", beruhigt sie sich. Mama hat sich eindeutig zu früh gefreut. Was jetzt folgt, ist einsame Spitze. Die zwei Mülleimer sind nämlich schon zum Bersten voll. "Kaffeepulver passt immer noch 'rein!", versichert sich Papa insgeheim. Auf die Idee, die Dinger erst einmal in die Container zwei Meter vor der Haustür auszuleeren, kommt er nicht. Er ist ja ein typischer Mann.
Stattdessen muss die entsetzte Mama mitansehen, wie er immer abwechselnd beiden Mülleimern eine ordentliche Schüppe voll Kaffeepulver gönnt, bis sie beide überquellen. Dabei hält er das Kehrblech nicht etwa knapp über die Tüte, sondern spielt an diesem Nachmittag Frau Holle Nr. Zwei. Es regnet Pulver, Pulver in die Tüte, Pulver zwischen Tüten- und Eimerwand, natürlich auch rings um den Eimer auf den Boden und überall hinter die Küchentüre. Papa schippt und schippt und missachtet dabei sämtliche Abfallsortierungsgesetze. Nach erledigter Putzarbeit ist nicht mehr festzustellen, welcher Eimer welcher ist, nur noch, dass sie dringendst entleert werden müssten.
Da schellt das Telefon. Papa schnellt in die Senkrechte und rast äußerst dienstbeflissen hin. Komisch, das macht er doch sonst nie ... Er ist also nicht verfügbar. Mama weiß, was auf sie zukommt. Sie sieht erst dunkelbraun, dann deutlich schwarz. Die Mülltüten zum Container trägt? Mama!
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