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Upps!© Gaby SchumacherDas Treffen mit seiner Clique ist ein voller Erfolg gewesen. Wolfgang hat sich bestens amüsiert. Gelöster Stimmung setzt er sich abends in sein Auto, um sich auf den Heimweg zu machen. Aus dem Radio säuselt Schmalzmusik. Wolfgangs Gedanken fliegen in höhere Sphären. Eine Melodie summend, träumt er noch ein wenig vor sich hin.
Das Licht der nur spärlichen Straßenbeleuchtung taucht alles in ein diffuses Licht und lässt es ein wenig unheimlich erscheinen. Plötzlich schreckt Wolfgang auf und späht angestrengt zu einem alleinstehenden Haus auf der rechten Straßenseite. "Hääh? Da hat sich doch etwas bewegt!" Seine Augen kontrollieren die Umrisse der umstehenden Bäume und Sträucher. Nichts, er hat sich wohl doch getäuscht.
Gerade will er sich wieder der Erinnerung an eine bestimmte junge Dame hingeben, da stutzt er ein zweites Mal: "Verflixt, schon wieder!" Die junge Frau vergräbt er noch schnell zur Sicherheit, damit er sie ja nicht verliert, im tiefstem Winkel seines entflammten Herzens. Dann aber starrt er wie hypnotisiert auf den riesigen Schatten dort zwischen den zwei Laubbäumen, der zuerst ein wenig hin und her zu schaukeln scheint, dann wieder verhält und schließlich aus dem Schwarz der einbrechenden Nacht hinaus ins Licht der Laternen tritt.
Fassungslos vor Schrecken umklammert Wolfgang das Lenkrad. "Das gibt es einfach nicht!", flüstert er. Dort vor ihm geht eindeutig jemand spazieren, ein gewaltiger Jemand, wie Wolfgang registriert. Ein wahrer Koloss, der eigentlich ganz woanders hingehört. Wolfgang sträuben sich die Nachenhaare. Mit zitternden Händen greift er sich sein Handy und wählt die Nummer der Polizei. So ganz nebenbei wirft er einen raschen Blick auf seine Armbanduhr. "Erst sieben. Für Geistererscheinungen viel zu früh!"
Nach dem vierten Freiton meldet sich der diensthabende Polizist. Er klingt reiflich genervt: "Hier Polizeiwachtmeister Kunz. Womit kann ich ... ?" "Gleich flippt der aus, wenn ich dem erzähle", sagt sich Wolfgang. "Wagner, guten Abend. Ich stehe hier auf der Landstraße, etwa einen Kilometer vor Hahnstadt."
"Haben Se nen Platten?", kommt ihm der Grüne zuvor. Sehr viel anderes kann abends um diese Zeit ja wohl kaum der Grund sein, seine gemütliche Lesestunde auf` dem Revier zu stören. "Nein, also: Es ist nämlich so", setzt Wolfgang an, diesmal in einem unsichereren, kläglichen Tonfall. "Verraten Se mal endlich, was los ist!", brummt sein akustisches Gegenüber. Um diesem Stotterheini da am anderen Ende der Leitung etwas auf die Sprünge zu helfen, unterbreitet er ihm mehrere Vorschläge: "Haben Se sich verfranst oder nen Unfall oder jeht es Ihnen ansonsten nicht jut?" ŽUnfall` oder Žansonsten nicht jut` hieße Einsatz und endgültiges Ende der Schmökerstunde. Mist! Leider stellt er in der nächsten Minute fest, dass er seinen Krimi vorläufig vergessen darf.
" Eher das Letztere!", stöhnt ihm der Anrufer entgegen. "Was fehlt Ihnen denn?", forscht der Freund und Helfer aller Menschen besorgt. Vor lauter Besorgnis spricht er plötzlich astreines Hochdeutsch. "Hier l... läuft ein E...Elefant rum", japst Wolfgang. "Bitte?? Hören Se mal: Wollen Se mir verarschen?" Der Grüne ist schwer sauer. Von Hochdeutsch ist keine Rede mehr. Stattdessen schnauft er seine Empörung laut hörbar in die Muschel. "Glauben Sie mir doch. Bitte!!", versucht es Wolfgang, bereits halb verzweifelt, ein weiteres Mal. Sein Gegenüber hat inzwischen, beinahe noch schneller als er selber, die Fassung verloren und brüllt los: "Sind Se bescheuert? Wat hat man Ihnen denn ins Glas gemixt?" "Ich will Sie bestimmt nicht veräppeln. Wirklich nicht. Hier steht tatsächlich einer!", jammert Wolfgang. "Se wissen hoffentlich, dass dat ne saftige Klage gibt, wenn Se so weiter quasseln!", schreit der wütende Hüter des Gesetzes. Auch ihm haben sich die Nackenhaare gesträubt, allerdings vor Zorn.
Fast am Boden zerstört, setzt Wolfgang alles auf eine Karte. "Oh Gott, er kommt auf mich zu ... Jetzt spielt der mit meinen Scheibenwischern. Hilfe!!" "Dieser Typ ist voll durchgeknallt. Da muss ich hin!", sagt sich der Grüne, schnappt sich seine Mütze und will den Raum verlassen. Vor seinem Schreibtisch stoppt er plötzlich. Auf dem liegt noch die Tüte mit seinem Einkauf von heute Mittag. Ein ganzes Bund Karotten sind dabei. Elefanten mögen die. Das weiß er aus der Schule und vom letzten Zoobesuch. "Jetzt fang ich auch schon an zu spinnen", murmelt Wachtmeister Kunz noch, schüttelt über sich selber den Kopf und angelt sich die Karotten. Schnell rennt er nach draußen zum Wagen und fährt gen Hahnstadt.
Dort klappern Wolfgang mittlerweile nicht nur die Zähne und zittern die Hände, sondern es haben sich viele kleine Schweißtropfen auf seiner Stirn gesammelt. Er schrumpft auf seinem Sitz mehr und mehr zusammen. Der junge Mann würde sich am liebsten unters Lenkrad auf den Boden verkrümeln. Halb nach unten vom Sitz gerutscht ist er schon. Dort harrt er notgedrungen der Dinge, die noch auf ihn zukommen könnten.
Etwas oberhalb seines Kopfes knackt es verdächtig an der Windschutzscheibe. Der zweite Scheibenwischer muss dran glauben. Begeistert ist der Elefant zugange. Mit dem Rüssel schleudert er seinen interessanten Stock wild hin und her durch die Luft. Dazu trompetet er ein paar Mal fröhlichst vor sich hin. Es ist ein unheimlich dröhnendes Geräusch, das in der Dunkelheit nicht gerade dazu beiträgt, jemanden mutiger werden zu lassen.
Wie hypnotisiert beobachtet Wolfgang den ungebetenen Gast. "Spiel bloß weiter - solange nicht meine Arme und Beine dran glauben müssen!", zittert er. Wie unter Zwang betrachtet er das Riesenvieh genauer, so von ganz unten langsam die Beine rauf und dann immer höher. Irgendetwas kommt ihm spanisch vor. Dessen Trampelwerkzeuge nehmen und nehmen kein Ende, der mehr als feiste Bauch ließe jeden Diätlebensmittelhersteller jubeln und dann diese wahnsinnigen Stoßzähne, dermaßen lang ...
Wolfgang ist fasziniert und vergisst darüber fast seine Angst. Solch einen gewaltigen Elefantenkopf mit ebensolchen Stoßzähnen hat er niemals zuvor gesehen. Ihm wird ganz komisch. Im seinem Hinterstübchen formt sich ein irrwitziger Gedanke: "Das ist doch nie im Leben ein ...??" Den Rest zu denken, verkneift er sich. Es wäre zu schädlich für seine Nerven.
Währenddessen wirbeln Polizeiwachtmeister Kunz die Gedanken nur so im Kopf herum, was alles er diesem offensichtlichen Irren gleich entgegen schleudern wird. "Entweder hat dieser Wagner eine Meise unterm Pony und ist aus einem Irrenhaus entwischt oder der hat mindestens zehn Schnäpse intus!", überlegt er. "Auf jeden Fall gehört der aus dem Verkehr gezogen."
Er biegt auf die besagte Landstraße ein. Es braucht nur noch wenige Minuten und er erkennt in dem schummrigen Laternenlicht zuerst das Auto und dann zunächst nur schemenhaft einen riesenhaften Koloss. "Ach, du meine Fresse!", stöhnt er und fährt im Schritttempo näher. Schließlich hält er an. Er mag kaum glauben, was er da sieht: "De Wagner hat doch keenen Knall. Dat is ja woll ..." Entgeistert verfolgt auch er das Scheibenwischer-Elefantenspiel. "Böse wirkt dat Tier eijentlich nich!", stellt er fest.
Da sich die Polizei ja Freund und Helfer der Menschen nennt, sammelt Wachtmeister Kunz flugs seine Gedanken, so dass sogar ein ganzer Plan dabei raus springt. "Ob der wohl ne Möhre will?", fährt es ihm durch den Kopf. Nun heißt es Mut zu beweisen. Er greift sich die Möhren und steigt mit vorsichtig aus dem Fahrzeug. Der Elefant soll ja bloß keinen Schrecken kriegen. Das wäre schlecht für Kunz Gesundheit.
Schritt für Schritt nähert er sich diesem Vieh. Dabei wedelt er ihm, für ihn deutlich sichtbar, mit den Möhren vor dem Rüssel herum. Kurz vor ihm bleibt er stehen und kann den Riesen erst jetzt so richtig in dessen voller Größe bestaunen. Er schaut auf die mächtigen Beine, er betrachtet den massigen Körper. Um den Kopf ansehen zu können, muss er den seinen weit in den Nacken legen. Dann sieht er auf die Stoßzähne - mindestens drei Meter lang.
Ihm fällt es wie Schuppen von den Augen. "Dat Vieh is jar keen Elefant. Dat is nen Mammut!", röchelt er leichenblass. Die Möhren sind ihm längst aus der Hand gefallen. Bevor es um ihn Nacht wird, denkt der Polizeiwachtmeister Kunz noch: "W...wer hat dat denn aufjetaut?" Er sackt in sich zusammen, bleibt dabei nicht ohne Gesellschaft. Wolfgang hat die letzten Worte dieses Hüters des Gesetzes sehr wohl vernommen und es für weise erachtet, sich ebenfalls in den Schlaf zu verabschieden.
Das Mammut interessieren die beiden Menschlein da vor ihm nicht die Bohne. Dieses Urzeitwesen tut sich stattdessen an den neuzeitlichen Möhren gütlich.
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