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Eingereicht am
02. Oktober 2007

Ooh!!

© Gaby Schumacher

Es ist dringend an der Zeit. So gänzlich ohne Kultur wie bislang soll es nicht weitergehen. Ich erinnere mich meiner Freude an Museumsbesuchen und mache mich froh gestimmt auf den Weg. Die alten Römer soll es diesmal nicht treffen, denn ich fühle mich an jenem Tage ausgesprochen jung. Deshalb entscheide ich mich für eine Galerie.

Ich finde von allem etwas, sowohl die alten Meister, aber auch die jüngeren, die ganz jungen und die jungen Alten. Mitnichten verzichtet eine solche Ausstellung auf außergewöhnliche, da extreme Werke, denn genau vor denen sammeln sich die Massen. Vor allem ein bestimmter der Letzteren fesselt den Besucherstrom der Kunstkenner, der Möchtegern- und noch mehr der Gar-nicht-Kunstkenner, die aber nach bestem Vermögen dieses Unwissen sogar manchmal zu vertuschen vermögen.

Solch einen tollen Kunstunterricht habe ich während meiner ganzen Lyzeumszeit und die hat lange angedauert, nie erlebt. Mein Verstand arbeitet auf Hochtouren, um da noch mithalten zu können. Die eingesetzte Konzentrationsarbeit bringt mir Erkenntnisse, von denen ich noch nicht einmal in meinen verwegensten Träumen zu träumen wagen würde und sehr bald schlackern mir die Ohren.

Eingekeilt zwischen mindestens dreißig lieben Mitmenschen, sehe ich nämlich nur wenig und noch weniger Außergewöhnliches.

"Entschuldigen Sie!", flüstere ich meinem Steh-Nachbarn verschämt zu. "Können Sie mir sagen, was das da vorne sein soll?"

Auf diese doch mehr als höflich angebrachte Frage ernte ich einen Blick, der mich zur geistigen Missgeburt abstempelte und mir deutlichst bedeutet, wie ich mir nur die Frechheit habe erlauben können, mich überhaupt in diese erlauchte Gesellschaft der Kunstbeflissenen einzuschleichen.

Doch noch prallt dieser Blick an mir ab, noch besitze ich den Mut zum Mich-Behaupten:

"Was denken Sie denn darüber?", bemerke ich keck und bringe damit mein Gegenüber innerlich beträchtlich auf Trab.

"Na, wohl von Kunst keine Ahnung, nicht?", bullert der los, aber genau deshalb gewinne ich den spontanen Eindruck, dass der gleich mir ebenfalls im Prestige verschluckenden Meere des Nichtwissens schwimmt.

Unbescheidenheit zählt nicht zu meinen Eigenschaften. So erwidere ich auch ziemlich bescheiden:

"Eigentlich schon etwas ... Aber, das da, ist das denn noch Kunst?"

Mit dieser Bemerkung lande ich anscheinend einen Treffer. Fragt der sich das etwa auch?

Jedenfalls wandelt sich dessen Ablehnung in Zugänglichkeit. Er wird regelrecht gesprächig und lässt sich doch tatsächlich herab, mit mir ein paar Worte zu wechseln.

"Dazu muss man 'Kunst' erst einmal definieren", meint er so vollkommen richtig.

"Das ist keine Kunst!", wage ich mich vor. "Zur Kunst zählt alles Selbstgestaltetes. Sie dient dazu, Gefühle und Umstände innerlich zu verarbeiten sowie darzustellen, sich in optischen und akustischen Werken mit der Welt auseinander zu setzen."

Immerhin, dies wird akzeptiert und sogar mit einem halbwegs anerkennenden Blick honoriert.

Währenddessen sind wir näher und näher an jene Außergewöhnlichkeit herangeschoben worden und endlich darf ich diese mit eigenen Augen bewundern. Deren Wirkung erschlägt mich fast, aber keinesfalls derart, wie Sie es jetzt wahrscheinlich vermuten.

Nein, ich bin einfach nur baff und stehe sprachlos davor.

'Es ist Kunst. Nun erkenne es endlich als das an. Sonst zählt man dich hier zu den Kunstbanausen!', rede ich mir zu.

Vorsichtshalber behalte ich diese Gedanken für mich und begebe mich laut stattdessen daran, mich in einer Methode des Interpretierens dessen, was sich mir da so fremdartig präsentiert, zu versuchen, die meinem Gegenüber hoffentlich zusagen wird.

"Empfinden Sie es auch so - diese Klarheit der Formen, einfach toll, nicht?"

Der Mensch da neben mir beisst an. Solche Diskussionen scheint er zu lieben:

"Ja, ist es nicht unglaublich, mit welch' wenigen Stilmitteln man dermaßen viel ausdrücken kann?"

Abermals dirigiert mich die Vorsicht, nicht etwa durch eine unvorsichtige Antwort dieses zarte Bändchen der Unterhaltung wieder zu zerreißen. Ich schweige einen Augenblick und denke:

'Hat sich was mit Stil!'

Dann:

"Ja, sozusagen die Einfachheit des Lebens, meinen Sie nicht auch?"

Harmlos lächelnd sah ich ihn an.

Er gerät in Fahrt:

"Wenn Sie diese Farbzusammenstellung betrachten, aus der Natur genommen, als Verbindung zur Natürlichkeit sozusagen, zum Ursprung zurück. Das ist Leben pur, wissen Sie!"

Dabei rüttelt er begeistert und so gar nicht mehr zurückhaltend an meinem Arm.

Aufgerüttelt fährt es mir durch den Kopf:

'Aha, so geht das. So musste das machen!' Da ich ja ein fantasiebegabter Mensch bin, fällt mir dann so einiges noch dazu ein:

"Sie haben völlig Recht! Er stellt unseren menschlichen Lebensweg dar. Das untere Objekt steht für den Frohsinn, die Leichtigkeit, die Freude, das Lebensbejahende ... "

Mein Gegenüber nickt mittlerweile so heftig zu jedem meiner weisen Worte, dass ich mir schon Sorgen wegen seiner da extrem beanspruchten Bandscheiben mache. Dies aber ist bestimmt unnötig, denn der vollführt, da bestimmt regelmäßig in solchen Ausstellungen, garantiert nicht zum ersten Male in seinem Leben diese Gymnastikübung.

"Ich sehe schon, wir haben die gleiche Wellenlänge. Es ist ja so weiterbringend, einen Menschen zu treffen, der ... !", begeistert er sich.' 'Wenn Du wüsstest ... !', denke ich.

Doch er schwebt schon im siebenten Interpretierhimmel und ist nicht mehr zu stoppen:

"Das obere Objekt drückt Flexibilität aus, den Wunsch, etwas aus seinem Leben zu machen, es zu erkunden und doch sein geistiges Gut nur in verantwortungsvoller Weise und ausschließlich in dafür passenden Gelegenheiten der Umwelt mitzuteilen, ansonsten sich bedeckt zu halten ... "

Ich habe bereits beträchtliche Mühe damit, mich nicht durch ein dann mehr als amüsiertes Grinsen zu verraten:

'Oh je, reiß' dich bloß zusammen! Das kannste dem jetzt nicht antun, dass ...'

Doch es kommt noch besser:

"Dieses wahrlich da grandios gewählte Schwarz, voller Geheimnisse, voller Ruhe und doch des Glanzes, dieser donnernden Transparenz des Ausdruckes. Diese Feierlichkeit ... Spüren Sie dieses Flair nicht auch, öffnet sich nicht ihr Inneres ... Oh ja, der Künstler ist ein Meister seines Faches ... Sein Werk ist die absolute Bereicherung meines Ichs, nichts wird mehr so sein wie bisher ... !"

'Du ahnst gar nicht, wie Recht du damit hast!', bestätige ich ihm im Stillen, befreie mit einem kleinen, höflichen Ruck meinen mittlerweile mehr als durchgerüttelten Arm und verdrücke mich schleunigst, um mich in der Ecke um die Ecke vor den Toilettenräumen ungehemmt meinem längst fälligen Lachkrampf zu überlassen.

Das in die obersten Sphären des Kunsthimmels erhobene Werk stammt übrigens von Joseph Beuys.

Das Objekt mit der donnernden Transparenz des Ausdruckes verrät sich übrigens als Klavier und jenes das flexible, geistige Gut vermittelnde ist der dazu gehörige Filzhut.

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