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Vergissmeinnicht

© Andrea Meyer


Als sie ihn fanden, war er schon eine Weile tot. Allein dass sie ihn fanden war Zufall. Das was von ihm übrig war lag in einem alten Casino, das außer ein paar Ratten seit Monaten keine Besucher hatte. Und wenn man ein wenig über die Natur dieser kleinen Nager weiß, kann man sich vorstellen, was sie mit ihm angestellt haben. Der alte Kasten, in dem er lag, sollte in einem medienwirksamen Spektakel in die Luft gejagt werden, um einem dieser Hochglanzschuppen zu weichen, in denen die Leute vorgegaukelt bekämen sie wären nicht dabei sich zu ruinieren. Zur Vorbereitung sahen sich ein paar Jungs der Sprengfirma alles an und stolperten im obersten Stock über ihn. Es war nicht die erste Leiche, die sie fanden. Dafür waren sie alle schon zu lange im Geschäft. Von seinen Füßen, Händen und dem Gesicht war nicht mehr viel übrig. Ein großes Loch klaffte an der Stelle der Nase und die leeren Augenhöhlen schienen durch das große Panoramafenster direkt über die Stadt zu sehen. Ansonsten war er ziemlich komplett. Und mumifiziert. Auch die kurz danach eintreffenden Polizisten schoben diesen Umstand auf seinen Fundort. Es war warm und trocken; und hier oben ging durch die zerbrochenen Fenster immer ein leichter Wind. Geradezu ideale Voraussetzungen würde der Gerichtsmediziner das später nennen. Ansonsten gab es nichts. Keine Fußabdrücke, keine Gegenstände. Nichts womit sich erklären ließ wie der Knabe hier oben gelandet war. Das ganze Gebäude wurde von oben bis unten durchsucht. Die Polizisten, die dafür abkommandiert wurden, fluchten vor sich hin. Es war ziemlich warm und sie mussten jedes Stockwerk durchkämmen. Das Ergebnis blieb gleich. Es fand sich nichts. Die Fahrstühle waren längst nicht mehr in Betrieb. Hätte der oder die Täterin es darauf abgesehen ihn auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, hätte es genügt ihn in einen der Fahrstuhlschächte zu werfen. Die Sprengung des Gebäudes hätte nicht viel von ihm übrig gelassen. Aber die Beamten hatten fast den Eindruck, sie wurden hier schon erwartet. Nach dem Abtransport der Leiche durch die Gerichtsmedizin wischte sich der leitende Kommissar die Stirn und schüttelte den Kopf. Er wurde das Gefühl nicht los, mit dieser Sache nicht so schnell fertig zu werden. In seiner Hand lag eine kleine Papiertüte für Beweismittel. In dieser Tüte lag ein Zettel mit der Aufschrift:
Hallo Marc, mein Liebling, erinnerst Du dich an mich? Diese Nachricht galt ihm. Kommissar Marc Tremel.
Ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt schaute sie durch ihr Hochleistungsfernglas und verfolgte die Arbeit der Spurensicherung und der Gerichtsmediziner. Sie würden nichts finden. Dafür hatte sie gesorgt. Sie war gründlich und aufmerksam, denn sie wollte nicht, dass sie sie vor der Zeit fanden. Nach einigen weiteren Minuten hatte sie genug gesehen und mit einem bösen Lächeln zog sie sich, die Hand zum Gruß an die Ermittler erhoben, vom Fenster zurück. Sie war zufrieden mit ihrer Arbeit. Es war leicht. Manchmal konnte sie gar nicht fassen wie einfach es war ihn aus dieser Bar zu locken. Die Suche nach dem perfekten ersten Opfer war langwierig. Sie sah sich wochenlang die einschlägigen Bars und Discos an bevor sie ihn fand. Groß, dunkelhaarig, muskulös. Gutaussehend aber nicht einer dieser Schönlinge, die ihr so oft bei ihren Streifzügen schöne Augen gemacht hatten. Ein paar Wochen lang hielt sie sich im Hintergrund und beobachtete. Sie registrierte, was ihr Auserwählter trank, zu welcher Musik er tanzte und mit welchem Typ Frau er die Bar verließ. Dann eines Abends war ihre Chance gekommen. Sie bestellte zwei Drinks und stellte einen wortlos vor ihn. Der Rest spielte sich innerhalb einer halben Stunde ab. Sie erzählte etwas von einem aufregenden Ort und stellte ein paar Fesselspiele in Aussicht und schon hatte sie ihn.
Auch sie mussten die ganzen Treppen steigen. Unterwegs maulte er kurz über die vielen Stufen, aber sie schaffte es ihn zum Hochgehen zu motivieren. Als sie oben angekommen waren gönnte sie ihnen beiden noch ein paar Minuten zum Verschnaufen. Sie stellte die Tasche ab, die sie dabei hatte und nahm die weiche Lederschnur und den kleinen Totschläger raus. Er stand mit dem Rücken zu ihr, genoss die Aussicht und hatte keine Ahnung, dass es die letzte Aussicht sein würde, die er zu Gesicht bekäme. Die Fesseln waren schnell angelegt. Da er dachte, dass alles würde zu einer heißen Nacht führen, ließ er es widerstandslos mit sich machen. Dann kam der Teil, über den sie sich lange Gedanken gemacht hatte. Es war das erste Mal, das sie zur Mörderin wurde. Sie wollte es möglichst schnell hinter sich haben und es sollte nichts schief gehen. Nach dem Anlegen der Fesseln schlug sie schnell und hart mit dem Totschläger zu. Noch einmal, obwohl er schon nach dem ersten Schlag am Boden lag. Sie lief zur Tasche und nahm die kleine Injektionsflasche und die Spritze raus. Zehn Milliliter Kaliumchloridlösung sollten reichen. Das Medikament hatte sie sich vor einer Weile aus einem Krankenhaus besorgt. Sie besuchte eine ältere Nachbarin und wartete auf einen günstigen Moment um ins Schwesternzimmer zu schlüpfen. Sie zog die Spritze auf. Er war zum Glück immer noch bewusstlos. Sie kniete sich neben ihn und injizierte ihm die Lösung. Obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass eine Kanüle voll mehr als genug wäre zog sie noch vier weitere auf und spritzte sie in seinen Arm. Nach ein paar Minuten hörte er auf zu atmen. Sie fühlte an seinem Hals ob er noch Puls hatte, konnte aber nichts spüren.
Auf einmal zitterte sie am ganzen Körper. Es hatte geklappt. Sie hatte es getan und es war leicht. Sie zitterte vor Freude und Aufregung. Jetzt durfte sie keinen Fehler machen. Sie schnitt die Fesseln auf und verstaute sie sorgfältig, ebenso wie die Flasche und die Spritze. Dann zog sie ihn vor das Fenster und drehte ihn auf den Rücken. Den Kopf drehte sie so, dass er aus dem Fenster zu sehen schien. Sie prüfte die Richtung und nickte sich zufrieden selbst zu. Bevor sie ging kontrollierte sie noch einmal ob sie alles dabei hatte und das auch keine Spuren von ihr zu sehen waren. Auf dem Weg nach unten sah sie sich auch im Treppenhaus um. Sie konnte nichts finden. Bevor sie das Gebäude verließ sah sie aus einem der zerbrochenen Fenster um sicherzugehen dass sie niemand sah. Es war menschenleer auf der Straße. Sie begegnete nur ein paar Frühaufstehern bei ihrem kurzen Heimweg, denen sie hoffentlich nicht im Gedächtnis bleiben würde bis man ihn fand. Zuhause angekommen ging sie zuallererst mit dem Fernglas ans Fenster und sah zu ihm. Perfekt. Sie konnte ihn durch ihr Fernglas fast so gut sehen als läge er vor ihr auf dem Boden. Der leichte Wind, der durch die zerbrochenen Scheiben wehte hatte die Spuren im Staub schon verwischt. Jetzt hieß es warten.
Es dauerte fast vier Monate bis der Tag gekommen war. Es war schon fast Herbst. Aber die Tage waren noch warm. Wie jeden Morgen ging sie ans Fenster und sah zu ihm hinüber. Im ersten Moment erschrak sie, als sie das ganze Aufgebot sah, aber dann spürte sie wieder das freudige Zittern, dass sie auch schon an dem Abend gespürt hatte. Jetzt würde es endlich weitergehen. Zeit sich nach dem Nächsten umzusehen.
Sie fand ihn ein paar Tage später eher durch Zufall. Das heißt eigentlich fand er sie. Er sprach sie auf der Straße an ob sie ihm einen Weg erklären könne. Sie erklärte. Und verabredete sich anschließend mit ihm für den Abend. Diesmal würde es schwieriger werden. Aber sie würde es tun. Sie holte ihn mit dem Wagen am vereinbarten Treffpunkt ab. Eine Telefonnummer hatte sie ihm nicht gegeben. Das hätte eine Spur zu ihr sein können. Es war noch nicht die Zeit für Spuren. Sie fuhr mit ihm zum Park, der mitten in der Stadt lag. Hier gab es einen künstlich aufgeschütteten Hügel, auf dem man einen schönen Blick über die Stadt hatte. Sie hoffte, dass nicht allzu viele späte Parkbesucher heute die Aussicht genießen wollten. Aber darauf musste sie es ankommen lassen. Sie nahm ihre Tasche mit aus dem Wagen und sie gingen durch den Park auf den Hügel. Sie zeigte ihm, dem Neuling in dieser Stadt, ein paar Sehenswürdigkeiten im Umkreis und sie setzten sich auf die Wiese. Es wurde langsam dunkel und der Park wurde zusehends leerer. Es sah nach einem Gewitter aus. Und die meisten Besucher wollten nicht abwarten ob es auch losbrach. Sie setzte sich hinter ihn und versprach ihm eine Nackenmassage, die er gern annahm. Leise griff sie in ihre Tasche und holte die Garotte heraus. Mit einer schnellen Bewegung legte sie sie um seinen Hals und zog kräftig zu. Er wehrte sich, versuchte erst nach ihr zu greifen, dann die Garotte von seinem Hals zu ziehen. Aber der schmale Draht hatte sich schon zu tief in seine Haut gegraben. Es blutete ziemlich stark. Sie versuchte noch stärker zuzuziehen. Sein Gesicht färbte sich schon dunkelrot und er röchelte. Sie hielt die Garotte fest. Dann nach einigen unendlichen Minuten wurde seine Gegenwehr schwächer. Endlich war es geschafft. Sie ließ los und schubste ihn von sich. Dann schaute sie an sich herunter, ob sie etwas von seinem Blut abbekommen hatte. Nein, sie war sauber. Aber im Kampf hatte er ihr ein paar Haare ausgerissen, die sie jetzt sorgfältig zwischen seinen Fingern herauszog und einpackte. Dann legte sie den kleinen Zettel in die Hand des Toten. Er trug eine kleine Nachricht, die lautete: Marc, noch immer keine Idee? Enttäusch mich nicht. Noch immer war sie außer Atem. Es war schwerer gewesen als sie dachte. Nach ein paar Minuten war sie soweit die letzten Handgriffe zu tun. Sie hievte seinen schlaffen Körper in eine sitzende Position gegen einen großen Stein und kontrollierte, ob der Kopf in die Richtige Richtung wies. Danach machte sie sich auf den Heimweg, der noch ein wenig kürzer war als nach ihrem ersten Mord. Dieses Mal würde es schneller gehen bis sie ihn fanden. Es würde nur einige Stunden dauern. Jetzt würde das eigentliche Spiel beginnen. Sie fragte sich wie lange es wohl dauern würde bis sie auf ihrer Spur waren. Bis sie einen Zusammenhang zwischen den toten Männern herstellten, die so träumerisch über die Stadt sahen. Bis ER es herausfand. Sie kicherte leise in sich hinein. Es fing an ihr wirklich Spaß zu machen.
In der Zeitung am übernächsten Tag war er die Schlagzeile.
Ein Parkwächter hatte ihn auf seiner morgendlichen Runde gefunden und sich erst noch direkt neben ihm übergeben bevor er die Polizei rufen konnte. Die kleine Nachricht wurde mit keinem Wort erwähnt. Aber das wunderte sie nicht. Das war sicher Polizeitaktik um gleich die Spinner auszuschließen, die freiwillig einen Mord gestehen, den sie gar nicht begangen haben. Aber Marc Tremel hatte den Zettel gesehen. Er schluckte zweimal schwer. Es war also eine Serie. Und sie galt ihm. Er konnte sich nur noch keinen Reim darauf machen. Seine Kollegen fingen an ihm Fragen zu stellen. Aber er wusste keine Antworten. Er wusste nicht warum.
Sie machte nach ein paar Tagen weiter. Als nächstes Opfer hatte sie sich den Pächter eines kleinen Cafés ausgesucht in dem sie manchmal einen Espresso zum mitnehmen holte. Sie ging kurz bevor er den Laden schloss. Sie unterhielten sich ein paar Minuten. Sie fasste sich ans Ohrläppchen und tat erschrocken, als hätte sie einen Ohrring verloren. Hilfsbereit kam er hinter seinem Tresen hervor und kniete sich auf den Boden um ihr zu helfen. Sie trat hinter ihn und zog das Skalpell aus ihrer Tasche und riss seinen Kopf an den Haaren nach hinten. Er schrie auf. Bevor er noch reagieren konnte hatte sie ihm mit einer schnellen Bewegung die Kehle durchschnitten. Er gab einen fürchterlichen gurgelnden Laut von sich und fiel vornüber. Das Blut schoss in einem Schwall aus seinem Hals. Da sie auch die Luftröhre durchschnitten hatte würde er nicht nur verbluten, sondern auch einen Teil des Blutes einatmen. Vielleicht würde das ertrinken an seinem eigenen Blut noch schneller gehen. Sie sah zu ihm runter und war etwas geschockt. Das hier war schlimm. Aber es musste sein. Sie steckte das Skalpell blutverschmiert wie es war in ihre Tasche zurück. Sie würde es zuhause aufbewahren. Genauso wie die Spritze und die Garotte. Dann schloss sie schnell die Tür des Ladens ab. Sie konnte jetzt keine Überraschung gebrauchen. Da die Fenster des Ladens ziemlich dunkel getönt waren würde wohl niemand von draußen etwas bemerken. Sie musste warten bis das Blut etwas angetrocknet war. Dann würde sie ihre Nachricht hinterlassen können.
Ein paar Stunden später war sie wieder zuhause. Sie zog die Handschuhe aus, die sie über ihre blutverschmierten Finger gezogen hatte und legte sie zum Skalpell in die Schublade ihres Schrankes. Dieses Mal würde sie nicht einmal ein Fernglas brauchen um ihm bei der Arbeit zuzusehen. Das Café lag am Ende ihrer Straße. Es war so weit. Jetzt würde er sich an sie erinnern. Sie konnte in dieser nacht vor Aufregung so gut wie gar nicht schlafen. Gegen fünf Uhr morgens konnte sie die Sirenen der Polizeifahrzeuge hören. Sie zog sich einen Bademantel über und setzte sich mit einem Espresso ans Fenster. Die halbe Straße war voller Polizei- und Spurensicherungsfahrzeugen. Ihr Blick suchte sein Gesicht zwischen den ganzen Polizisten. Und dann sah sie ihn aus einem der Wagen steigen. Er sah übernächtigt aus und hatte sich seit einigen Tagen nicht rasiert. Er redete kurz mit einigen Kollegen und ging dann in den Laden. Sie wusste genau was er jetzt sehen würde. Auf einen der kleinen Bistrotische aus Edelstahl hatte sie mit dem Blut des Wirtes mit ihren Fingern die nächste Botschaft geschrieben. Sie würden jetzt Fingerabdrücke von ihr finden. Aber das war im Moment noch egal. Ihre Abdrücke waren nirgends registriert. Sie trank ihren, inzwischen kalt gewordenen Espresso und ging unter die Dusche. Sie hätte zu gern sein Gesicht gesehen wenn er die nächste Nachricht las. Sie ging davon aus, dass er bald vor ihrer Tür stehen würde.
In dem kleinen Café war der Geruch des inzwischen erstarrten Blutes so durchdringend, dass man ihn förmlich schmecken konnte. Kommissar Marc Tremel musste sich zwingen weiterzuatmen. Gott, an diesen Teil des Jobs sollte er sich eigentlich längst gewöhnt haben. Und doch fiel es ihm jedes Mal
wieder schwer. Einer der Spurensicherer, der neben der Leiche kniete, deutete mit dem Kopf in die Richtung eines kleinen Edelstahltisches. Er sah erst genau hin als er direkt vor dem Tisch stand. Was muss ich noch tun damit Du dich erinnerst? Die blutroten Buchstaben sprangen ihn förmlich an. Er zermarterte sich seit Tagen schon das Gehirn was mit diesen Botschaften gemeint war. Er schlief nicht mehr. Und wenn er doch kurz einnickte hatte er wirre Träume. Nach dem Aufwachen hatte er immer das Gefühl ihm wäre etwas entgangen. Aber es fiel ihm nicht ein. Er blieb noch einige Minuten vor dem Tisch stehen ohne jedoch an irgendetwas Bestimmtes zu denken. Mit einem Seufzer drehte er sich um und machte sich auf den Weg in sein Büro.
Es vergingen drei lange Tage in denen sie jedem Moment mit seinem Auftauchen rechnete. Aber er kam nicht. Es wurde wieder ruhig in der Straße. Nur die Absperrung um den Laden erinnerte alle noch an die grausige Tat, wie ihre Nachbarschaft es nannte. Die alten Damen hatten mal wieder etwas Aufregendes über das sie während ihrer nachmittäglichen Bridgerunde reden konnten. Sie konnte es sich förmlich vorstellen. Aber das war jetzt nicht ihr Problem. Sie konnte es nicht fassen aber er hatte sie wirklich komplett aus seinem Kopf verbannt. Gut es war schon lange her, aber sie hatte ihn nicht vergessen können. Bald würde es ihm wieder einfallen. Sie summte vor sich hin als sie die Vorbereitungen für ihren letzten Mord traf. Das Finale. Bald würde es vorbei sein. Und es würde anfangen.
Marc Tremel saß in seinem Büro und brütete über den Tatortfotos der letzten Morde. Er wusste er übersah etwas, aber ihm fiel nicht ein was es war. Er nahm jede Nachricht in die Hand und las sie das hundertste Mal. Anschließend sah er sich die Fotos der Umgebung an, die die Spurensicherung gemacht hatte. Auch keine neuen Erkenntnisse. Als er die Fotos des Cafés in die Hand nahm stutzte er. Irgendetwas kam ihm sehr bekannt vor. Er sah sich das Foto noch einmal ganz genau an. Dann fiel es ihm plötzlich ein. Er riss den Hörer vom Telefon und informierte seine Kollegen. Jetzt kam es auf jede Minute an. Es war fast einundzwanzig Uhr.
Um Zwanzig Uhr vierzehn verließ sie ihre Wohnung. Sie ging die Treppe hinunter zu ihrem Nachbarn der sie schon zweimal zum Essen einladen wollte. Sie hatte jedes Mal höflich aber bestimmt abgelehnt. Jetzt würde sie ihn mal überraschend besuchen. In ihrer Tasche hatte sie eine Gaspistole. Sie hatte Mal gelesen das man auch damit jemanden umbringen konnte wenn man nah genug an der Person stand. Sie würde es herausfinden. Außerdem hatte sie das Skalpell und ein Seil eingepackt. Mehr als erfreut öffnete er seine Haustür. Höflich bat er sie in die Wohnung und bot ihr etwas zu trinken an. Ein Wein ja, das wäre sehr nett. Er holte Gläser und Flasche und setzte sich neben sie auf die Couch. Ihre Finger waren klamm. Jetzt durfte sie keinen Fehler machen. Schnell Er war ganz konzentriert mit dem öffnen der Weinflasche beschäftigt. Der richtige Moment. Schnell zog sie den Gasrevolver aus der Tasche und hielt ihn gegen seine Stirn. Er erstarrte und hob die Hände. Aber das war egal. Sie drückte ab.
Es hatte geklappt. Ihre Ohren klingelten noch vom Knall des Schusses. Sie hielt sich ein Taschentuch vor das Gesicht um sich vor dem Tränengas zu schützen und öffnete rasch das Fenster. Es gab viel zu tun und sie musste sich beeilen. Die Nachbarn hatten sicher den Schuss gehört und würden die Polizei nach den Ereignissen im Café rufen. Aus toten Augen sah er gegen die Zimmerdecke. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war irgendwie erstaunt. Was sie jetzt zu tun hatte kostete sie Überwindung. Sie zog ihm sein T- Shirt aus. Dann wand sie das Seil um seinen Hals. Der Knoten würde hoffentlich halten. Das Skalpell durchschnitt die Haut seines Oberkörpers wie Butter. Von dem Geruch der aufstieg wurde ihr übel. Sie riss sich zusammen. Nur dieses eine Mal noch, sagte sie sich. Dann würde er es wissen. Unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft zog sie ihm zum offenen Fenster. Das Seil verknotete sie an der Leitung des Heizkörpers. Dann hievte sie ihn hoch. Er war schwer. Das Blut quoll aus der großen Schnittwunde und versaute des hellen Parkettboden. Noch ein letzter Schubs und er fiel aus dem Fenster. Das Seil hielt. Sie hatte das Mal in einem Krimi gelesen. Vor einigen Tagen war es ihr wieder eingefallen. Das perfekte Finale. Von der Straße her konnte sie jetzt die Sirenen der Polizei hören. Dann hörte sie den Aufschrei der Passanten. Der Wein war kalt und trocken. Nach einem großen Schluck setzte sie sich auf die Couch und wartete.
Die Streifenwagen jagten durch die abendlich vollen Straßen. Über Funk hörten sie den Einsatzbefehl. Es war die Straße. Sie würden zu spät kommen. Seine Erinnerung war ein paar Stunden zu spät gekommen um einen weiteren Mord zu verhindern. Seine Schuld. Mit quietschenden Reifen kamen sie vor dem Haus zum stehen. Schon aus dem Auto konnten sie es sehen. Auf dem Gehweg hatte sich eine riesige Blutlache gebildet. Die Hauswand zierte ein bizarres Muster aus roten Tropfen. Die Gaffer waren schon da. Nicht mehr lange und die Presse würde auch auftauchen. Das hier war ein gefundenes Fressen für sie. Wenn dann auch noch der Rest der Geschichte an den Tag kommen würde wäre seine Karriere sicher vorbei. Aber daran konnte er jetzt noch nicht denken. Im Laufschritt rannten sie die Stufen zum dritten Stock. Die Tür zur Wohnung war nur angelehnt. Mit gezogener Waffe ging er mit zwei Kollegen rein.
Sie saß auf der Couch. In der Hand ein Glas Wein. Auf dem Tisch vor ihr lagen ein Gasrevolver und ein blutiges Skalpell. Vorsichtig machte Marc einige Schritte auf sie zu. Wenn er nicht gewusst hätte wer ihn hier erwartete hätte er sie nicht erkannt. Eine Schönheit. Langes rotblondes Haar. Eine klasse Figur, geschmackvolle Kleidung. Von der grauen Maus aus seiner Erinnerung hatte sie nichts mehr gemeinsam. Mit einem Lächeln stellte sie das Glas ab. Er überließ seinen Kollegen die Formalitäten ihrer Verhaftung. Als sie in Handschellen an ihm vorbeigeführt wurde roch er ihr teures Parfum. Das hatte sie sich bewahrt. Es war der gleiche Duft wie damals. Als sie sich kennenlernten stand er kurz vor seiner Hochzeit. Sie wohnte neben ihnen und hatte es auf Marc abgesehen. Er wies sie ab. Höflich aber bestimmt. An die Szene, die sie ihm machte dachte er noch lange. Aber irgendwann war sie dann einfach aus seinem Kopf verschwunden. Bis heute. Jetzt konnte er sich auch wieder an das erinnern dass sie zuletzt zu ihm sagte. Eines Tages Marc wirst Du dich an mich erinnern. Und dann wirst du mich niemals wieder vergessen. Sie hatte Recht behalten. An das hier würde er für den Rest seines Lebens denken.



Eingereicht am 14. Mai 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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