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Die Handschuhe

© Gregor Eder


Es hätte ein wirklich schöner Tag werden können, wenn nicht jemand auf die Idee gekommen wäre, einen Mord zu begehen. Nicht, dass mir solche Anwandlungen neu sind, verdammt, Menschen bringen sich seit Jahrhunderten gegenseitig um, aber dass es ausgerechnet an diesem einen Tag sein musste, am einzigen Tag, an dem ich keinerlei andere Verpflichtungen hatte. Na ja, was soll's, spielen wir halt eine Runde Fang-den-Mörder und helfen diesem Detektiv dabei, seinen neuesten Fall zu lösen.
Dieser Detektiv mit Namen Franz Lehrer hatte mich zwangsrekrutiert. Und das nur, weil ich schon einmal bei einem Mordfall mitgearbeitet habe. Der Witz an der Sache ist..... aber nein, davon lieber später. Auf jeden Fall stehe ich nun mit dem angesehenen Ermittler in einem der Büros der Universität und lasse meinen Blick über das Opfer wandern. Professorin, einen Doktortitel in Mittelhochdeutsch, was auch immer das bringen soll, und nun ziemlich tot.
Jemand hatte ihr sprichwörtlich die Kehle durchgeschnitten und zwar höchst professionell. Sehr professionell, denn das Blut, das aus ihrer Kehle gespritzt war, hatte alles Mögliche getroffen, nur augenscheinlich den Mörder nicht zu einem Fehler veranlasst. Denn die rote Schicht war durchgehend über Boden, Regale und Wand verteilt und keine einzige Spur war darin zu sehen. Weder Fußabdrücke, noch eine Stelle, an der etwas hätte stehen können um dadurch den Bereich dahinter vor dem Blutregen zu schützen.
"Gibt es schon Verdächtige?" wollte Lehrer nun von dem Sekretär wissen, der ihn angerufen hatte. Dieser nickte nur und forderte uns dann auf, ihm zu folgen. Ein glücklicher Umstand hatte dazu geführt, dass der Halbstock mit den Büros zur Tatzeit nur einen Eingang besessen hatte und dieser praktischerweise von einem unglücklich platzierten Wagen der Putzfrauen blockiert wurde. Somit gab es im großen und ganzen nur vier mögliche Täter, zählte man den Sekretär, der die Leiche gefunden hatte, nicht mit.
Inzwischen war jedoch zumindest sicher, dass er es nicht gewesen sein konnte. Zuerst hatte er ein recht gutes Verhältnis zur Professorin, doch viel wichtiger war der Umstand, dass er sich den rechten Unterarm gebrochen hatte. Also war er als geborener Rechtshänder dementsprechend gehandicapt und weitere Zweifel wurden dadurch ausgeräumt, dass sowohl seine Kleidung, als auch der weiße Gips relativ sauber waren und keinen einzigen Blutfleck aufwiesen.
Damit kommen wir also zu dem verfügbaren Quartett. Der Sekretär führte uns in einen nahen Seminarraum, in dem die vier warteten. Julia Hofer und Martin Steinberger, beides Studenten, sowie Frau Makelski, eine recht typische Putzfrau und schließlich noch Herr Ernst Hartmann, Professor, genau wie die Verstorbene. Alle vier wirkten mehr oder minder geschockt bzw. teilnahmslos, was die Aufgabe für den guten Herrn Lehrer und mich nicht gerade vereinfachte. Einen Mörder fand man am leichtesten, wenn man die Reaktionen der Leute beobachtete und ihnen, logischerweise, Fragen stellte. Und an diese aussichtsreiche Aufgabe machte sich der gute Detektiv nun, während ich die Aufgabe übertragen bekam, als Gefühlsbarometer zu fungieren. Mit anderen Worten sollte ich stumm daneben stehen und mir ansehen, wer sich wie verhielt. Nicht gerade die einfachste und sicherste Art eines Lügendetektors, aber was besseres stand uns nicht zur Verfügung und schließlich hatten schon Generationen von Ermittlern diese simple Methode angewandt, um Ergebnisse zu bekommen.
Die Befragung war komischerweise recht kurz, ich dachte wohl der gute Detektiv gäbe sich mehr Mühe, doch es reichte aus, ein paar Ungereimtheiten zu finden. Z.b. konnte niemand bezeugen wo sich der gute Herr Ernst befunden hatte oder wohin der Pullover von Frau Hofer gekommen war. Gedanklich unterstrich ich die beiden auf der Liste der Verdächtigen und folgte dann Lehrer zurück auf den Gang. "Was meinen sie?" wollte er dort von mir wissen, während er in seiner Manteltasche nach einer Packung Zigaretten fischte.
Bevor er eine herausholen konnte, tippte ich leicht seinen Arm an: "Rauchen ist hier drinnen verboten. Und ich dachte mir schon fast, dass sie meine Meinung interessiert. Am ehesten sind wohl Hofer und Ernst verdächtig. Die Putzfrau können wir mit ziemlicher Sicherheit ausschließen, es sei denn es war eine spontane Tat. Und danach sah es beim besten Willen nicht aus." "Und dieser zweite Student? Herr ... Herr?" "Steinberger" half ich ihm aus, während ich einen Kaugummi aus der Tasche holte und ihm anbot: "Er hat keinen Bezug zu der guten Frau Professor. Sie haben doch selbst alle befragt nicht?" "Ja, ja das stimmt" erwiderte Lehrer und seufzt leise: "Hofer wollte einen Test nachmachen. Einen wichtigen, so wie es aussieht. Wenn sie eine negative Note gehabt hätte, wäre ihr wohl ihr gut durchdachter Studienplan ins Wanken geraten. Keine schöne Aussicht, wenn man fertig werden will und schon was vorhat." "Ganz recht" stimmte ich zu und wartete. Zwar hab ich den Anstoß gegeben, aber besser der große Detektiv kommt selbst drauf, auch wenn es ein wenig länger dauert. "Und Ernst" beginnt dieser nun und lässt mich in voller Lautstärke an seinen Gedanken teilhaben: "Der wollte wohl auf den Platz der Toten. Gibt ein genauso gutes Motiv ab wie bei der Studentin." Na großartig, Herr Detektiv hat ein paar gute Überlegungen, hoffentlich kann ich die in die passenden Bahnen lenken. "Dann sollten wir vielleicht die Tasche von Frau Hofer und das Büro des Professors nach der Mordwaffe durchsuchen" schlage ich deshalb vor und sehe zufrieden, wie Lehrer nur zu gerne zustimmt.
Das Büro ist kleiner, als das der Ermordeten und weitaus weniger Bücher füllen die Regale an den Wänden. Stattdessen finden wir mehr von dem üblichen Kram. Disketten, Aktenordner, Hausaufgaben und Notizen. Sehr viele Notizen, die meisten davon in einer sehr, sehr unleserlichen Handschrift geschrieben. `Nichts für ungut Kumpel` denke ich bei mir: `Aber wie kann jemand mit so einer Sauklaue nur Professor werden.` Halt nein, vermutlich ist das Voraussetzung, um als jemand mit höherer Bildung zu zählen, denn immerhin haben Ärzte ja auch das Talent, so zu schreiben, dass nur sie selbst wissen, was sie da von sich gegeben haben und manchmal noch nicht mal das. Wir werden nicht fündig und das obwohl ich doch mehr als deutlich ...
nein, lassen wir das. Wenden wir uns Möglichkeit zwei zu, damit der Herr Detektiv vielleicht doch noch einen Geistesblitz hat.
Nun ist also die Tasche von Frau Hofer fällig. Ein Machtwort des großen Herrn Lehrer reicht, und sie händigt uns diese aus. Zigaretten, ein Block, zwei Bücher, Kugelschreiber, Lippenstift. Ich muss wohl nicht alles aufzählen, was wir in der Tasche dieser Frau gefunden haben. Kurz gesagt, das Meiste zählte zur Kategorie Frauenkram und eignete sich nicht wirklich als Mordwaffe. Und falls doch, nicht zu einer solchen Waffe, auf dessen Suche wir gerade waren. Schließlich bekam Herr Lehrer eine kurze Krise, die ich mit einer wohl gemeinten Bemerkung und dem Hinweis, sich noch einmal in Herrn Ernst`s Büro umzusehen überwinden konnte. Also durchsuchten wir noch einmal die Räumlichkeiten des geschätzten Professors und siehe da, wir wurden endlich fündig. Ein Brieföffner, lang, scharf, blutbefleckt, kurz gesagt, die Mordwaffe. Gut versteckt an der Unterseite einer Lade, doch dem Herren Meisterdetektiv ist es, mit einem klitzekleinen Hinweis von mir, aufgefallen, dass sich die entsprechende Lade etwas strenger öffnen ließ, als üblich.
Das Motiv wurde uns dann, sogar zu meiner ehrlichen Überraschung, nachträglich auf dem Silbertablett serviert. Ein Zeitungsbericht, tief vergraben unter einem Haufen von Ordnern in der untersten Schreibtischlade.
Der Artikel war lang, die Hälfte der Worte selbst beim vereinten Wissensstand von Lehrer und mir kaum zu verstehen und dennoch, das Motiv war eindeutig. Professor Ernst war in ernsten Schwierigkeiten gewesen, was für ein Witz. Das Opfer hatte in einem Interview anklingen lassen, Beweise gefunden zu haben, die seine letzten Arbeiten mehr als zunichte gemacht hätten. Genauer gesagt, wäre sein letztes Buch nur noch als Klopapier oder zum Anheizen von Öfen verwendet worden und gewisse finanzielle Vergünstigungen wären den Bach hinunter gegangen. Herrlich, Motiv, Mordwaffe, Opfer tja und was das Beste ist, der Täter.
Nachdem nun die Polizei ebenfalls eingetroffen war, teilte ihnen der Herr Detektiv seine Ergebnisse mit, was mir ganz recht war. Ich wollte gar nicht im Rampenlicht stehen, das sein Ermittlungserfolg zweifellos nach sich ziehen würde. Eine Ehrung der Universitätsleitung oder was weiß ich, was sie sich für einen Schwachsinn für ihn ausgedacht haben.
Nun stehen wir beide vor dem Haupteingang der Universität und blicken dem Polizeiauto hinterher, das unseren Täter mitgenommen hat. Es ist kalt und Lehrer wickelt sich in seinen Mantel, während er nun endlich eine Zigarette zwischen die Lippen klemmt und nach seinem Feuerzeug sucht. Ich helfe ihm aus, reiße ein Streichholz an und gebe zuerst ihm und dann mir selbst Feuer. "Gute Arbeit, da springt sicher einiges für sie raus" beginne ich und ernte ein zustimmendes Nicken: "Ja, das glaube ich auch. Eine kleine Anerkennung, ein Bericht in der Zeitung und es wird sich rasend schnell verbreiten, dass ich den Mörder schon entdeckt habe." "Na dann gratuliere ich ihnen" erwidere ich, während ich in meiner Jackentasche krame und dann ein schmales, verziertes Ding hervor hole, das verdächtig Ähnlichkeit mit einem Messergriff hat. Ein kleiner Schalter ist unter der verschnörkelten Parierstange angebracht und als ich ihn nach oben drücke, springt eine zweischneidige Klinge hervor. "Was ist das?" will Lehrer wissen und ich gebe ihm das Messer. Verwirrt und neugierig begutachtete er das gute Stück, doch dann bleibt sein Blick an der Klinge haften. Sie sah nicht nur auf den ersten Blick, sondern auch bei genauerer Betrachtung der gefunden Mordwaffe täuschend ähnlich und eine hauchdünne Schicht getrockneten Blutes klebt an der einen Seite. Ich kann regelrecht hören, wie es im Gehirn des Detektivs rattert und klickt. "Sie" seine Lippen beben und er hebt die freie Hand:
"Ich werde .." "Was werden sie?" frage ich grinsend und hebe meine behandschuhte Hand. Jetzt fällt es ihm auf und ich sehe den Schock auf seinem Gesicht. Ich habe die ganze Zeit über Handschuhe getragen. Kein einziger Fingerabdruck von mir befindet sich am Tatort, an der Waffe, die er so sorglos mit seinen eigenen Spuren versehen hat und es gibt keinerlei Beweis, dass ich etwas mit dem Mord zu tun habe. Im Gegenteil, die einzigen Augenzeugen werden berichten, wie selbstlos ich geholfen habe, den Mörder zu finden.
Den falschen Mörder, tja Herr Detektiv, was nun? Jeder kennt jetzt die Wahrheit und jeder weiß, wie eindeutig die Beweislast bei dem Täter liegt.
Dem Täter, den der hervorragende und bekannte Detektiv mit messerscharfem Verstand ermittelt hat.



Eingereicht am 02. Dezember 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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