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Gruselgeschichten

Der Füllfederhalter des Grauens
Gruselgeschichten
Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-939937-05-0

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Verlags.

Schuld oder Unschuld, das ist hier die Frage

© Johanna Koch

Der Regen prasselte laut gegen das verschlossene Fenster, irgendjemand rannte polternd am Haus vorbei, die Treppe am Ende des Flurs ächzte unter den Schritten eines Unsichtbaren ... und es war mal wieder die alte Leier: Mit fest geschlossenen Augen lag Jana in ihrem Bett, wälzte sich hin und her - und konnte nicht einschlafen. Normalerweise wirkte das Geräusch von Regen beruhigend auf sie, aber heute schien sich selbst das kalte Nass gegen sie verschworen zu Haben. Kein Wunder eigentlich. Schließlich war es Freitag der 13. Leise fluchend kam die junge Frau auf die Beine. Laut eines Ratgebers war es am besten, wenn man eine Weile lang etwas anderes tat. Dann würde man besser schlafen. Gut, vielleicht war es jetzt einfach an der Zeit, das auszuprobieren. Schlimmer konnte es eh nicht werden.

Barfuß tappte sie durch die Wohnung und in das Wohnzimmer, wo sie leise Musik andrehte. Ihre Mitbewohnerin hatte zwar gemeint, sie würde außerhalb übernachten, aber darauf verließ sich Jana nicht. Schon oft genug war sie dann doch abends zurückgekommen. Da war es besser, allgemein nicht zu viel Lärm zu Machen. Das gab dann immerhin auch niemand anderem einen Grund, sich zu Beschweren. Schließlich begab sie sich in die Küche, durchstöberte einen der Hängeschränke. Kein Tee mehr da. Nun gut, ein Glas Wasser würde es auch tun.

Mit dem Glas in der Hand kehrte sie ins Wohnzimmer zurück. Sie hatte das Licht aus gelassen, und hatte dadurch freie Sicht auf das Geschehen unten auf der Straße. Jedenfalls hätte sie das gehabt, wäre da etwas passiert. Nur tat es das nicht. Die Straße lag verlassen da, und außer ein paar blinkenden Neonreklamen bewegte sich nichts. Beinahe hätte sie sich schon wieder abgewandt, als sie aus dem Augenwinkel plötzlich eine Bewegung wahrnahm: Eine Frau, nicht viel älter als sie selbst, schlenderte die Straße entlang. Nichts Besonderes - eigentlich. Das irritierende an der Sache war eher das Auto, das nur wenige Meter hinter der Frau entlangfuhr...und immer langsamer wurde. Keine Minute später hielt es ganz an, und eine kräftig gebaute Gestalt sprang hinaus. Jana konnte in der Dunkelheit nicht viel Erkennen, doch von der Statur her schien es ein Mann zu Sein. Lautlos öffnete sie das Wohnzimmerfenster eine Handbreit. Ihre Neugierde war geweckt.

Die junge Frau ließ sich durch den ungeladenen Gast jedoch nicht aus der Fassung bringen. Sie ignorierte ihn einfach, und lief weiter. Überrascht blieb die Gestalt stehen. Wahrscheinlich hatte sie mit einem Angstschrei oder einer panischen Flucht gerechnet. Mit einer aufregenden Verfolgungsjagd, vielleicht. Aber nichts dergleichen geschah. Und plötzlich passierte alles ganz schnell: der Mann hechtete auf die Frau zu, hielt sie mit der linken Hand fest während er mit der rechten Hand etwas aus seiner Manteltasche holte. Ein länglicher Gegenstand, der im Schein der Neonreklamen leicht glänzte. Ungläubig sah Jana zu, wie die Frau erstarrte. Vor Angst, da war sie sich sicher. Denn es konnte sich hier nur um einen Überfall handeln. Oder vielleicht sogar eine Entführung? Klar war, dass der Mann eine Waffe hatte. Und die Frau würde nicht schreien. Nein, nicht wenn sie eine Pistole gegen den Rücken gedrückt bekam - zumindest dachte das Jana. Aber es sah ganz so aus, als hätte sie sich geirrt. Denn plötzlich drang ein Schrei zu ihr hoch. "Hilfe!", rief die junge Frau. Weiter kam sie allerdings nicht, denn der Mann presste ihr die Hand auf den Mund.

Beinahe wäre Jana gegangen. Das sagte sie sich jedenfalls immer, wenn sie später darüber nachdachte. Beinahe. Doch dann sah sie Bilder vor sich, Bilder wie sie in einer Blutlache auf der Straße lag, oder wie sie zusammen mit der anderen Frau in dem Kofferraum des Wagens saß, und um ihr Leben bangte... Nein, es war zu gefährlich. Was sollte sie schon ausrichten, wenn der Mann eine Waffe hatte? Und so wartete sie, beobachtete, wie die Frau gezwungen wurde, in das Auto zu Steigen, und der Wagen Sekunden später auch schon davon brauste. Die Straße lag still da...ganz als wäre nichts gewesen.

Janas Hände zitterten, als sie das Fenster wieder schloss. Ihr Blick wanderte zum Telefon herüber, doch ihre Beine wollten sie nicht bis dorthin tragen. In der Wohnung war es ganz kalt geworden, und auf dem Fensterbrett bildete sich eine kleine Pfütze. Langsam rührte sie sich wieder, wischte das Wasser weg, schaltete die Musik aus. Sie wusste, dass sie eigentlich die Polizei rufen musste. Aber was sollte sie denen schon sagen? Sie hatte ja nicht mal das Kennzeichnen erkennen können. Am Ende hielten die das alles nur für einen Witz. So was gab es schließlich häufig. Jugendliche, die sich einen Spaß daraus machten, der Polizei von ausgedachten Morden und niemals stattgefundenen Entführungen zu erzählen. Sie hatte einfach keinen einzigen Anhaltspunkt. Die Polizei würde dann sowieso nichts machen können. Wozu sich also die ganze Mühe machen?

Jana rief die Polizei nicht an. Stattdessen ging sie zurück in ihr Bett und schlief auch bald ein. Als sie später aufwachte, tat sie ihr bestes, die ganze Sache einfach zu Vergessen: mit Erfolg. Sie erfuhr nicht, dass einer ihrer Nachbarn die Polizei angerufen hatte und eine Beschreibung des Wagens, des Täters und des Opfers abgegeben hatte. Sie erfuhr nicht von der Leiche, die man ein paar Tage später aus dem Main zog. Sie lebte ihr Leben ganz normal weiter... bis etwa eine Woche danach ein Brief bei ihr ankam. Es ging um ihre Kusine Natalie: verstorben an Freitag dem 13. dieses Jahres.

Eingereicht am
09. August 2007

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