"Dreimal darfst du raten", säuselte Bolle und schaute Sylvia so verliebt wie er nur konnte in die glänzenden Augen. Die hübsche junge Frau fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und grinste süffisant.
"Ein Ring mit schönen, funkelnden Diamanten ...", hauchte sie, und ihre Stimme schmachtete wie die von Marilyn Monroe. Sie nahm einen kräftigen Schluck von dem Whisky, den er ihr gerade eingeschenkt hatte.
"Nö!"
"Eine Halskette mit richtig echten Perlen ...?" Sie gurrte wie eine liebeskranke Taube und nahm noch einen Schluck. Bolle griente. Er war zufrieden.
"Nö, nö!"
"Eine ... ehhh ... was iss ...ehhh ... iss mit mir los? ... ahhh... Hilfe! Hil..." Sylvias Stimme verlor sich in einem Krächzen und Röcheln. Sie riss die Augen weit auf und fasste sich an den Hals. Würgte und keuchte. Kippte dann langsam, wie in Zeitlupe, aus ihrem Sessel. Ihr Körper krampfte einmal ... zweimal. Dann streckte er sich zitternd. Die junge Frau gab kein Lebenszeichen mehr von sich.
Bolle lachte laut: "Nö, nö, nö ... leider, leider Pech gehabt!"
*
Johann Arne Vermeer hatte Vivaldis "Vier Jahreszeiten" aufgelegt. Der Frühling perlte aus den Lautsprechern und schickte sich an, in seinem Büro eine vergnügliche Atmosphäre zu schaffen. Vermeer machte es sich bequem in seinem spezialgefertigten weichen Ledersessel und legte gerade entspannt die Füße hoch, als sich Besuch ankündigte.
"Ein Herr Fred Bollmann ist da und lässt sich partout nicht abweisen", meldete seine Empfangsdame Frau Oswald am Telefon in ihrer gewohnt unterkühlten Art. "Er tut so aufgeregt als ginge es um Leben und Tod."
"Bolle gibt sich die Ehre", dachte der alte Herr, seufzte bedauernd und schaltete die Musikanlage mit der Fernbedienung wieder aus. "Schon gut, schon gut, herein mit ihm!", sagte er resigniert ins Telefon, setzte die Füße wieder ab und nahm Haltung an.
Es dauerte nur einige Sekunden, da stand Bolle vor ihm. Breitbeinig und schweratmig, knollennasig und mit diesem ausgesprochen dümmlichen Grinsen, das Vermeer schon abgestoßen hatte, als er ihn das erste Mal gesehen hatte. Mit einer ausladenden Bewegung legte Bolle der Killer eine Polaroid-Fotografie auf den Schreibtisch. Dann trat er wieder zurück, verschränkte seine Arme und grinste linkisch.
"Auftrag ausgeführt, Chef. Das Gift, das Sie mir gegeben haben - wirklich erste Sahne. Die Alte war sofort alle und hinüber. Liegt jetzt im Hotel "Love Paradies" und steht nie wieder auf. Hab' mich da ganz schnell aus'm Staub gemacht!" Sein meckerndes Lachen erfüllte misstönend den Raum und verwischte brutal die letzten Spuren von Vivaldis fröhlicher Komposition. Dann verstummte Bolle und suchte unsicher den Blick Vermeers, konnte ihn aber nicht finden, denn der alte Herr hatte sich inzwischen erhoben, wandte ihm den Rücken zu und starrte aus dem Fenster. Plötzlich aber drehte er sich um und deutete auf das Foto.
"Und das soll der Beweis sein!?" Vermeers Augen blitzten, und er bediente sich eines eiskalten Tonfalls, der jeden General hätte Haltung annehmen und jede Schlacht vergessen lassen. Bolle verkrampfte, verlor jede Lockerheit, wurde absolut unsicher.
"Chef, ich bin Profi", sagte er mit rauer Stimme, nachdem er tief Luft geholt hatte, "und mein Wort gilt absolut. Das wissen alle, die meine Dienste in Anspruch nehmen." Bolle straffte angestrengt die Schultern und versuchte Selbstsicherheit zu demonstrieren. Aber irgendwie war er auch beleidigt.
"Denken Sie an den Fall Edelgard Coccioli!", schnaubte er. "Vielleicht haben Sie auch von Evi von Graffingen gehört. Oder wie war das mit dem Staatssekretär Grallmann? Alle habe ich erledigt. Präzise. Eiskalt. Ohne Probleme. Bis heute ist nichts herausgekommen! Und es wird niemals etwas herauskommen!" Er schob die Brust nach vorn. "Ich bin der Beste auf dem Markt!", ereiferte er sich, "und deswegen bitte ich jetzt entschieden um den Rest der Kohle!" Seine Selbstsicherheit war definitiv zurückgekehrt.
"Nun gut, nun gut", sagte Johann Arne Vermeer beschwichtigend und wandte sich dem Killer zu, "warten Sie einen Augenblick." Er ging zu seinem Schreibtisch und drückte einen Knopf auf der Unterseite der Schreibplatte.
Die große, lederbeschlagene Tür öffnete sich und eine junge Frau betrat das Zimmer. Bolle erstarrte, sein Kiefer klappte herunter.
Das war ganz eindeutig Sylvia. Sylvia in voller Schönheit. Wieso war diese Frau nicht tot? Wie kam sie jetzt in dieses Zimmer?
"Darf ich vorstellen", sagte Vermeer förmlich, "meine Tochter Sylvia, Sylvia Vermeer. Sie ist Ermittlerin bei der Kriminalpolizei. Sie bat mich lediglich um einen kleinen Gefallen." Mit einem leichten Lächeln setzte er hinzu: "Gerne habe ich ihr diesen Gefallen natürlich nicht getan. Und ich tat es nur, weil ich weiß, dass sie eine exzellente Schauspielerin ist."
Bolle glaubte irre zu werden.
"Seit Jahren bin ich hinter dir her, Bolle", sagte Sylvia Vermeer. In ihrer Stimme schwang eine tiefe Genugtuung. "Und dir war ja wirklich nie etwas nachzuweisen. Aber das hat sich ja nun heute grundlegend geändert."
"Ach ja ...", ergänzte der alte Vermeer, "...Traubenzucker im Whisky ... es schmeckt zwar nicht, richtet aber auch nicht unbedingt Schaden an."
Bolles Augen wanderten ungläubig hin und her. Es war ja nicht so, dass er sich weigerte, das alles zu verstehen. Er konnte es einfach nicht. Doch endlich fand er seine Stimme wieder.
"W... w... was machst du denn hier?", stammelte er entgeistert.
Die junge Frau lächtelte: "Dreimal darfst du raten ..."
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