Alfred Ledermann, Hauptkommissar bei der Kriminalpolizei, überflog wie jeden Morgen die Regional Post.
„Der König ist tot – Es lebe der König!“, stand in dicken Lettern über dem Foto eines vierschrötigen Mannes mit einem Kranz aus Würsten um den Hals.
„Hoch lebe der Blutwurstkönig Egon I.! Bereits zum zweiten Mal ist der Metzgermeister und Gastwirt aus Strassl zum Blutwurstkönig gewählt worden. Sein Rezept für die hervorragende Blutwurst …“
Mein Gott, die Leute haben Sorgen! Seufzend warf Ledermann die Zeitung seinem Kollegen Bruno Schnapp auf den Tisch und machte er sich an tägliche Arbeit. Später sollte er es bereuen, die Zeitung nicht ausgiebiger studiert zu haben.
In dem Dörfchen Strassl ging derweilen alles seinen gewohnten Gang. Der Kleinbauer, Gastwirt und Metzgermeister Egon Feist schlachtete an jedem Dienstag. Erst hörten die Dörfler ein Schwein in Todesangst quieken, dann das kurze, trockene Plopp des Bolzenschussapparates und danach trat Egon aus der offenen Tür des Schlachthauses auf den Hof, um eine Zigarette zu rauchen. Seit Jahren war das so, und war das Quieken des Schweins verstummt, setzten die Hausfrauen einen Topf mit Sauerkraut auf den Herd, denn es würde mittags frische Blutwurst mit Kraut geben.
Auch Annemarie, Egons Eheweib, stellte dann das Sauerkraut auf, heizte den Wurstkessel an und rüstete alles für einen hektischen Tag in der kleinen Gaststätte. Dienstags gab es Schlachtschüssel beim Feist und das war weit im Umkreis bekannt.
Hilfe an den Schlachttagen bekam Egon von Willi Windheim, einem Herumtreiber ohne feste Anstellung. Der Annemarie ging Dorothee, die Tochter der Witwe Marga Lauscher, zu Hand. Dorothee war jung, hübsch und fröhlich, und Egons Ehefrau stand neidisch und misslaunig in Dunst und Hitze am Wurstkessel, während Dorothee in der Wirtsstube kicherte und gickelte. Dorothees Freund, den Jung-Metzger Frieder Sauer aus der Stadt, plagte an diesen fröhlichen Dienstagen die Eifersucht und obendrein quälte ihn der Neid auf Egon. Wegen der Blutwurst. Die Dorfbewohner liebten diese kleinen Dramen, die allwöchentlich die Blutwürste würzten und das Kraut abschmeckten. Das schwere Dunkle, das reichlich floss, ließ die Geschichtchen und Vermutungen in den Hirnen blubbern wie die Würste in der Metzelsuppe.
Wieder war Dienstag, wieder quiekte ein Schwein. Es machte das bekannte Plopp, und Erna Wiesel setzte den Sauerkrauttopf auf den Herd. Dann aber war plötzlich alles anders. Vom Fenster aus sah sie, wie ein Schwein aus dem Schlachthaus schoss, über den Hof rannte und sich auf der Dorfstraße davonmachte. Gleichzeitig hörte sie, wie Egons Auto startete und schon kam es um die Ecke geschossen. Doch wohin fuhr der Egon und warum trug er eine Sonnenbrille? Ohne auf das Schwein zu achten, raste der Metzger mit quietschenden Reifen aus dem Dorf hinaus Richtung Kreisstadt. Erna Wiesel zog das Kraut vom Herd und rannte zur Nachbarin Lauscher.
„Marga, ist deine Dorothee daheim?“, rief sie schon von Weitem. „Sie soll doch mal rüberschauen zum Egon. Irgendwas stimmt da nicht.“
„Was soll denn sein?“, fragte Dorothee, die mit ihrer Mutter an die Türe kam. „Es ist doch alles wie jeden Dienstag. Wenn ich jetzt rüber geh und den Egon beim Ausbluten und Zurichten der Sau störe, dann ist er mit Recht sauer auf mich.“
Eindringlich fasste Erna Wiesel die Dorothee am Arm.
„Es ist eben nicht alles wie immer. Das Schwein ist abgehauen und der Egon ist mit einer Sonnenbrille auf der Nase im Auto weggefahren. Aber nicht dem Schwein hinterher, sondern in Richtung zur Stadt.“
Nachdem auch Marga Lauscher schnell das Sauerkraut vom Herd gezogen hatte mit den Worten „Heut gibt’s dann wohl keine frische Blutwurst“, erklärte sich Dorothee bereit, ins Schlachthaus hinüber zu gehen. Das mit der Sonnenbrille fand auch sie ungewöhnlich.
Marga und Erna sahen der Dorothee hinterher, wie sie über den Hof zum Schlachthaus ging. Die Türe stand weit offen wie immer, wenn Egon schlachtete. Dorothee verschwand in dem Gebäude – und dann ertönte ein gellender Schrei.
Erna fasste Marga am Ellbogen. „Los, komm! Da ist was passiert!“
Gemeinsam rannten sie über den Hof zum Schlachthaus. Im trüben Licht einer nackten Glühbirne stand schreckensbleich die Dorothee. Sie presste sich die Hand vor den Mund und deutete stumm in die dunkle Ecke hinter dem offenen Türflügel. Dort lag Egon unter dem gerahmten Spruch „Das Ende des Schweins ist der Anfang der Blutwurst“. Egon lag auf dem Rücken und in seiner linken Schläfe klaffte ein Loch, aus dem ein wenig Blut sickerte. Mit seiner rechten Hand umklammerte er das Bolzenschussgerät.
Die beiden Frauen standen starr neben der Dorothee, die zu schluchzen begann. Als sie endlich begriffen, dass Egon tot war, begannen Erna und Marga zu schreien.
„He, was ist denn da los?“ Willi Windheim kam aus der Wirtsstube gerannt. „Was plärrt ihr denn so?“
Dann sah er Egon.
„Ach, du mein Schreck! Und die Annemarie ist nicht da. Die ist wie der Teufel mit dem Auto abgehauen, nachdem sich die beiden gestritten hatten.“
Er zückte sein Handy und rief die Polizei. Er nickte, sagte: „Zu Diensten, der Herr“, und dann zu den Frauen: „Ihr sollt nichts anfassen und die Türe abschließen. Später brauchen euch die Kriminaler als Zeugen.“
„Der spielt sich was auf.“ Empört vor sich hinredend ging die Wiesel hinüber in ihr Haus. „Hat nix, tut nix und hockt bloß im Wirtshaus. Tät mich nicht wundern, wenn der was mit der Sache zu tun hat.“
Marga und Dorothee versperrten die Schlachthaustür und Willi Windheim postierte sich vor dem Haus. Er genoss seine Rolle, spielte sich gerne vor den einfachen Dörflern auf. Endlich kamen die Kriminalbeamten.
„Was treiben Sie sich hier herum“, herrschte ihn Bruno Schnapp an. „Wer sind Sie überhaupt?“
Willi machte eine ironische Verbeugung und sagte gedehnt: „Willi Windheim, zu Diensten. Ich bewache die Türe, damit kein Ungebetener hereinkommt. Wie Sie mir am Telefon befohlen haben.“
„Gut, wir sprechen uns noch, Herr Windheim. Ach, wo wohnen Sie eigentlich?“
„Mal hier, mal da.“
„Und hier?“
„Hier helfe ich manchmal aus.“
Er führte die Beamten durch den Flur nach hinten in die Schlachtkammer. Dort war es dämmrig. Die von Fliegen umsummte Glühbirne schickte ihr mattes Licht auf den gerahmten Spruch an der Wand.
Ledermann las: „Das Ende des Schweins ist der Anfang der Blutwurst“, und Willi sagte: „Das hat er anlässlich seiner Wahl zum Blutwurstkönig bekommen. Stand ja in der Zeitung.“
Inzwischen hatten sich die Augen der Beamten an das Dämmerlicht gewöhnt und sie sahen die Gestalt in der Ecke hinter der offenen Tür liegen.
„Der König ist tot – es lebe der König!“ Windheim zitierte mit Theatralik.
„Was haben Sie da gesagt?“
„Stand in der Zeitung. Wie’s halt so laufen kann, wenn ein König stirbt. Auch wenn es nur ein Blutwurstkönig ist.“
„Und wer ist der neue König?“
„Nun, ich nehme an, dass der Zweitplazierte aufrücken wird.“
„Und wer ist der Zweitplazierte?“
„Das ist der Verlobte von der Dorothee.“
„Name?“
„Frieder Sauer.“
„Adresse?“
„Die weiß ich nicht, da müssen Sie schon die Dorothee fragen.“
„Und wer ist diese Dorothee?“
„Die hilft hier genau wie ich an Schlachttagen aus. Sie hat den Egon gefunden.“
„Ist der Metzger nicht verheiratet?“
„Doch. Mit der Annemarie. Aber die ist heut früh weggefahren. Sie hatte sich mit dem Egon gestritten.“
„Sie wissen doch sicher, wo diese Dorothee wohnt – könnten Sie sie holen?“
„Zu Diensten, mein Herr“, sagte der Windheim mit einer Verbeugung. Das war ein Tag nach seinem Geschmack. Ein paar Intrigen spinnen, ein paar Verdächtigungen fallen lassen; er würde seine spezielle Würze schon in diese Metzelsuppe mixen.
Mit Erna Wiesel, Marga Lauscher und der Dorothee im Schlepptau kam er zurück in die Gastwirtschaft.
Inzwischen hatten die Kriminalbeamten im Schlachthaus mit der Spurensicherung begonnen. Ein Selbstmord war bereits ausgeschlossen worden. Egon hielt das Bolzenschussgerät in der rechten Hand, die tödliche Wunde aber befand sich an der linken Schläfe. Es war entweder ein Unglücksfall unter Beteiligung einer zweiten Person oder es war Mord.
Nach einem ersten Überblick kamen für Ledermann sechs Personen als Täter in Frage: die Ehefrau Annemarie, nach der nun gefahndet wurde, der Gelegenheitsarbeiter und Wichtigtuer Willi Windheim, die Aushilfskraft Dorothee Lauscher und ihr Verlobter der Jungmetzger Frieder Sauer, der seit zwei Jahren glückloser Zweiter bei der Wahl zum Blutwurstkönig war und im Augenblick unauffindbar. Er wurde ebenfalls zur Fahndung ausgeschrieben. Dann war da noch Marga Lauscher, 52, Witwe und Mutter der Dorothee, die nichts gehört und nichts gesehen hatte, und Erna Wiesel, 48 Jahre, die nach ihren Angaben erst einen Knall gehört und dann ein Schwein gesehen hatte, das aus dem Schlachthaus lief und den Egon Feist mit Sonnenbrille, wie er im Auto wegfuhr.
Jede der sechs Personen stand in irgendeiner Weise mit Egon Feist in Verbindung und konnte ein Motiv für einen Mord haben.
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