Leichtsinn - verloren! (Es ist schlimm ...)
© Gaby Schumacher
Stolz mustert Hubert seinen nagelneuen Wagen. Schnittig sieht der aus, na eben so, wie man sich einen rasanten Sportwagen vorstellt.
"Teuer genug bist'e ja gewesen!", brummt der junge Mann und klopft seinem vierrädrigen Schatz liebevoll auf dessen Kühlerhaube.
"Jetzt musst du zeigen, dass du es wert bist!"
In den nächsten Tagen verlangt Hubert seinem "Schorsch", wie er den flotten Flitzer tauft, viel ab. Er jagt ihn über Autobahnen, zwingt ihn durch den irren Verkehr der City. Dabei hält Hubert sich nur äusserst ungern an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Er möchte Schorsch ausfahren. Der tut ihm regelrecht leid, denn schliesslich ist der kein Bollerwagen, sondern eine Rakete. Er fürchtet um sein eigenes Selbstbewusstsein und das seines neuen Kumpels, hat er nicht alles rausgeholt, was der Motor hergibt.
Dann ist es soweit. All die bisherigen Tests hat Schorsch mit Bravour bestanden. Hubert ist überglücklich und lobt sich selbst, was er doch für einen guten Kauf getätigt hat. Denkt er zurück an die neidischen Gesichter seiner Freunde, als er denen den Wagen vorgestellt hat, dann...
All dies verleitet den jungen Mann zur Selbstüberschätzung, zum Leichtsinn. Das Beachten von Verkehrsregeln kann, besitzt man ein solches Rennpferd wie er, schon ganz schön langweilig, ja deprimierend sein. Mein Gott, der Wagen fährt wie ein Eins, Hubert hat ihn prima im Griff. Da kann er doch mal einen kleinen "Ausbrecher" riskieren.
Als Bühne für die bevorstehende Mutprobe wählt er ein Wohngebiet am Rande der Stadt, aus dem Boden gestampft, um möglichst vielen jungen Familien zum eigenen Häuschen mit Garten zu verhelfen. In jungen Familien leben Kleinkinder.
Da die ganze Siedlung ja als reines Wohngebiet ausgeschildert ist, lassen die Mütter ihre Kinder unbesorgt auf den schmalen Zufahrtsstrassen zwischen den Häusern spielen. Hier kann ihnen so schnell ja nichts zustossen.
Ein Paradies für die Kleinen.
Hubert weiss um die drastische Geschwindigkeitsbegrenzung in diesem Teil der Stadt. Sie ist so extrem, dass man fast neben den fahrenden Wagen her laufen könnte. Sie liegt bei Tempo 30 km/h.
An jeder Ecke sieht er die mahnenden Schilder. Aber gerade das reizt ihn noch mehr, sie zu missachten.
"Schorsch, zeig`, was du kannst!", zischelt er zwischen zusammen gebissenen Zähnen.
Er startet durch.
Auf den Strassen sind leichte Huckel eingebaut, um sicherzustellen, dass das 3o km-Tempo auch eingehalten wird. Eine zu hohe Geschwindigkeit könnte vielleicht sogar die Achsen schädigen.
Hubert fährt aber keine 30 km, keine 45 km, sondern rast doch tatsächlich mit 6o km über einen dieser Huckel, der auch noch direkt in einer engen Kurve liegt. Es knallt, es ist die Achse.
Der junge Mann reagiert vor Schreck zu spät, um noch in dieser engen Kurve bei der weit überhöhten Geschwindigkeit zwei kleinen Kindern ausweichen zu können, die ahnungslos aus einem der Seitenwege vor seinen Wagen rennen.
Sie wollen nur ihren Ball von der anderen Strassenseite holen.
Sie werden vom Wagen erfasst und zur Seite geschleudert.
Sie sind verletzt, müssen ins Krankenhaus.
Sie haben schuldlos dieses "Spiel " verloren.
Hubert zahlt eine vergleichsweise zu geringe Geldstrafe.
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