Würmer! (Haben Sie in Biologie aufgepasst...?)
© Gaby Schumacher
Ich fühle mich in meine Schulzeit zurückversetzt, wirklich. Erinnerungen über Erinnerungen wirbeln mir im Gedächtnis herum. Manche von ihnen bekommen nur ein Durchreisevisum extrem kurzer Gültigkeit. Bitte nicht länger als eine einzige Minute, sonst wäre meine gute Stimmung heute zum Teufel.
Anderen dagegen verleihe ich feierlich den sogenannten Ewigkeitspass, verlange ihnen den Treueschwur für alle kommenden Zeiten ab. Sie beugen sich dieser Bedingung mit Freude.
Heute habe ich mich auf der Düsseldorfer Königsallee getummelt, denn ich mag die Gattung "Würmer" so sehr. Ich schwärme regelrecht sowohl für die winzigen als auch die kleinen, am meisten aber für die Klasse der Fessel- bzw. Fantasiewürmer.
Das verhält sich nämlich so:
Die Würmer lassen sich in die Unterklasse der akustischen Ohrwürmer und in die der optischen Fessel- bzw. Fantasiewürmer unterteilen.
Die akustischen sind entweder Balsam für die menschliche Seele oder erzeugen Kopfschmerzen, im allerschlimmsten Falle psychische Höllenqualen. Im letzteren Fall hilft dann nur noch Ohropax - gibt`s auch heute noch in allen Apotheken.
Die Fessel- bzw. Fantasiewürmer dagegen - und allein die meine ich hier - lassen mich Tag, Stunde und Minute vergessen und entführen mich in ihre Schlängelwelt. Nur selten ist diese von Dreck geprägt oder von hügeliger Landschaft (Esel sieht man nur selten!). Es überwiegen die mehr oder weniger weiten Ebenen, deren Gräser uns apart grauschwarz entgegensehen und in kunstvollen Schnörkeln gewachsen sind. Öfters finden wir auch Wiesen voller Farbenpracht, ein Genuss fürs Auge. Oder beides.
Diese für neugierige Wesen unwahrscheinlich anziehende Welt hat für mehrere Tage eine sehr friedliche Armee von Tausenden Abgeordneter zu uns auf die Königsallee geschickt, um dafür Sorge zu tragen, dass die Gattung der Würmer so schnell bitteschön nicht ausstirbt.
Nach dem, was ich da heute so beobachtet habe, brauchen sie sich deswegen garantiert keinerlei Sorgen mehr zu machen. Ich war Zeuge der Wiederentdeckung einer neuen oder auch schon älteren, vielleicht auch sogar bereits Jahrtausende alter Tierart. Es wundert mich nur, weshalb sie erst heute und dann in so massenhafter Anzahl an die Öffentlichkeit getreten sind, doch tatsächlich ihre Höhlen verlassen haben, um mit ihren Artverwandten zu kommunizieren.
Ich spreche von den Bücherwürmern. Diese gibt es in den unterschiedlichsten Längen (und auch Breiten, aber das ist Stoff für eine andere Geschichte!). Manche entpuppen sich als sehr geschickte Exemplare, die sich durch die ganze Ansammlung von Pseudohütten und Würmermassen hindurchwinden, ohne die Anderen zu behindern oder gar von ihrem selbst errichteten Sockel zu schmeissen. Andere wiederum drängeln sich ohne Rücksicht auf Verluste einfach durch und dann sich ihren Artgenossen auf.
Eigenartigerweise sind ihre Angriffe auf ihre Vettern und Cousinen eher friedlicher Natur und werden von diesen sogar ausgesprochen begeistert begrüsst. Bald stehen, sitzen oder liegen sie als gemischte Gruppen da und geben murmelnde Geräusche von sich, erzählen von sich und ihrer Welt. Die Kommunikation klappt hervorragend. Beide Seiten sind äusserst interessiert an einem möglichst intensiven Austausch. Wünschenswert wären noch weitere so ungefähr ein paar Millionen Jahre.
Keck haben sich mehrere Exemplare der Klasse "Malwürmer" unters Volk gemischt und präsentieren stolz ihre Werke. Fasziniert üben sich die Bücherwürmer in der Interpretation der unterschiedlichsten Bilder, tippen daneben, schämen sich oder triumphieren: Ich hab`s doch sofort erkannt!
Sie haben es garantiert ebenfalls sofort durchschaut, wovon ich die ganze Zeit rede, was ich Ihnen nahezubringen versuche.
Ich wiederhole es noch mal für diejenigen, die sich ihrer Sache noch nicht so sicher sind:
Es geht um den Kö-Bücher-Bummel, der hier jedes Jahr stattfindet und Massen von Menschen aus aller Welt anzieht. Besondere Beachtung finden die Antiquariate, die so manches wertvolle Stück vorzeigen können. Egal, welche Literaturrichtung sie vorziehen. Ich verspreche Ihnen: Sie werden fündig werden!!
Ich war sage und schreibe fünf(!) Stunden dort und habe unentwegt gestöbert. Ich brauchte nochmals fünf und wieder fünf Stunden, um wirklich alles zu sehen und das Gesehene auch verarbeiten zu können.
Starten Sie zum Kö-Bücher-Bummel
Ich wünsche Ihnen viel Freude dabei.
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