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Der tragische Tod eines Pfarrers

© Teodor Horvat


Herr Pfarrer wurde geboren vor langer, langer Zeit, als Ungarn noch zum österreichungarischen Königreich gehörte.
Seine Eltern, deutsche Einsiedler waren damals in Suche aufs bessere Leben und kamen mit einem Holzschiff entlang der damals noch ungeregelten Donau. Sehr lange europäischer Schicksalsstrom, der trotz seiner Tücken immer noch leichter zu befahren war als die in mehrfacher Hinsicht unsicheren Straßen. So eine Schiffsreise ins "bessere Leben" war nicht billig und sie mussten alles verkaufen, was sie besaßen, um sich ein Ticket leisten zu können. Trotzdem waren sie bereit, alles zu tun, um ans Bord zu kommen und dachten dabei nur an Versprechungen, die sie bekamen.
Die Reise dauerte, je nach Wasserstand, zirka zwei bis drei Wochen.
Nach der Ankunft in einem ungarischen Hafen wurden sie von anderen Werbern in andere Dörfer abgeworben, indem man ihnen bessere Ansiedlungsbedingungen versprach und fuhren mit einem Ochsenwagen ins Landinnere. Unterwegs sahen sie, dass das Land während Türkenzeit sehr gelitten hatte, die Dörfer wurden verwüstet und verbrannt, Menschen getötet oder weggeführt. Die Not war furchtbar. Nach einer anstrengenden Fahrt kamen sie endlich in sumpfiges Gebiet, zwischen zwei Flüssen, Donau und Drau, was für sie das versprochene Land und die neue Heimat war. Das Erste, was sie dort sahen waren verödete Landstriche und entvölkerte Dörfer. Wie sie schon damals zu hören bekämen das ganze Land hatte während Türkenzeit Unfassbares zu leiden. Das Wüten der Türken wurde von einem Zeitgenossen, der es selbst gesehen hat, beschrieben: "Was alt, krank oder zu jung war oder sich verteidigte, wurde getötet. Mädchen und junge Frauen mitgeführt. Kinder wurden in Säcke gesteckt und lugten weinend hervor. Niemand war sicher, weder in dem Täler noch auf den Almen. Überall lagen tote Menschen und Nutztiere sowie Wölfen und Hunden, entsetzlich". Gott sei uns gnädig, dachten sie.
Statt des vermeintlich gelobten Landes, wie es ihnen die Werber ausgemalt hatten, sahen sie in der sumpfigen Tiefebene sehr harte Lebensbedingungen, denen viele Familien durch Seuchen, Krankheiten und Entbehrungen zum Opfer fielen.
Zuerst fühlten sie sich von Kaiser im Stich gelassen und von Adel verraten aber dann nahmen sie die Sache in eigene Hände und zusammen mit anderem deutschem Ansiedler, erneuerten sie das verwüstete Land und machten durch harte Arbeit aus verwüstetem Gebiet, die Kornkammer des österreichungarischen Königreiches. Es ist noch immer bekannt ein bitter klingender Spruch aus der Kolonistenzeit: "Für den Ersten der Tod, für den Zweiten die Not und erst für den Dritten das Brot".
Als seine Eltern in solchen Umständen nach einiger Zeit einen neugeborenen Sohn bekamen, waren sie sehr glücklich. Seine rosarote Haut des Gesichtes, kleine Stumpfnase und lebhafte blaue Augen, waren einfach etwas Wunderschönes und seine Eltern liebten ihren neugeborenen Sohn über alles auf der Welt. Besonders seine junge Mutter, die bereit war für ihn das Leben, zu geben. Aber leider, seine Kindheit beschränkte sich damals wegen zu harten Lebensbedingungen auf das zarteste Kindesalter, bzw. auf die Periode, als er nicht ohne fremde Hilfe auskommen könnte. Sobald er in der Lage war sich allein fortbewegen und verständigen, lebte zusammen mit anderen Erwachsenen in natürlichen Lebensverhältnissen, indem er den Erwachsenen bei ihrer täglichen Arbeit half und lernte die Dinge, die er unbedingt wissen musste und brauchte zum Überleben. Alles was er zu hören bekam, lernte mündlich.
In jene Zeit waren die Schulen, in welchen man mit Hilfe von Büchern, das Lesen und Schreiben lernt und damit die Grundlage für weitere Ausbildung macht, auch nicht unbekannt aber die einzigen gelehrten Bildungsanstalten waren die Klosterschulen, in welchen Mönche und Nonnen den Unterricht erteilten. Sie hatten, vor allem am Anfang, zum Zweck die Bildung von Klostergeistlichen.
Damals waren die Klöster die einzigen Einrichtungen, in denen das Kulturgut gepflegt und erhalten wurde und die Mönche hatten einen großen Einfluss auf die gesamte Bevölkerung und das Leben überhaupt.
Zuerst ging er in so eine Klosterschule, lebte und lernte, die sieben freien Künste gemeinsam mit anderen Ordensangehöriger und sammelte den Lehrstoff für die später entstehenden Bildungsstätten.
Dann kam er in eine freie königliche Stadt, das altertümliche Zentrum des Kirchenlebens in, welchem nach dem die Türken gegangen waren, kein Stein auf dem Stein übrig blieb. Dort setzte seine Bildung fort und bald danach wurde er der Priester. Im östlichen Teil des Königreiches übernahm er ein Pfarramt und wurde Pfarrer. Sein eigenes Leben, widmete er dem Gott, aufopfernd half dem anderen und deswegen war beliebt unter seinem Volk. Obwohl er seine Arbeit ordentlich machte, wurde mit anderen Landsleuten in Konzentrationslager (Albertsdorf) vertrieben. Dort erledigte weiter seine Pflicht als Pfarrer und predigte das Gotteswort. Gerade dass gefiel nicht dem Machthaber und er wurde deswegen schwer gefoltert.
Wie eine Augenzeugin, die ebenso im Lager Albertsdorf war, berichtet: "In der Nacht von Gründonnerstag auf Karfreitag 1945 wurde der Pfarrer im Dorfgasthaus von Albertsdorf gefoltert. Sein markerschütterndes Schreien hörte man in der ganzen Nachbarschaft. Die Augenzeugin konnte in Abwesenheit der Wache in den Gasthof hinübergehen und dort sah etwas, was sie nie vergessen wurde. Sie fand der Pfarrer nackt und blutüberströmt auf dem Betonfußboden liegen. Sein Gesicht war zerschunden, seine Augen zerschlagen. Das Fleisch unter den Finger-und Zehennägeln war wund, an den äußeren Seiten Oberschenkel und an den Waden klafften offene Schnittwunden, die reichlich mit Salz bestreut waren. Der alte Mann verlangte leise wimmernd nach Wasser und bat, man möge beten, damit er von seinen furchtbaren Qualen je eher erlöst werde. Er starb in gleiche Nacht am Karfreitag und wurde begraben und mit dem Kalk beschütten am Ostersonntag."
Ein Heiliger der Gründer des (Salesianer) Ordens, dem die Kirche heute gehörte, sagte einmal: "Jedem der sich mir beschließen möchte, kann ich versichern: Stückchen Brot, viel Arbeit und ein Platz im Paradies."
Ob er sich auch im Paradies befindet, das weiß nur der liebe Gott, aber ich wünsche ihm es von ganzem Herzen.



Eingereicht am 12. Juni 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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