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Sprachkurs, bitte

© Britta Dubber


Das Bild wirkte so surreal, dass sich Yuna in die Seite kniff, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte.
Ein kurzer Schmerz vertrieb die Zweifel und ein blauer Fleck würde in Kürze als Beweis zurückbleiben. Ungläubig trat sie in die Küche, den Blick auf den Mann vor ihr fixiert, der mit einer Schürze um die Hüften eine Pfanne schwenkte.
Das Fenster war geöffnet und so vermischte sich die kühle Herbstluft mit dem Duft der Vanillepfannkuchen.
Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Nicht nur, weil sie außer einem Brötchen nichts im Magen hatte, sondern weil Vanillepfannkuchen ihre absolute Lieblingsspeise war.
Unglaublich, dachte sie, dass Dennis das nicht vergessen hatte. Immerhin war ihm während ihrer vierjährigen Ehe so einiges entfallen. Dass sie gerne Blumen mochte zum Beispiel. Oder dass sie lieber in einem Restaurant aß, als selbst zu kochen.
Natürlich hatte sie so getan, als ob sie sich über das zehnteilige Kochtopf-Set zu Weihnachten gefreut hätte. In Wirklichkeit wäre ihr eine Einladung in einem italienischen Restaurant aber lieber gewesen.
"Das riecht wirklich gut", sagte sie, legte die Einkaufstüte auf dem Küchentisch ab und gab Dennis einen Kuss zur Begrüßung.
"Danke. Die Jungs kommen doch nachher und ich dachte du bist noch in der Stadt ..."
"Die Jungs?", fragte sie irritiert. Er lächelte und entblößte dabei eine Reihe makelloser Zähne.
"Tobi, Frank und Mick. Heute ist unser Pokerabend."
Fast hätte sich Yuna mit der Hand gegen die Stirn gehauen. "Natürlich", sagte sie, nahm die Tüte vom Tisch und begann die Einkäufe in den Kühlschrank zu räumen.
Sie hatte Käse und Lachs besorgt, für ein Abendessen, das sie nun alleine Essen würde.
"Ich dachte du bist heute Abend mit Kerstin unterwegs", sagte Dennis und wendete vorsichtig den Pfannkuchen.
"Sie hat ein Date. Ein Typ aus der Rechnungsabteilung hat sie eingeladen."
"Dann geh doch ins Kino."
"Alleine?" Sie schloss die Kühlschranktür und setzte sich an den Tisch.
"Wieso nicht", meinte Dennis. Er nahm die Pfanne vom Herd und legte sie in die Spüle. Dann nahm er den Teller mit den Pfannkuchen und stellte ihn auf den Herd ab.
Sehnsüchtig blickte Yuna auf das Essen. Ihr Magen knurrte und die Pfannkuchen dufteten so herrlich.
"Vergiss es. Die sind für die Jungs", sagte Dennis streng, der ihrem Blick gefolgt war.
"Nur einen. Ich liebe Vanillepfannkuchen."
"Das wusste ich gar nicht. Aber von denen bekommst du keinen. Die sind genau abgezählt", sagte Dennis streng. Dann lehnte er sich gegen den Herd, als ob er sein Essen verteidigen würde.
Yuna schenkte ihm einen ihrer fiesesten Blicke, doch er lächelte nur.
"Warum weiß ich nicht, dass du die Dinger so gerne isst?", fragte er auf einmal.
"Weil du mir nicht zuhörst?"
Er lächelte noch immer, doch seine Augen hatten einen ernsten Ausdruck angenommen.
"Ich höre zu. Aber ich kann nur das hören, was auch gesagt wird."
Mit gerunzelter Stirn sah ihn an. Was sollte das denn nun?
"Was?", fragte sie gereizt. Auf seine Wortspiele hatte sie absolut keine Lust, nicht mit knurrendem Magen und ihrem Lieblingsessen in Reichweite, an das sie dennoch nicht ran kam.
"Deine Schwester hat angerufen. Sie fragte, wann sie die Vokabelbücher wieder bekommt.
Warum hast du mir nicht gesagt, dass du einen Sprachkurs besuchst?"
Yuna zuckte mit den Schultern und sah auf ihre Hände.
"Ich dachte es interessiert dich nicht."
"Und dachtest du auch, dass es mich nicht interessiert, dass du daran denkst den Beruf zu wechseln?"
"Die blöde Kuh kann nichts für sich behalten", sagte Yuna laut und blickte Dennis an. Sie konnte seinen Blick nicht genau deuten, meinte aber so etwas wie Enttäuschung und Wut in seinen Augen zu lesen. Das Knurren ihres Magens verstummte, übrig blieb nur ein flaues Gefühl.
"Wieso besprichst du solche Dinge mit deiner Schwester, die immer nur anruft, wenn sie gerade knapp bei Kasse ist? Warum erfahre ich das nur aus Zufall?"
"Weil du mir doch sowieso nicht zuhörst", seufzte sie.
Dennis fuhr sich mit der Hand durch seine dichten dunkelbraunen Haare, die eigentlich mal wieder einen Schnitt nötig hatten. Er ähnelte einem dieser Biker, die immer vor der Kneipe unten an der Straße für Randale sorgten.
"Das hast du schon einmal gesagt. Wie soll ich etwas hören, was du nicht aussprichst. Ich meine, du musst zugeben, dass du ziemlich vage und verworren redest. Wenn man nachfragt, hältst du einen für blöde. Wenn man es nicht tut für ignorant. Ich habe also die Wahl für blöde oder für ignorant gehalten zu werden. Super Wahl." Sein Lächeln war grimmig, der Blick eines traurigen Hundes aus dem Tierheim.
Selten hatte sie ihn so gesehen. Eigentlich nur einmal, als er seinen Bruder erwischt hatte, wie er ihm Geld aus dem Portemonnaie klauen wollte.
Yuna hatte zwar nichts gestohlen, aber dennoch glaubte sie zu wissen, wie sich Dennis Bruder gefühlt haben musste. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich schuldig.
"Vage und verworren?"
Dennis blickte ihr für einen Moment genau in die Augen, dann drehte er den Kopf zur Seite und starrte auf die Küchenuhr.
"Gestern Morgen habe ich dich gefragt, ob du mit zu Mick willst, wenn wir dort Grillen."
Yuna nickte.
"Und weißt du noch, was du geantwortet hast?"
"Natürlich", sagte Yuna. "Ich sagte, ich muss es mir noch überlegen. Außerdem hängt es vom Wetter ab."
Dennis warf den Kopf und den Nacken und lachte kurz auf.
"Nein, das hast du nicht. Wortwörtlich hast du gesagt: "Lieber würde ich ein ordentliches Steak mit Tomatensoße bevorzugen. Außerdem ist Grillen so eine wetterabhängige Angelegenheit."
"Das hast du geantwortet."
Verdutzt sah Yuna Dennis an, so als ob er von grünen Marsmenschen gesprochen hätte, die im Vorgarten eine Party feierten.
"Ja und? Das ist doch dasselbe."
"Nein. Denn dass du lieber ein ordentliches Steak mit Tomatensoße essen würdest, als zu grillen, ergibt für mich nicht so recht Sinn. Denn Steaks kommen beim Grillen für gewöhnlich auf den Grill. Das ist der Sinn am Grillen. Und was die Soßen anbelangen, da ..."
"Ich meinte damit das Steak bei "Fredo", dem Italiener um die Ecke. Steak mit Tomatensoße und Pasta. Nummer vier auf der Karte glaube ich."
"Siehst du?", rief Dennis. "Kein Mensch kommt darauf."
"Naja, vielleicht kein Mann", sagte Yuna und ignorierte das Schnauben von Dennis.
"Aber das mit den Pfannkuchen habe ich dir nicht auf so eine für Männer zu komplizierte Weise mitgeteilt."
"Ach nein?", sagte Dennis, der nun ein paar Schritte in der Küche umher lief.
"Ich erinnere mich an den Abend, als du mir versucht hast zu erklären, dass du zu Weihnachten eine Einladung zu "Fredo" wolltest."
"Daran erinnere ich mich auch", meinte Yuna leise.
"Du sagtest so etwas wie: Bei Fredo gibt es so viele leckere Gerichte. Ich esse da wirklich gerne. Weißt du, dass er alles aus Töpfen kocht, mit denen seine Mutter schon in Italien für ihn gekocht hat, als er noch klein war. Also nicht dieselben Töpfe natürlich, aber die gleiche Marke benutzt er. Das muss wirklich ein gutes Material sein. Nicht so ein Billigscheiß, den wir benutzen."
"Ja und?", sagte Yuna, mit leicht gerunzelter Stirn.
"Na, ich dachte du erwähnst die Töpfe, aus denen das Essen so gut schmeckt, dass du auch so welche haben willst. Ich bin extra zu Fredo gegangen und habe ihn nach dem Fabrikat gefragt. Ist natürlich in Deutschland nicht zu bekommen, also musste ich es über Fredo in Italien bestellen."
Yuna lächelte Dennis plötzlich an, der nun das Fenster zumachte. Er war extra zu Fredo gegangen, um sich nach den Töpfen zu erkundigen. Das war so süß!
"Aber wie kommst du denn nur darauf, dass ich die Töpfe wollte. Es war doch ganz klar herauszuhören, dass ich eine Einladung zu Fredo wollte", sagte sie und dann begannen beide zu lachen.

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