Am Fluss
© Ute Njio
Die Sommer meiner Kindheit erschienen mir endlos und sonnendurchflutet. Wenn mein Papa samstagnachmittags Zeit hatte und meine Oma und die Mama damit beschäftigt waren, das Haus auf Hochglanz zu bringen, packte er unsere Badesachen zusammen und wir gingen zum nahe gelegenen Fluss, wobei wir zunächst über den Deich und die Felder und Wiesen wanderten, die das Flutland bildeten. Der Strand, an dem wir uns niederließen, war feinsandig und sauber, umgeben von einem kleinen Auenwäldchen. Leider waren wir nie die einzigen
Badegäste, auch die anderen Dorfbewohner fühlten sich dort sehr wohl, hatten ihre Decken ausgebreitet und sich in ihrer Badekleidung zum sonnen hingelegt oder waren mit anderen Dingen beschäftigt.
Mein Papa probierte gerne seine selbstgebauten Modellschiffe auf dem Fluss aus, mit einer Fernsteuerung konnte er sie vom Ufer aus lenken. Bei dieser Gelegenheit ist ihm übrigens einmal ein ganz neues Schiff, das er zum ersten Mal ins Wasser ließ, auf Nimmerwiedersehen davongerast.
Wir Kinder waren uns selbst überlassen, konnten tun, was wir wollten, denn der Papa war nie übermäßig besorgt. Und so hockte ich oft sehr lange, völlig ungestört, im Sand, um eine bestimmte Art von Käfern zu beobachten, die es scheinbar nur an diesem Strand gab. Sie lebten auf großen, eindrucksvollen Blättern, die ein wenig an Rhabarberblätter erinnerten. Die Käfer selbst gab es in zwei Sorten: Metallisch-Goldglänzende und Metallisch-Grünglänzende. Im hellen Sonnenlicht wirkten sie wie wunderschöne Edelsteine
und manchmal sammelte ich sie ein und gab sie in ein Glas, um sie besser beobachten zu können.
An manchen Tagen nahmen wir auch den Ronnie mit zum Strand, einen schwarzen Cockerspaniel, der meinen Großeltern gehörte.
Der Ronnie konnte sehr ungezogen sein und einmal hat er uns schrecklich blamiert. Das war, als er am Strand einer Dame die Unterhose aus der Badetasche geklaut hat und damit weg gerannt ist. Mein Papa und wir Kinder sind dem Ronnie hinterher gerannt, über Decken und Leute hinweg. Aber der Ronnie war flinker, obwohl er die ganze Zeit den Schlüpfer in seiner Schnauze trug. Als wir ihn fast eingeholt hatten, ist er einfach ins Wasser gelaufen und mit dem Schlüpfer außer Reichweite geschwommen. Mein Papa hat sich
tausendmal bei der Dame entschuldigt, aber ich habe gesehen, dass seine Augen vergnügt zwinkerten und er sich das Lachen kaum verkneifen konnte.
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