Engelgeschichten Die falsche Richtung
© Angelika Lantermann
Mein Erlebnis liegt schon einige Jahre zurück. Inzwischen ist meine Freundin, um die es in der Geschichte geht, gestorben. Oft und gerne denke ich an gemeinsame Tage mit ihr zurück und manchmal fehlt sie mir.
Den Tag, an dem ich erfuhr, dass sie nicht mehr lange leben wird, werde ich wohl nie vergessen.
Es war an einem Wochentag, dichter Nebel, Nieselregen, schlechte Sicht für jeden Autofahrer der unterwegs ist. Fast möchte ich meinen Gemütszustand ähnlich beschreiben. Ich bin auf dem Rückweg vom Krankenhaus, wo meine Freundin im Sterben liegt. Sie ist gerade mal 36 Jahre alt, glücklich verheiratet und Mutter von zwei entzückenden Töchtern. Erst im vergangenen Jahr feierten wir an ihren Geburtstag gleichzeitig ihr zweites Leben, nachdem sie durch eine Operation und Chemotherapie die Krebszellen besiegt hatte.
Sie hat so tapfer gekämpft. Anfang des Jahres dann die niederschmetternde Nachricht. Metastasen in der Lunge und im Rückenmark - Krebs im Endstadium. Die Ärzte geben ihr nur noch wenige Wochen. Es fällt schwer Abschied zu nehmen und sich der offenen Frage nach dem "Warum?" zu stellen.
Ich versuche mich auf den Verkehr zu konzentrieren. Es fängt schon an, dunkel zu werden. Die nächste Auffahrt muss ich auffahren, das erste Hinweisschild zur Autobahn. Ich setze den Blinker - die Sicht wird immer schlechter. Ich bin bereits auf dem Zubringer zur Autobahn abgebogen, als ich mit Entsetzen feststelle, dass ich in die verkehrte Richtung fahre. Ein entgegenkommender Scheinwerfer blendet mich, eine Hupe ertönt. In diesem Moment reiße ich das Steuer herum und weiche auf eine wiesenähnliche Verkehrsinsel
aus. Fast wäre ich zum Geisterfahrer geworden. Den Schreck in den Gliedern, übermannt von unendlicher Traurigkeit, lege ich den Kopf auf das Lenkrad und lasse meinen Tränen freien Lauf.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, inzwischen regnet es in Strömen. Ein Klopfen an der Fensterscheibe lässt mich aufhorchen. Ein Mann öffnet sachte die Autotür und fragt mich, ob ich Hilfe brauche. Er bittet mich auf den Beifahrersitz zu rutschen, damit er den Wagen vorsichtig auf die richtige Fahrseite bringen kann. Später dann auf dem Randstreifen stehend rede ich einem wildfremden Menschen meinen Kummer und meine Not von der Seele. Er hört mir zu und zwischendurch legt er tröstend seine Hand auf
meine Schulter. Ich merke, wie ich zur Ruhe komme und mich besser fühle. Nach einer Weile verabschiedet sich der Fremde freundlich und besorgt um mich von mir. Bevor er sich vergewissert hat, dass ich mich beruhigt habe und weiterfahren kann. Ich will mich noch bei ihm bedanken, aber plötzlich ist er wie vom Erdboden verschluckt. Weit und breit ist niemand zu sehen.
Auf dem Rest des Nachhauseweges höre ich CD. "Der Herr hat seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten". Bei dem Refrain fällt es mir wie Schuppen von den Augen und ich wusste, dass Gott mir einen Engel in dem Fremden gesandt hat. Dankbar überkommt mich eine tiefe Geborgenheit. Gott ist mir spürbar nah.
Manchmal, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, muss ich an dieses Erlebnis zurückdenken. Auf viele Fragen habe ich auch heute noch keine Antwort bekommen, habe aber meinen Frieden darüber gefunden. Zudem habe ich erfahren." Gott führt uns nicht am Leid vorbei, aber hilft uns hindurch". Er begleitet uns, ist in spürbarer Nähe und ab und zu sendet er uns einen Engel, der uns beschützt und behütet.
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