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Der Tag, als es morgens windig war   Teil I

© Bärbel Bröbke


Ich wache auf. Kurz danach beschließe ich ins Bad zu gehen, um mich zu waschen und auf die Schüssel zu begeben. Diese tägliche Routine tut mir unheimlich gut, das weiß ich deswegen so gut, weil ich den ganzen Tag darüber nachdenke, was wohl mit mir wäre, wenn ich morgens mal nicht aufwachen würde. Dann wäre alles Andere, was danach kommt, durcheinander. Ich lasse mich nicht zu sehr auf diese dunklen Gedanken ein, lenke mich ab, indem ich rausgehe und schaue, was die Handwerker so machen, die meinen Keller ausbauen. Ich fröstele, es ist kühl und windig. Das kann nur eines bedeuten: Die Jungs behalten ihre Klamotten an und machen sich nicht so nett frei wie sonst. Verdammte Hacke. Der Tag, der so gut mit meiner Routine begann, scheint sich nun gegen mich zu verschwören. Verschwörung im eigenen Garten! Hört sich gut an, aber dazu eine eigene Kurzgeschichte.
Als ich denke, dass es nicht schlimmer kommen kann, sehe ich, dass mein Hund auf meine Petunien geschissen hat. Nach erster Aufregung besinne ich mich aber darauf, dass mir das schon öfter passiert und ich weiß genau, was in solchen Fällen zu tun ist. Ich gehe rein und hole ein Plastiksäcken, da sammele ich den Dreck ein. Hach, super. Erledigt!! Ich mache mir Notizen für eine Kurzgeschichte, dann kann ich schauen, ob ich mich mal anziehe ... Da passiert es: Mein Lieblingshandwerker kommt und fragt: 'Keks?'. Ich bin verliebt! Und er bestimmt auch! Ich höre schon die Hochzeitsglocken, frage mich aber, ob ich nicht ein bisschen voreilig bin. Ich werde an der Sache wachsen, das spüre ich tief in meinem Inneren. Wie, das gehört in eine eigene Kurzgeschichte. Fast schon wieder erschöpft gehe ich ins Haus, um mir die Augenbrauen zu zupfen. Über meine tägliche Schönheitspflege gibt es übrigens schon eine eigene Kurzgeschichte. Unterwegs passiert etwas schier Unglaubliches, ich finde ein schmuddeliges Witz-Heftchen auf der Treppe. Sofort notiere ich mir die besten Ideen, um daraus später ganz eigenständige und innovative Kurzgeschichten zu machen. Talent muss man eben haben. Unterwegs gehe ich noch schnell ins Internet. Mal sehen, ob meine neue Kurzgeschichte Warum die Welt mich braucht schon einen Kommentar bekommen hat. Hm. Keinen einzigen! Da sind doch über tausend Autoren angemeldet. Von denen könnte doch ruhig einer was zu meinem Werk schreiben. Wie üblich in solchen Fällen beteilige ich mich am allgemeinen Blabla, mit dezentem Hinweis auf meine neu eingestellte Kurzgeschichte, hat bisher immer noch gewirkt. Noch ein bisschen was dazu schreiben, wie unheimlich wichtig und beschäftigt ich bin. So, hierauf sollte bald was kommen und jetzt noch ein bisschen durch die Seiten navigieren, daran ergötzen, wie schön mein Name über all den Geschichten aussieht, die ich schon geschrieben habe. Vielleicht sollte ich ja auch endlich mal was von anderen Autoren lesen. Obwohl, ne, lieber nicht. Nacher beeinflusst das noch meinen natürlich-realistischen Schreibstil, davon hätte keiner was. Hier finde ich grad nix, wozu man eine eigene Kurzgeschichte schreiben könnte. Oh Gott, bloß keine Schreibblockade! Meine Freundin Grobi kann aus einem Nachmittagsnickerchen Stoff für einen ganzen Roman ziehen, was mache ich nur falsch? Ich schalte frustriert den PC aus und gehe in die Küche, dort öffne ich den Kühlschrank, beuge mich vor, lege den Kopf schräg, schaue was drinnen ist, nehme schließlich Butter und Leberwurst heraus, richte mich auf, schließe den Kühlschrank (Butter und Leberwurst halte ich in der linken Hand), gehe zum Brotkorb, nehme mir Schwarzbrot, nehme mir Teller, Messer und Serviette, gehe zum Tisch, setze mich, decke den Tisch nur für mich, lege die Schnitte auf den Teller, tue Butter drauf mit dem Messer, dann Leberwurst mit demselben Messer, verstreiche das alles, nehme die Schnitte in die rechte Hand, öffne den Mund und beiße ab. Ich mache mir später auch noch einen Tee, aber dazu eine eigene Kurzgeschichte.
Nach dem Essen blättere ich ein wenig in meinen Tagebüchern umher, ich habe so das Gefühl, dass sich aus den Seiten 150 - 350 in Tagebuch No. 2 etwas machen ließe. Da schildere ich, wie der fette Sascha mir zwischen die Beine gegriffen hat. Hochbrisant, wie ich finde, immerhin waren wir da erst in der dritten Klasse und spielten in der ersten großen Pause auf dem Schulhof. Ich muss eindeutig darüber schreiben. Und das liegt nicht daran, dass ich verbittert bin, weil mir seitdem nie wieder jemand zwischen die Beine gegriffen hat. Die Schreibeslust taucht aus dem inneren meiner Seele auf und ich muss mich an den PC setzen. Jetzt kommt einer der wichtigsten Momente in meiner Schaffensphase. Ich muss den Titel finden. Mein Blick schweift zu einem Ding, das ich mal beim Aufräumen auf dem Speicher gefunden habe. Ich habe nicht die allergeringste Ahnung, wozu es gut ist. Aber es ist nun mal da und es ist ein Ding, also zu irgendwas wird es schon gut sein, also gefällt es mir auch. Eine eigene Kurzgeschichte dazu ist schon in Vorbereitung. Moment, da kommt was, da ist es ... JAAA:
Sascha, Du hast mich gebrochen.
Der Titel steigt in mir hoch wie ein gewaltiges Bäuerchen.
Draußen ist es immer noch windig. Aber dazu mehr im zweiten Teil dieser spannenden Kurzgeschichte.
Nachtrag: Es wird keinen zweiten Teil von Der Tag als es morgens windig war geben. Bin über der Tastatur eingepennt und hab mir vor dem richtigen Schlafengehen nur noch schnell eine Pizza in den Ofen geschoben und Besuch von Melli gekriegt. Das muss aber in keine Kurzgeschichte. Das gehört in meinen Roman No. 2987, Ein 3000 Seiten kurzes Pamphlet über alle Gespräche, die jemals in meiner Küche geführt wurden. Auch basierend auf Omma Bröbkes Erinnerungen aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende.

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