Hat das Meer Gefühle
© Susanne Pelzer
Ich weiß nicht wie lange wir uns schon in jener schweigenden Konversation in unserer kleinen Lieblingsbucht, fernab vom "Kleinen Ballermann", im Ortsteil Neriz befanden. Wir saßen einfach nur da, zeit- und raumvergessend und starrten über das tiefblaue, leicht gekräuselte Adria-Meer. Wir, das waren mein 10-jähriger Sohn Moritz und ich, seine Mutter.
Schon lange saßen wir am Ufer und hingen unseren Gedanken nach und es hatte den Anschein, dass wir uns auch unterhielten, ohne dass wir redeten. Wir waren versöhnt und eins mit der Natur, als mich plötzlich die Fragen meines Sohnes zum Philosophieren anregten ...
"Sag, Mutti, kann das Meer fühlen"?
Was bewegte den jungen Mann neben mir? Ich muss sagen, dass ich leicht überrascht war und nicht gleich antworten konnte. Diese Sprachlosigkeit jedoch wurde noch mein Vorteil, denn der Kleine sinnierte weiter ...
"Wenn ich ins Meer gehe, dann spüre ich es. Mal ganz sanft und mal haut es mich fast um. Ist es dann vielleicht einmal fröhlich und einmal zornig?"
Ich überlegte nun, dem Jungen etwas über die Gezeiten und die Winde zu sagen ... doch warum!? - War die kindliche Vorstellung nicht viel schöner, dass das Meer Gefühle hat. Seine Überlegungen gingen weiter ....
"Mutti, hast du auch die vielen Farbunterschiede gesehen? Die Tage, die wir hier sind, hat das Meer mindestens schon drei Male die Farbe gewechselt. Heute war es schön tiefblau und hatte kleine "Zufriedenheitskrönchen"; gestern Morgen schaute es eher grün aus, da hat es mir Angst gemacht. Was meinst du Mutti, ob das Meer gestern böse war, weil so viele Leute an den Stränden waren und ihren Müll haben dort liegen lassen"?
Ich war überrascht, was der Junge sich für Gedanken machte und was er alles wahrnahm. Schließlich setzte er fort und meinte: "Du, heute hat mich das Meer sogar an den Füßen gekitzelt, ich glaube es war sehr gut gelaunt".
Ich sagte nur: "Ja mein Junge, ich habe es auch gespürt ... das Kitzeln - du hast Recht, es war bestimmt gut gelaunt."
Ich nahm den Kleinen bei der Hand ... wir schlenderten schweigsam in Richtung Wohnung und ich dachte im Stillen, wieder allen Erklärungen von Strömungen und Gezeiten: ... - Ja, das Meer hat Gefühle!
Und der Gedanke daran versöhnte mich tief ...
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.