Blutspendetermin
© Isolde Jöhnk
Es ist aber wirklich zu dumm. Es gibt so unendlich viele Möglichkeiten, etwas für seine Mitmenschen zu tun. Man hörts im Radio, liest es in Zeitungen, im Fernsehen . Toll diese Menschen. Ganz uneigennützig etwas für andere zu tun.
Ich hatte einfach noch nicht die richtige Gelegenheit. So wirds sein.
Spenden kann ich nicht, da fehlt mir das Geld. Vor mir ist auch noch nie ein Kind in den Rhein gefallen, denn, selbstverständlich, ich hätte es versucht zu retten! Versucht. Ob ich es geschafft hätte? Seit heute hab ich da erhebliche Zweifel.
Es muss ein starkes Gefühl sein, wenn man helfen kann.
Man sollte sich einmischen, nicht tatenlos zusehen. Richtig!
Man muss seine Meinung sagen, nicht schimpfen und meckern wenns zu spät ist.
Wer nichts macht, kann auch nichts falsch machen.
Gerne, nur zu gerne, würde ich zu diesen herausragenden Persönlichkeiten zählen, die mit Rat und Tat mitten im Leben stehen. Die kämpfen, spenden, helfen, bergen, retten.......
Meine Chance wird kommen! Sag ich mir.
Ich bin doch nicht etwa feige. Bin zu bequem?
Doch, einen Pass für Organspende sollte jeder mit sich führen. Das ist selbstverständlich, oder?
Leider hab ich noch keinen. Zuerst wusste ich nicht, wie man das, wo, wie macht. Dann waren die entsprechenden Formulare, die beim Arzt liegen vergriffen ( alle anderen waren mal wieder schneller!) Jedenfalls, ich stehe voll hinter meiner Meinung, einen solchen Pass braucht man! Werde das Thema in Bälde angehen, verspreche ich mir selber.
Blut spenden?!
Das kann doch nun jeder. Ohne Geld, ohne großen Aufwand. Ein Bustransfer zum Spendetermin ist eingerichtet. Total einfach! Gesund bin ich. Na, die Episode aus der " Lindenstraße", es muss so in etwa Episode 30024 gewesen sein, in der sich doch tatsächlich einer mit HIV infiziert hat, beim Blutspenden, hab ich schon vergessen, verdrängt, besser gesagt. Es fällt mir auch wirklich kein guter Grund ein, warum ich da heute nicht hingehen sollte. Wir brauchen Blutkonserven. Es kann jeden treffen.
Jetzt in diesem Augenblick, zack, Unfall, vom Auto überrollt, Blut fließt in Strömen aus dir raus. Was, bitteschön, brauchst du dann? Eben.
Spenderblut.
Da ist sie, meine Gelegenheit, Gutes zu tun.
Auf gehts. Heute ist nicht, wie sonst so oft ,ein Elternabend in der Schule, ein Termin beim Arbeitsamt, eine Freundin hat großen Kummer und du musst ihr zuhören, nein, du hast Zeit Mädchen. Nutze die Gelegenheit.
Mache aus dir einen wichtigen Teil der Gesellschaft. Empfinde dieses wahnsinnig geile Gefühl: I c h bin wichtig. Meine Mitmenschen brauchen mich. Mein Blut ist von dieser Reserve-Bank nicht mehr weg zu denken.
Die Infoblätter über Blutspende habe ich aufmerksam gelesen, was ich mache, mach ich richtig (mein Grundsatz, klappt nicht oft, aber, ich
versuchs) ! Zur vorsicht nehme ich mal doch lieber den alten Mutterpass von 1974 mit. Kann ja nicht wissen, ob mich nicht doch irgendwer fragt:
" Wie ist denn ihre Blutgruppe?", oder so. Nein, sicher ist sicher! Ich bin optimal vorbereitet. Ausweis hab ich und bin auch sehr stolz auf mich deshalb, denn der wird als erstes von der netten Frau vom Roten Kreuz angefordert. Alles gut. Handtasche auf, Pass raus, hundertprozent ausgerüstet! Klasse. Die vier DIN A4 Seiten Formulare füll ich mit Links aus. Kein Problem. Wie einfach doch alles ist. Helfen kann so schön sein. Man fühlt sich dazugehörig. Ein Teil der helfenden Gemeinschaft.
Allein bin ich hier nicht. Es sind 40 bis 50 Leute da. Einige vor mir, viele nach mir. Alle nett, freundlich und ich bin ein Teil dieses Ganzen.
Noch könnte ich gehen. Würde nicht weiter auffallen, aber so kurz vorm Ziel aufgeben? Niemals. Du bist endlich in der Lage zu helfen. Die Ärztin sagt mir: " Alles gut, herzlich willkommen. Sie dürfen heute Blut spenden." Was soll ich sagen, ich bin stolz auf mich.
Eine "Rote Kreuz-Frau" sticht mir ins Ohr (spürt man kaum!) So was sollte ich viel öfter tun. Meine ernstgemeinte Frage: "Darf ich denn bald schon wieder kommen, wie oft darf ich denn spenden?", stelle ich erstmal nicht. Auf die feuchten Innenhandflächen versuche ich mich angestrengt nicht zu konzentrieren, bin doch kein ängstliches, kleines Kind, oder? Es kann losgehen. In dem Raum stehen 10 Liegen, alle besetzt, mit spendenden, vollwertigen Menschen der Gemeinschaft. Einen, äußerst netten
Mann , Kenne ich, er mich auch. Er lächelt mir zu. Schön, schöner Moment. Die Dame neben mir, in meinem Alter, ist schon an dieser Pipeline angeschlossen und erzählt mir, wärend ihr Blut durch dieses Plastikrohr läuft, dass sie eigentlich kein Blut sehen kann, dies aber überwunden hat und regelmäßig spendet, aus innerer Überzeugung. Klasse.
Tolle Einstellung. Ich werde nach meinem Namen gefragt. Die Nadel wird in meine Vene gerammt, und der warme Saft, der Leben retten soll, läuft durch das Plastikrohr an meinem Arm runter. Ich pumpe unentwegt mit meinen Fingern, da mir dieser nette Rote Kreuz- Mann das so sagte. Na ja. Mir ist komisch. Es steht auch Schweiß auf meiner Stirn, das merk ich . Schnell abwischen, was lockeres denken, bloß keine Gedanken darüber machen, dass ich hier auslaufe! Schon doof, dass ich als einzige von 10 Spendern so oft gefragt
werde: " Na, alles in Ordnung bei Ihnen?"
Na klar, alles b e s t e n s! Was alle können kann ich auch, oder? Bin doch nicht zimperlich. Ein Sanitäter bringt mir ein Glas Cola. Mir!
Nicht etwa allen 10 Spendewilligen, nein, nur mir! Seltsam. Es geht alles recht schnell. Ich werde von der Nadel befreit mit den Worten.: "
So, Sie haben es geschafft!" Ein prall gefüllter Beutel mit m e i n e m Blut liegt neben mir. "Können sie aufstehen?", fragt mich ein Rote Kreuz Profi. Aber sicher, selbstverständlich, meine ernstgemeinten Worte. Das wars dann auch schon. Erzählungen zufolge hatte ich keine, gleich null, Farbe im Gesicht, meine Augen riss ich wohl sehr weit auf, was nach Aussage von Beobachtern aussah als würde ich das Zeitliche segnen, um meine Augen müssen tief schwarze Ränder gewesen sein.............In diesem
Fall bin ich recht froh, dass ich das nicht mit ansehen musste.
Ich fand mich wieder, umringt von Ärzten und Sanis, mit Blutdruckmessgeräten und Colagläsern. Lauter besorgte, wohlwollende, besorgte Blicke. Alle kümmerten sich um mich. Na toll!
Alle, die die vor mir, nach mir oder mit mir gespendet hatten, saßen glücklich lächelnd an einem Tisch versammelt. Aßen, tranken und schauten zu, wie ich auf einer Liege gebettet, ein nasses Tuch auf der Stirn, mich nicht bewegen durfte.
Alle Spender waren nach einer Stunde, wohl genährt und unversehrt wieder zu Hause. Ich durfte länger bleiben, so zweieinhalb Stunden etwa.
Was soll ich sagen?
Ich freue mich schon auf meinen B l u s p e n d e r- Ausweis.
Ehrlich gesagt, überlegt hab ich mir das schon, so ein Organspenderausweis ist vielleicht doch besser für mich, oder?!
Bis denne.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.