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Teufelsküche

© Oliver Fahn


Neulich sitze ich im chinesischen Restaurant und versuche mich wie immer zwischen den unzähligen, in der Karte enthaltenen Speisen zu entscheiden, wahrlich kein leichtes Unterfangen. Als ob dies allein nicht schon genüge, befällt mich immer dieses Gefühl, dass ich doch etwas anderes bekomme, als ich in der Bestellung angegeben habe. So liegt das leckere Gericht dann undefinierbar vor mir und ich mache mir Gedanken, ob es in dieser exotischen Küche ebenso brodelt, wie in der Gerüchteküche über diese. Die Soßenkreationen und die darin enthaltenen Geschmacksverstärker machen mir weniger zu schaffen, als das Tier, das in Scheiben vor mir liegt und mir die Frage, was es einst gewesen ist auch nicht mehr beantworten kann. Mit flauem Magen beobachte ich meine Umgebung kritisch und stürze mich nach langem Zwiegespräch zwischen meiner Vernunft und der Experimentierfreudigkeit meines Gaumens auf das angebliche Huhn. Es schmeckt nicht wie deutsches Huhn und so denke ich bei mir, wie denn eigentlich chinesisches Huhn schmecken würde. Und nun stellt sich natürlich die brenzlige Frage, ob die chinesische Fütterung dieser Tiere eine andere ist oder ob es aber an der Genauigkeit der Unterscheidung zwischen Kätzchen, Hühnchen und Hündchen hapert. Plötzlich taucht ein ganz anderes Problem auf, dieses ist in etwas 160cm groß und mit Sicherheit älter und schwerer als die seltsamen Fleischstück auf meinem Teller. Es stellt sich heraus, dass es sich hierbei um ein Frauchen Mitte sechzig handelt, das Anschluss an die Gesellschaft sucht und ich scheine ihr Opfer zu sein, denn schließlich bieten sich Männer um die dreißig für ein solches Abenteuer an. Sie erzählt mir ihre Vorstellung von der neuen Generation und dabei merke ich, dass sie eine ähnliche Ahnung von uns jungen Leuten hat, wie ich von den chinesischen Kochkünsten. Ich versuche mich vor ihren Komplimenten zu retten, denn mittlerweile schäme ich mich für sie und diese Scham überwiegt bei weitem dem Graus vor dem nun kalt gewordenen Essen. Sie lächelt mit ihren vereinzelten Zähnen und erklärt mir, dass sie sich nie hätte vorstellen können, so schnell eine Bekanntschaft zu knüpfen und überhaupt, dass ich so was von niedlich bin. Dann geht alles blitzschnell, sie diskutiert mit dem Koch, der aus seiner Küche herausgeeilt ist und nun erfahre ich, dass sie eigentlich angestellte Küchenhilfe ist und an der Zubereitung meines Mahles beteiligt war. Nun habe ich am eigenen Leib erfahren, wie gleichgültig ist, was auf dem Teller liegt. Es kommt viel mehr darauf an, wer sich daran vergriffen hat. Und da ich mittlerweile weiß, dass ich vor solch seltsamen Bekanntschaften niemals gefeit bin und dass diese Kreaturen auch ihre Finger in der Küche im Spiel haben können, bleibe ich künftig Restaurants fern, deren gesamtes Personal mir nicht persönlich vertraut ist. Mein Essen ist übrigens größtenteils im Teller geblieben, aber die Erkenntnis, dass man manchmal nur aus Schaden klug wird ist in mir verewigt.

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