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Eingereicht am
07. März 2007

Dienstags

© David Stinner

"Können sie mir vielleicht sagen, wie spät es ist?"

"Es ist mitten in der Nacht, sehen sie das denn nicht?!" antwortete der Andere erzürnt darüber, geweckt worden zu sein.

"Für mich ist es immer Nacht", sagte der Eine und deutete auf seinen Stock.

"Sie armer, dann geht es ihnen ja noch schlechter als mir."

"Und? Wie spät ist es denn nun?" fragte der Eine wieder, dieses Mal mit deutlicher Ungeduld in der Stimme.

"Gleich, gleich. Ich bringe sie erst einmal hier weg. Hier ist es um diese Zeit zu gefährlich, erst recht für einen Blinden. Die Leute hier nehmen wirklich jeden aus, selbst wenn er noch weniger hat als man selbst. Anstatt zusammen zu halten..." Der Andere ließ den Satz unvollendet und nahm den Blinden an die Hand.

"Wohin führen sie mich denn?" fragte der Blinde, froh über so viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, von einem Menschen, der ihn eigentlich hätte ausrauben können.

"Zwei Straßen weiter ist die Polizei, vielleicht wissen die, was zu tun ist", sagte der Andere und rannte weg.

Der Blinde rief nicht um Hilfe oder versuchte den Mann aufzuhalten. Er wurde ausgeraubt, seine Hilflosigkeit ausgenutzt, soviel Freundlichkeit konnte es auch nicht geben.




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