Karin Reddemann: Rosen für Max
Karin Reddemann
Rosen für Max
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Unser Buchtipp
Karin Reddemann: Gottes kalte Gabe Dr. Ronald Henss Verlag ISBN 3-9809336-3-6
kleine mysteriöse Welten, in denen es sowohl gruselig und unheimlich zugeht als auch ironischwitzig und ein wenig erotisch. Und fast immer raffiniert überraschend.
Westdeutsche Zeitung

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Eingereicht am
19. März 2007

Evas Eva

© Karin Reddemann

Karin Reddemann: Gottes kalte Gabe

Während meiner Studienzeit liebte ich Gabriela. Ich liebte sie anders als einen Mann, dessen Blick stets ausreicht, um zu verstehen, was er will. "Lass es mich machen." Und ich wäge ab, streiche mein Haar hinters Ohr, zeige mich kühl oder bitte, ohne wirklich zu bitten, um noch mehr Aufmerksamkeit: "Fest, fester, mach es so, dass ich dich morgen noch spüre. Und vielleicht auch übermorgen noch will."

Bei Gabriela war ich mir nicht sicher. In ihren leicht schräg stehenden Augen, die fast schwarz hätten sein müssen, um dieses schmale, feine Gesicht authentisch zu machen, schwammen goldbraune Punkte in einem satten Grün, die mich unruhig werden ließen, wenn sie mich ansah und dabei wie selbstverständlich ihre Hand auf meinen nackten Unterarm legte. Manchmal küsste sie mich spontan auf den Mund, fuhr mit ihren Fingern durch mein kurz geschnittenes Haar und kniff mich eine Spur zu fest in den Nacken. "Du könntest mein Bruder sein." Damit kränkte sie mich. Ich wollte nicht, dass sie mich so sah. Meine Lippen sind eine Spur zu schmal, aber meine Wimpern sind lang und dicht, und immer noch ist mein Busen recht groß und fest. Und schon damals mochte ich es durchaus, wie eine devote Debile, aber eben wie eine Frau, auf gewolltes Kommando die Beine zu spreizen, um dieses dicke Stück Fleisch in mir auf zu nehmen, das Markus und Sergio und Bernd gemeinsam hatten. Muskelstränge, Fett, oder eben Fleisch … egal. Anatomie war nie meine Stärke. Sie gefielen mir einfach. Sie waren rosarot mit dunkler Spitze, und sie rührten in mir wie in einem Topf mit Rotweinsauce. Passt hervorragend zu Wild, ich weiß, hätte mich auch gern so empfunden. Ich war das Gegenteil, lehnte mich fast scheu, aber auch neugierig wie ein Kind, das keine störrischen Vorurteile kennt, einfach nur zurück und ließ sie, ließ sie auch, wenn ihre Köpfe zwischen meinen Schenkeln eintauchten, um an mir zu saugen. Widerwillig kostete ich sie auch, sie drängten mich, - "Nimm ihn doch mal, sonst platze ich" -, und irgendwann gefiel es mir sogar, obwohl keiner wirklich schmeckte.

Der Sommer mit Gabriela, später auch mit Christoph, stärkte mich in meinem Beschluss, mein Haar wieder wachsen zu lassen und meine hohen Wangenknochen mit bräunlicher Röte zu betonen, um femininer zu wirken. Nie wieder Bruder, bitte. Einen festen Freund hatte ich damals nicht, es war mir wichtiger, mich auf meine Bücher zu konzentrieren. Die ich vergaß, als Gabrielas Hand mir während einer Vorlesung kurz vor der großen Sommerpause über den Rücken krabbelte und dabei langsam meine kurze karierte Bluse bis zum Haken meines BHs nach oben schob. Ich dachte: Was macht die Wahnsinnige da? Und gleichzeitig wollte ich mehr, wünschte mir, die Finger würden meine Brüste streifen, erst nur wie zufällig, dann forscher, würden weiter nach vorn wandern, bis zu den Vorhöfen, würden dort ungeduldig warten, während ich längst schon auf meinem Stuhl hin und her rutschte, mit diesem göttlichen Gefühl ganz da unten, das so dreist und unbekümmert ankündigt, was noch passieren könnte. Wir saßen ganz oben in der letzten Reihe, niemand hätte das beobachten können, und trotzdem wurde ich ganz starr und lästig rot. Vermute ich. Noch immer bin ich ein Mensch, der ungern, aber oft errötet, das habe ich niemals ablegen können, und ich hasse es, weil es mich durchsichtig macht. Frank fand es niedlich. Gabriela sagte nichts dazu. Sie sagte: "Du hast solch eine weiche Haut. Als wärst du in einen Milchtopf gefallen."

"Herbe Blume" nannte mich meine Tante Vicky, bei der ich bis zum Hauptstudium wohnte, um danach mit Frank zusammenzuziehen. Aber das ist eine andere Geschichte. Gabriela verdanke ich, dass ich es niemals vergesse, mich zu rasieren, dort, wo es weich und sanft ist, wenn keine lästigen Locken mehr stören, um streicheln und lecken zu können, was bei Gabriela nach süßer Schlagsahne mit gezuckerten Erdbeeren roch. Vermutlich hatte ich mir das nur eingebildet, mag sein, einfach gewünscht. Tatsächlich war es eine einfache Körpercreme mit dezentem Vanilleduft, die sie benutzte, um sich einzureiben, auch zwischen Schenkeln und Pobacken. Ich tat es ihr nach, wählte aber eine andere Sorte. "Das ist, als würde ich an frisch gemähtem Gras lecken." Sagte sie lachend und irritierte mich damit. War das gut so, mochte sie das?

Erst viele Jahre später traute ich mich, sie zu fragen. Gabriela war längst schon mit Christoph verheiratet, zum zweiten Mal schwanger, hatte das Studium vor Urzeiten abgebrochen, und ich sah in ihr immer noch dieses süße, elfenhafte, strahlende Mädchen, das ich einmal gekannt und geliebt hatte. Wir trafen uns in einem urigen Weinkeller in Münster, zu dekadent, zu teuer für uns vor zwanzig Jahren, sie so entzückend, ich so klug und geschieden und auf strenge Art schön. "Du hast wie Freiheit geschmeckt. Wie die Erde, unter der wir einmal liegen werden." Sie war schon leicht betrunken, als sie das sagte. Ich hätte weinen können, vielleicht fühlte ich mich auch schlicht befreit. Irgendwie traurig. Und einfach nur gut.

In unserem Sommer trugen wir bunte Pluderhosen vom Trödelmarkt und abgeschnittene T-Shirts, manchmal auch luftige gebatikte Kleider mit dünnen Trägern. Es war ein heißer Sommer, in dem ich mich in Gabriela verliebte, und die stehende Hitze machte mir zu schaffen, zumal ihr Geruch nach süßlichem Schweiß und Moschusöl mir jeden Tag aufs Neue quälend in die Nase stieg wie ein verbotener exotischer Duft, den in einem Flacon abzufüllen und auf ewig zu bewahren mir nie vergönnt sein würde.

Gabriela lebte zusammen mit Christoph in einer völlig mit Kitsch und Büchern überladenen winzigen Wohnung ganz in der Nähe des Uni-Centers, und manchmal, wenn ein Sommertag besonders trocken und müde war, quetschten wir uns zu dritt auf die schmale hölzerne Bank auf dem Balkon, der zur Westseite ging und uns den Sonnenbrand gönnte, von dem die zugequalmten Seminarräume trotz weit geöffneter Fenster uns nur hoffnungslos träumen ließen. Damals wurde dort noch geraucht, mein Lieblingsprofessor schaffte es auf zehn Zigaretten in knapp zwei Stunden, und während er uns vom Sturm und Drang der jungen, sehnsuchtsvollen Schwärmer erzählte, ließ er sich von seinem ernsten, muskulös gebautem Assistenten Feuer geben und den Nacken massieren. Vielleicht ist der dunkelhäutige, selten nur lächelnde Beau heiterer und weicher geworden, als Professor Schmelting ihn mitnahm über den großen Teich, einige Jahre früher, als das Rentenalter ihm den offiziellen Abschied ermöglicht hätte. Heute stelle ich mir vor, wie Schmelting dort auf seiner Veranda mit einem Glas Eistee, vielleicht auch Whiskey sitzt, ein schnarchender gelber Hund zu seinen Füßen, er selbst faltig und grau und gefangen in einer Vergangenheit, die immer noch von festen Händen auf seinem Körper spinnt…von einem dicken, langen Stück Leben, rosig wie ein nur kurz angebratenes Steak, für das er sich ergeben und fiebrig positioniert, Handflächen und Knie abgestützt, die Lippen wund, das Kinn zerkratzt vom Bart seines Geliebten, der längst schon seinen Mund mit frischerem Fleisch füllt.

Tatsächlich waren Gabriela, Christop und ich glücklich auf diesem Balkon, wenn die Sonne ihre roten heißen Spuren auf unseren Nasen und Schultern hinterließ, weil wir uns im Süden und damit im grenzenlosen Nichtstun wähnten. Wir tranken billigen Weißwein, abscheulich süß, aber gut gekühlt, und Gabriela zog ihr Baumwolltop aus, zeigte stolz und übermütig ihre kleinen, festen Brüste, trotzig fast, wenn der Nachbar neugierig herüber schielte, und lachte Christop aus, wenn der sie zu bedecken versuchte. "Ella, bitte, man sieht dich." Ich betrachtete sie gern. Sie war zartgliedrig, recht klein mit hüftlangen rotgoldenen Locken, die sie mit Seidentüchern, stets in den schillerndsten Farben, im Nacken bändigte, und ich konnte mich nicht losreißen von ihren Brustwarzen, die immer steif und fest standen, als hätte jemand, - Christoph? Ich? -, unmittelbar zuvor an ihnen gesaugt oder sie mit einem Eiswürfel umkreist, um schließlich die Spitzen vorsichtig zu betupfen. Ich selbst bin groß und schlank und selbst als Kind nie niedlich genannt worden. Meine Nase ist zu lang und so grade wie die eines römischen Kriegers, der nicht schön sein muss, um zu beeindrucken. Mir gefällt sie nicht, sie macht mich hart. Meine Augen sind von einem schmutzigen Blau, mein Lächeln ist scheu, und damals hatte ich diese Unart, leicht gekrümmt zu laufen, weil ich gern kleiner gewesen wäre, hilfloser, schutzbedürftiger. Gabriela war herrlich unkonventionell. Sie kokettierte, mag sein, oft unbewusst, obgleich sich ihrer fast kindlichen Reize mit Sicherheit bewusst, und sie hatte diese Lippen, die ich wollüstig taufe, obgleich das Wort so antiquiert zu sein scheint wie das von elterlichen Vorstellungen geprägte Weltbild der Zweiundzwanzigjährigen, das ich in meinem Kopf zu verteidigen bemüht war: Frauen begehren andere Frauen nicht. Sie haben Schwestern, Freundinnen, aber sie genießen es nicht, bei einer Umarmung die Brüste der anderen zu spüren. Und mehr berühren zu wollen. Um auch berührt zu werden.

Meine Erinnerung an Maria habe ich mittlerweile lieb gewonnen. Damals - ich war siebzehn - lagen wir in einem riesigen Doppelbett in einem kleinen Dorf in der Nähe von Valencia, das war eben so, ihre Eltern hatten sich auch nichts dabei gedacht, hatten mich eingeladen, die Ferien mit ihnen und den sechseinhalb Kindern (eins war noch im Bauch) zu verbringen. Wir alberten mit spanischen Jungs herum, Marias Mama riet uns, die Augenbrauen zu zupfen ("Siehte nich gut aus sonz") und keine "komiken" Selbstgedrehten anzunehmen ("Da isse Hassiss drin"). Maria war eine Schulfreundin, Halbspanierin, und sie selbst hatte eine übermütige Freude daran, wenn ihre Mutter "Jezz esse abba diie Wüzzken, Kinda" sagte. Würstchen waren gemeint, klar, es war wirklich lustig, wie sie das aussprach. Also aßen und zupften wir brav, rauchten trotzdem und ließen uns befummeln, freilich nicht mehr, denn zuhause warteten unsere Freunde, meiner beim Bund, Marias in Heidelberg, wo er studierte. In unserem Doppelbett gefiel es mir, wie sie so neben mir lag in ihrem kurzen weißen Baumwollnachthemd mit der feinen Spitze am Ausschnitt, die Zähne frisch geputzt, ihr Haar überall auf und unter mir, wie meins auf ihr, denn wir trugen es beide bis zum Arsch.

"Willst du mich richtig küssen?" Das war sie. Es kam ziemlich überraschend, wir hatten uns über uralte Schwarz-Weiß-Filme unterhalten und fortwährend darüber gekichert, wie Bogart und Bergmann und Grant und Kelly ihre Lippen aufeinander drückten, so ganz offensichtlich bemüht ohne Zunge, eifrig darauf bedacht, Leidenschaft zu zeigen, die vermutlich nur hinter den Kulissen stattfand. Wir hatten es ihnen gleichgetan, pressten kichernd den eigenen Mund gegen den anderen und lachten über unser Spiel, bis sie mich fragte. Und ich sah sie nur an, so klein, so schön sie war, herrlich schwarze Augen, dunkelbraune Haut, abgekaute Fingernägel, trotzdem lackiert; Brüste wie dicke, knackige Äpfel, fast zu groß für ihre Statur, überall rasiert, nur die Brauen halbherzig, das wusste ich. Ich sagte nichts, öffnete nur meine Lippen und strich sanft mit meiner Zungenspitze über ihre, war erschrocken und glücklich, als sie keinen Widerstand leistete, drang behutsam in sie ein, umkreiste mit meiner Zunge ihre, und sie war bereit für diesen einmaligen Kuss, der meinen Körper so lebendig machte wie ein Elixier, das nach sehr viel mehr schreit und dich durstig macht auf Zuckerwasser. Sie ließ mich ihre Brüste streicheln, ich war so behutsam mit ihr wie mit einem zerbrechlichen Säugling, knabberte an ihnen und wollte meine Hände wandern lassen bis hinunter zu ihrem Slip, wollte ihn beiseite schieben, meine Finger eintunken … Sie schob mich weg. "Nicht weiter. Bitte." Augenblicklich fühlte ich mich ernüchtert. Ich war zu unerfahren, um ihre Befangenheit - war es Abneigung oder Angst? - bedenkenlos beiseite schieben zu können, wusste nichts von der Kunst, wortlos überreden zu können. Hätte ich einfach weiter machen sollen? Sie atmete schwer, immer noch neben mir, immer noch mit meinem linken Arm unter ihrem Kopf. Ich biss mir auf die Lippen, viel zu fest, es tat weh, ich schmeckte Blut und traute mich nicht, zu fragen. Sie sagte: "Ich will das vergessen." Und ich küsste sie sanft, ganz sanft auf die Stirn und sagte: "Dann vergiss es, Maria."

Mein Sommer mit Gabriela war ein anderer. Ich war nur unwesentlich kühner, selbstbewusster als mit siebzehn, aber dieses Mal war ich die Verführte, gefiel mir in der passiven Rolle der so sanft und doch so fordernd Überwältigten und wusste gleichzeitig, dass ich mir nichts sehnlicher gewünscht hatte. Tatsächlich belog ich mich, indem ich mich selbst davon zu überzeugen versuchte, unfreiwillig eine Geschichte zu erleben, die nicht sein durfte. Dachte ich. Heute sehe ich mich klar und deutlich vor mir, sehe mich nackt und höre mich stöhnen, und es ist der pure Genuss, der mir diese glücklich gestammelten Laute entlockt, für die ich mich niemals wieder schämen würde. Hätte ich damals Marias Bitte, nicht fortzufahren, ignorieren sollen? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass Gabriela es nicht akzeptiert hätte, wäre ich unsicher vor ihr zurückgewichen, als sie meine Brüste mit diesem scheußlich-schönen Wein nässte, den wir mit zum Baggersee genommen hatten, um ihn - widerlich aufgewärmt von der Sonne, die ihn nicht besser machte - auf unseren ausgebreiteten Handtüchern tranken. Es war heiß, wir waren zu faul, um uns mit der Pflichtlektüre zu beschäftigen, die wir eingesteckt hatten, und das Bad im See war weniger erfrischend denn ermüdend gewesen. Wir lagen dort nebeneinander, nur mit dem Bikini-Slip bekleidet, daran störte sich niemand, teilten uns eine Zigarette und verdrehten die Augen, wenn wir einen Schluck aus der Flasche nahmen. Den Rest schüttete sie über meine Brüste, es kam zu plötzlich, um irgendwie richtig oder auch falsch reagieren zu können, und sie lachte und beugte sich über mich, schleckte den Wein von mir ab und liebkoste dabei, nur für Sekunden, meine Warzen mit ihren Lippen, als wären wir allein oder unsichtbar. Oder einfach nur wir. "Göttlich. Ich könnte dich mit einem Strohhalm aufsaugen." Sagte sie, lachte, küsste mich wie unzählige Male zuvor auf den Mund, sah mich an, sagte: "Mach ihn auf." Es war Maria, die mir einfiel, ich sah sie wieder vor, neben, unter mir, und doch war es Gabriela, deren Zunge ich erlaubte, in mir sein zu dürfen. Und ich war mir bewusst, dass wir dort am See mit all den Unerwünschten um uns herum nicht liegen bleiben konnten. Während wir uns küssten, spürte ich ihre Brüste an meinen, es war, als würden die Spitzen sich wie selbstverständlich treffen, um sich zu umtanzen, und ich wollte nur noch weg. Wollte mit ihr zusammen sein in dem großen Rattanbett mit dem einäugigen Riesenteddy zwischen den Kopfkissen, der ein Geschenk von Christoph war und den ich in die hinterste Ecke des Miniatur-Schlafzimmers meiner Freunde werfen wollte, um nicht an den Mann erinnert zu werden, den ich mochte und trotzdem verfluchte.

Mit der Linie 223 fuhren wir zurück, schwiegen und schauten und lächelten und schwiegen wieder, wie frisch Verliebte das machen, die noch keine Worte brauchen, um Nähe zu definieren. Ich war verlegen, ich glaube, auch sie, obgleich Gabriela zwischendurch scherzte - irgendein dummes Zeug - was ich nicht konnte, weil ich ihre Finger und ihren Mund betrachtete. Ich traute mich nicht, sie im Bus während unserer Heimfahrt zu berühren, ängstlich, mich zu verraten, voller Panik, zu erröten vor all den fremden Blicken der Mitreisenden, von denen ich glaubte, sie wüssten, was wir vorhatten.

Es war später Nachmittag, als wir nebeneinander lagen, um uns gegenseitig atmen zu hören. Wir sprachen nicht, lagen nur da, rauchten und tranken gelben Sekt, der keine Kohlensäure hatte und kaum gekühlt war. Und ich dachte: Gott, lass es immer so sein. Ich möchte nackt mit Gabriela auf einer Wiese schlummern, möchte Mohnblumen riechen und sie einfach nur spüren, will sie überall und auf ewig küssen, fühlen, schmecken, will ihre Hände, ihr Haar, ihre Lippen konservieren, hinter Glas sperren, mir nehmen, wann immer ich es möchte. Ich dachte an Bernd, nur sehr kurz, der Gedanke, sein Bild schlich sich widerwillig ein, dachte an seine trockenen Sätze: "Wieso kommst du nicht? Was dauert das denn?" Mit Gabriela dauerte es nicht. Und heute schenke ich mir selbst, was sie mir vergönnt hat: Nicht uneigennützig, aber so großzügig, wie nur ich selbst zu mir sein kann.

Dieser Sommer mit Gabriela war auch ein Sommer mit Christoph. Er gab uns das Feste, das Harte, das wir vielleicht nicht brauchten, das aber angenehm war. Weil wir durch ihn, der bereitwillig so oft zwischen, neben uns lag, doch immer wieder Hoffnung hatten, nicht durchweg füreinander bestimmt zu sein. Gabriela wünschte sich Kinder. Christoph auch. Ich nicht. Und irgendwann war es vorbei.

Im Herbst lernte ich Frank kennen. Drei Jahre später heirateten wir, nach sieben folgenden dunklen Jahren war es aus. Vielleicht bin ich unfair: Es gab auch gute Momente. Keine Schwangerschaft, zum Glück. Irgendwann muss ich ihn mir angesehen haben, zum ersten Mal wirklich, diesen Mann an meiner Seite, der sich selbst so liebte, wie ich nie geliebt habe. Auch Gabriela nicht. Oder doch? Es war nur ein Sommer. Vielleicht kommt ein zweiter, der mich verbrennt. Ich habe Gregor kennen gelernt. Und Hanna. Ich entscheide mich, wenn einer von beiden mir sagt: "Du schmeckst wie Freiheit. Wie die Erde, unter der wir einmal liegen werden." Dann weiß ich, dass ich am Ziel bin.


Karin Reddemann: Gottes kalte Gabe Dr. Ronald Henss Verlag ISBN 3-9809336-3-6 Karin Reddemann
Gottes kalte Gabe

Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-9809336-3-6

kleine mysteriöse Welten, in denen es sowohl gruselig und unheimlich zugeht als auch ironischwitzig und ein wenig erotisch. Und fast immer raffiniert überraschend.
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