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Eingereicht am
27. Mai 2007

Die Dorfkirche

© Teodor Horvat

Das Dorf "Kerndia" wurde damals von einem Bischof, mit deutschen Siedlern gegründet. Kerndia war damals ein rein deutsches Dorf mit 1.670 Einwohner. Dankend dem Dorfbewohner und dem Architekten und Baumeister F.F. aus Vukovar, bekam das Dorf eine Dorfkirche. Die Kirche wurde im Baustil des Art-Déco gebaut, gewidmet heiligen Kreuz und am 3.5.1937 feierlich geweicht. Gleich galt sie als eine der schönsten und der größten Dorfkirchen weit und breit. Die Freude währte nicht lange und an einem herrlichen Sonntagmorgen, in Herbst 1944 als sich die ganzen Familien für den Kirchgang vorbereiteten, verbreitete sich die Nachricht von einer Evakuierung der deutschen Bevölkerung. Man musste Abschied nehmen, von Menschen, die einem lieb und teuer waren, von Bergen und Seen, an denen sich Auge und Herz erfreuten sowie von jedem Stein und Blümchen am Wegesrand. Vielleicht war es genau so dem Abraham zumute, als der Herr zu ihm sprach: "Gehe aus deinem Vaterland und von deiner Freundschaft und aus deines Vaters Haus in ein Land, das ich dir zeigen will." Nach etwa 8 Tagen, als die neuen Machthaber alle Deutschen im Landkreis eingefangen hatten, begann die Quälerei. Was soll man auf einem Wagen, der von zwei Pferden gezogen wird, aus einem Bauernhof mitnehmen? Es währe gewiss etwas Hausrat, Kleidung und vor allem drei Sack Hafer für die Pferde, sehr wichtig, mit zunehmen. Als sich die Kolonne am späten Nachmittag in Bewegung setzte, die Volksdeutschen sangen das Lied: "Jesu geh voran" und die Reise ins Ungewisse begann. Die Deutschen wurden evakuiert und das ganze Dorf war bis auf das Letzte ausgeraubt und geplündert. Sogar die Fenster und Türen waren verschwunden. Die Dorfkirche wurde ebenso schwer beschädigt. Sogar der Architekt F.F. war nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Vukovar vertrieben und sein ganzes Vermögen beschlagnahmt. Nach dem Krieg hatte das geplünderte Dorf eine neue Bestimmung erhalten, es wurde zum Todeslager für die Deutschen. Das gesamte Lage war rundum zur Straße und zu Feld und Wald mit einem hohen Zaun umgeben, dessen Eingangstor von mehreren Soldaten streng bewacht wurde. Die Lagerinsassen mussten den Stacheldrahtzaun um das Dorf selber ziehen und drei bis viertausend Menschen von denen 1300 in dem Lager starb, wurden von etwa 20 Partisanen bewacht. Das Lager besaß mehrere große Baracken. Die Baracken waren aus dem Holz erbaut und hatten alle die gleiche Struktur. Der Eingang lag in der Mitte und in Baracke befand sich ein einziger großer Raum. In den ehemaligen Wehrmachtsbaracken waren die Fenster mit Brettern zugenagelt, auf den Etagenbetten und auf dem Holzfußboden ohne Unterlagen oder irgendwas zum Zudecken mussten die Lagerinsassen schlafen. Flöhe und Läuse gab es massenhaft. In den dunklen Baracken kamen vor allem die Wanzen überfallartig aus den Holzfugen heraus. Neben mehreren Baracken für Volksdeutsche befand sich noch eine Baracke, die für Kriegsgefangenen deutschen Soldaten bestimmt war. Weitere Baracken dienten als Küche, Toiletten und Lagerräume. Die Verpflegung in dem Lager war sehr schlecht, oder besser gesagt das war gar keine Verpflegung. Morgens gab es Tee, natürlich ohne Zucker. Mittags eine dünne Bohnen- oder Kartoffelsuppe, in der nur wenige oder überhaupt keine kleinen Kartoffelstückchen oder Bohnenschalen mit sehr wenigen Nudeln herumschwammen. Mit ein wenig Einbrenne hat man die Suppe trüb gemacht und das alles ohne Salz und Fett. Trinkwasser gab es nur am Morgen und am Abend. Wenn jemand unter der Zeit Wasser geholt hat, musste er bis zu drei Stunden in der Sonne stehen und dabei in die Sonne schauen. Dazu wurde er an einen Pfahl gebunden (gefesselt) und ein Stück Holz wurde zwischen Unterkiefer und Brustbein eingeklemmt, damit der Kopf nicht nach vorne geneigt werden konnte.

Manchmal gab es ein kleines Stückchen Brot aus Mais- oder Gestenschrot aber natürlich auch ohne Salz. Viele aßen Grashalme und Blätter vom Maulbeerbaum. Es ging nur ums nackte Überleben. Lagerinsassen erkrankten sehr bald an der Ruhr und haben alle zum Skelett abgemagert. Beim ständigen Durchfall war der Weg zur Latrine am schlimmsten. Die einzige sanitäre Einrichtung im ganzen Todeslager. Klopapier gab es natürlich nicht. Es gab ja nicht einmal Wasser, um sich die Hände zu waschen. Die Leute mussten sehr aufpassen, um auf dem "Donnerbalken" nicht das Gleichgewicht zu verlieren und rückwärts in die Latrine zu fallen. Manche haben auch so ihr Leben verloren, sie erstickten in der Kloake. Wegen Mangelhafte oder gar keine Hygiene, starben viele. Zuerst setzte die Kindersterblichkeit ein. Es starben innerhalb von drei Tagen etwa 35 Kinder im Alter bis zu vier Jahren. Es waren keine Särge oder Kisten vorhanden, so wurden sie ohne Särge begraben. Danach erlaubte der Lagerkommandant den Frauen und größere Kinder, für die Kleine, in den umliegenden Dörfern Betteln zu gehen, um sich so Nahrungsmittel und vor allem Milch zu beschaffen. Die Kinder sind jeden Morgen durch den ganzen Ort gelaufen, um die Toten zu zählen und um zu sehen, ob jemand von den Verwandten und Bekannten aus ihrem Heimatort dabei war. Es gab täglich zehn bis fünfzehn Tote. Diese mussten am Morgen gleich vor das Haus auf die Straße gelegt werden, von wo sie mit einem Pferdefuhrwerk abgeholt und ohne Särge in einem Massengrab verscharrt wurden.

Am Morgen des ersten Weihnachtstages stapften die Volksdeutschen durch hohen Schnee über ganzes Lager bis letzte Baracke, wo ein Lagerinsasse, der ein Geistlicher war einen Weihnachtsgottesdienst hielt. Beim Singen der altbekannten Lieder wurden viel Tränen vergossen. Es gab keine Geschenke und gar kein Weihnachtsessen, aber viel Heimweh, das einzige Wunsch für viele Volksdeutschen, die wirklich am Ende waren. Dabei vergaßen sie nicht an den wichtigsten Grund Weihnachten zu feiern, an Jesus Geburt und freuten sich sehr darüber. Ehemalige Lagerinsasse und andere Donauschwaben, die an diesem Ort gewesen sind, werden sicher noch gelegentlich daran denken und sich an verschiedene Begebenheiten erinnern. Heute sind die Dorfbewohner und deren Nachkommen in aller Welt zerstreut und das Dorf Kerndia ist schon längst zerfallen. Nur die Kirche und das Denkmal in Lagerfriedhof Kerndia, wurden erneuert, dankend dem Nachkommen der ehemaligen Dorfbewohner und zeugen über vergangene Zeiten.




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