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Eingereicht am
06. Juli 2007

Der Psychopath

© Gaby Schumacher

Sie hatten ja keine Ahnung von dem, was er durchmachte.

Überall um ihn herum lauerten sie, versuchten ihn zu demütigen, ihn mit Argumenten und sogar Fäusten zu dem zu machen, was sie selber waren. Sie zeigten Selbstbewusstsein sowie Stärke gegenüber den Mitmenschen, liebten sich oder stritten, kämpften, intrigierten, hassten. Im Gegensatz zu ihm meisterten sie ihr Leben, jeder auf seine Art. Er war nur Zuschauer.

Während der Konfrontation mit dem Alltag da draußen vor der Türe tobte es in ihm, ließ es ihn keine Ruhe finden, wühlte und drängte es in ihm. Es trieb ihn zu Verhaltensweisen an, die ihn zu einem besonderen Menschen machten, einem Menschen, der leicht aneckte, abseits stand und der in manchen Situationen sogar als Gefahr angesehen wurde.

In Gesprächen spürte er die Überlegenheit der Anderen, krümmte sich im Bewusstsein und Schmerz des eigenen Unvermögens innerlich zusammen. Seine Seele schrie, wollte sich befreien aus ihrem inneren Gefängnis, um sichtbar zu werden und ihn als zu beachtenden, als Persönlichkeit ernstzunehmenden Menschen da stehen zu lassen. Doch der Kerker der Psychose verschluckte jene Auflehnung aus Verzweiflung, in die sich zunehmend mehr Wut mischte, je länger und je öfter er mit seiner eigenen Unzulänglichkeit und den eigenen Ängsten konfrontiert wurde.

Nicht mehr lange würde er es ertragen, angestarrt zu werden wie ein minderwertiges Etwas, am Rande der Gesellschaft hilflos ihren immer heftiger werdenden Anfeindungen ausgesetzt, Verfolgter zu sein. Des Nachts half ihm seine Fantasie, die Niederlagen des Tages zu verarbeiten, umzuarbeiten in wilde, nicht selten brutale Träume des Siegens und Besiegens seiner Feinde, jener Leute, die nur darauf aus waren, ihm zu schaden, ihm das Leben zur Hölle zu machen und ihn sogar letztendlich zu vernichten..

Er bekämpfte sie mit boshaften Ränkespielen bis hin zum Exzess. Erdrückte ihn die Überlegenheit des Gegners, verlor er die Selbstbeherrschung und wütete wie ein wilder Stier, schlug um sich, entwickelte in seinem Wahn wahre Bärenkräfte und ließ dem Bösen, das ihn beherrschte, aus irrer Verzweiflung völlige Freiheit.

Allein dadurch lockerten sich seine inneren Fesseln. Nur dann vermochte er zu atmen wie alle Anderen. Er war ein Jemand, fähig, sich zu behaupten, seine Feinde mundtot zu machen, wenn auch nicht deren Respekt hervor zu locken, dann sie doch wenigstens in Angst zu versetzen. Er schaffte es, seine Mitmenschen zu manipulieren, eine Machtposition einzunehmen und diese für sich zu nutzen, zu bedrängen und zu bedrohen, bis seine Mitmenschen wegen der Unberechenbarkeit seiner Spontangriffe, die ihn durchaus zum Mörder hätten werden lassen können, vor ihm zitterten.

Nun war er der derjenige, der alle Fäden in der Hand hatte und seine Mitmenschen gleich Marionetten nach seinem Gutdünken zu dirigieren wusste. Seine Denkweise war für sie nicht nachvollziehbar, nicht einschätzbar. Dadurch wurden sie hilflose Instrumente seines Wahnsinns, fassungslose Zeugen seiner dunklen und perversen Fantasien. Sie würden nie verstehen ...

Angekettet im Verließ der Normalität war es ihnen nicht vergönnt, die Großartigkeit seines Denkens und seiner Persönlichkeit zu erkennen.

In seinem Wahn fühlte er sich endlich frei.




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