Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
Eingereicht am |
Was nun? - Egal!© Rosmarie R.Die Bank an der Busstation liegt voll in der Sonne. Es ist fünf Uhr abends und dass ich so schwitze liegt nicht nur am heissen Sommerwetter. Schon den ganzen Tag spürte ich, dass heute noch was passiert. Mehrere Stunden habe ich vor dem PC verbracht was normalerweise bei solchem Wetter nicht mein Ding ist. Ich liebe es die Sommertage im Garten zu verbringen, aber heute war eben alles anders. Eine gewisse Unzufriedenheit nahm immer mehr Besitz von mir und kaum war Paul nach der Arbeit daheim brach es aus mir heraus. Eine Kleinigkeit nur, ich habe schon vergessen was es war und der Streit eskalierte. Keine Stunde später holte ich den Koffer vom Dachboden und verzog mich ins Schlafzimmer. Ich musste weg hier und packte schnell das Nötigste ein. Paul liess mich machen, er dachte wohl dass es so sein wird wie die anderen Male. Ja, ich hatte den Koffer schon öfters ein- und ein paar Stunden und Gläsern Wein wieder ausgepackt. Dieses Mal nicht! Ohne mich zu verabschieden verliess ich das Haus und schleppte den schweren Koffer über den Kiesweg. Plötzlich hörte ich ein leises "Hallo", da sah ich meine Nachbarin im Steingarten sitzen. Sie sah mich ganz komisch an. Ich grüsste zurück und lief weiter. Ein paar hundert Meter weiter setzte ich mich auf die Bank an der Busstation. Was nun? - Egal!
Zuerst einmal muss ich mich beruhigen, mein Herz klopft ziemlich stark. Ich kann es noch gar nicht glauben, es ist wahr - ich habe es getan. Wie soll es nun weitergehen? Wohin wird mich mein Weg führen? Erst einmal schaue ich auf den Fahrplan. Der nächste Bus fährt in 15Minuten in ein Nachbardorf, ca. 30km entfernt. Den werde ich nehmen denn ich möchte so schnell wie möglich hier weg. Gott sei Dank habe ich hier auch noch die Gelegenheit Geld zu beziehen, die Busstation liegt gleich neben der Bank. Ohne genügend Kleingeld werde ich wohl kein Zimmer für heute Nacht bekommen. Trotz all der Aufregung fühle ich mich ziemlich gut und freue mich auf das was kommt. Bei jedem Auto das ich kommen höre habe ich die Befürchtung es könnte Paul sein aber es ist niemand den ich kenne. Plötzlich klingelt mein Natel, meine Tochter ist am Apparat. "Hallo Mum. Was ist denn los bei Euch. Paul hat mich angerufen und mir erzählt, dass Du weg bist. Ich mache mir Sorgen!" "Du musst Dir keine Sorgen machen meine Süsse. Es geht mir gut. Ich habe jetzt aber keine Zeit weil mein Bus kommt. Ich melde mich später bei Dir". Vermutlich hat sie mir angehört, dass es mir nicht so schlecht geht und hängt auf. Erst jetzt wird mir bewusst, dass es wohl noch ein paar Menschen gibt die sich Sorgen um mich machen werden. Was nun? - Egal!
Ich besteige den Bus und löse mein Ticket. Einfache Fahrt, kein Zurück! Ich suche mir einen Sitzplatz, der Bus ist etwa zur Hälfte besetzt. Ich sehe mir die Menschen an. Schüler die einen langen Tag hinter sich haben, Menschen die von der Arbeit nach Hause kommen und Ausflügler sind auch dabei. Jeder dieser Menschen hat eine Geschichte, ob sie mir wohl ansehen was passiert ist? Manche schauen mich komisch an, oder bilde ich mir das nur ein? Wie auch immer, ich bin immer noch überzeugt von dem was ich mache. Nach einer angenehmen Fahrt durch den Wald kommen wir am vorläufigen Ziel an. Auf dem Weg habe ich mir schon überlegt wie es nun weitergehen soll. Von Fahrten durch dieses Dorf kenne ich ein Hotel das in der Nähe des Bahnhofs liegt, wo gleichzeitig auch eine Haltestelle des Busses ist. Dort werde ich mal nachfragen. Ich ziehe den Koffer, der doch ein ziemliches Gewicht hat, hinter mir her. Er ist zwar mit Rollen bestückt, da aber eine davon klemmt ist es eine ziemlich mühsame Angelegenheit. Beim Hotel angekommen stelle ich fest, dass sich die Rezeption in einem anderen Haus befindet. Leider habe ich keine Ahnung wo sich das im Dorf befindet. Also ziehe ich mit meinem Koffer weiter, über die Brücke in die Altstadt dieses berühmten Touristenortes. Wenigstens falle ich dort nicht auf denn es ist Saison und es sind noch andere Menschen mit Gepäck unterwegs. Ich bin müde, hungrig und die ersten Zweifel stellen sich ein. Was nun? - Egal! Ich werde nicht aufgeben und nehme mir vor das erstbeste Hotel zu nehmen. Also ziehe ich meinen lädierten Koffer weiter über das Kopfsteinpflaster, weitherum hörbar. Was solls, einige Gassen weiter sehe ich von weitem ein Schild und ich nehme mir vor dort ein Zimmer zu nehmen, egal was es kosten soll. Es wird immer später und meine Laune sinkt. Zufälligerweise befindet sich in diesem Hotel die Rezeption für das ursprünglich ausgewählte Haus und so buche ich ein Zimmer dort für eine Nacht ohne Frühstück. Schliesslich möchte ich so früh wie möglich weiter. Wohin - keine Ahnung, es wird sich zeigen. Auf dem Rückweg zum Hotel kaufe ich mir was zu essen und trinken. Es ist beruhigend zu wissen wo man die nächste Nacht verbringen wird. Natürlich hätte ich auch bei diversen Freunden unterkommen können aber ich möchte im Moment alleine sein. Als ich endlich im Hotelzimmer den Koffer abstellen kann wird mir bewusst was in den letzten Stunden so alles passiert ist. Hier bin ich nun, in einem fremden Zimmer und kann mir endlich mal Gedanken darüber machen wie es weitergehen soll. Zuerst gönne ich mir aber eine Dusche, danach fühle ich mich wieder ein Stück besser. Plötzlich piep-piep piep-piep, mein Natel. Eine SMS von Paul, soll ich es lesen oder gleich löschen? Die Neugier siegt, ich lese: "bitte komm zurück, ich kann ohne Dich nicht leben!!". Eigentlich habe ich auch nichts anderes erwartet. Ich antworte nicht sondern lösche die SMS. Es wird nicht die einzige bleiben an diesem Abend. Bei der letzten schreibe ich zurück: "lass mich in Ruhe" und stelle das Natel ab. Im Laufe des Abends muss ich das Hotel noch einmal verlassen, ohne Koffer kann ich den Spaziergang durch diesen schönen Ort sogar geniessen. Da ich in meinem Superzimmer kein Telefon habe und mein Natel kein grosses Guthaben mehr aufweist muss ich mir eine Gelegenheit zum telefonieren suchen. Bei der Poststelle finde ich einen öffentlichen Apparat und rufe meine Eltern an. Paul hat sich noch nicht bei ihnen gemeldet und so kann ich ihnen erzählen was passiert ist und sie gleichzeitig davon überzeugen, dass es mir gut geht. Danach mache ich noch einen Anruf bei meiner Tochter und erkläre ihr alles. Es wird schon langsam dunkel als ich wieder im Hotelzimmer eintreffe, wo was trinke und ein Brötchen esse. Danach schalte ich den Fernseher ein der mich ein bisschen ablenken soll. Das funktioniert nicht wirklich und mit der Müdigkeit kommen die Zweifel zurück. Wohin gehe ich morgen und wie soll es weitergehen. Nicht zum ersten Mal in meinem Leben stehe ich vor einem Neuanfang, wird er mir gelingen? Plötzlich breche ich in Tränen aus, es war wohl alles ein bisschen viel heute. Aber ich will nicht aufgeben, nicht nachdem ich schon soweit gegangen bin. Also versuche ich zu schlafen mit der Hoffnung, dass ich mich am Morgen wieder besser fühlen werde. Was nun? - Egal!
Nach einer nicht wirklich guten Nacht erwache ich relativ früh am Morgen. Ich fühle mich besser und steige erst einmal unter die Dusche. Danach packe ich meinen Koffer und laufe zum Bahnhof. Dort kaufe ich mir einen Kaffee und studiere den Fahrplan. Ich weiss jetzt, dass ich den Bus in die nächste Stadt nehmen werde und von dort aus den Zug zu meinen Eltern bei denen ich unterkommen werde bis das Gröbste geregelt ist. Da ich dummerweise meine Medikamente vergessen habe muss ich notgedrungen Paul anrufen. Er freut sich über meinen Anruf, er meint wohl ich hätte es mir überlegt und käme wieder zu ihm zurück. Ich bitte ihn mir die Medis zum Bahnhof der Stadt zu bringen wo ich den Zug nehmen werde. Er willigt sofort ein und wir machen einen Treffpunkt ab. Dann rufe ich meine Eltern an und frage sie, ob ich bei ihnen für kurze Zeit wohnen könne. Meine Mutter bejaht meine Frage sofort und meint, dass sie sich sogar darauf freue mich eine Weile um sich zu haben. Das wäre also auch geklärt. Es dauert noch eine Weile bis der Bus eintrifft, die Wartezeit verbringe ich auf einer Bank an der Sonne und fange an mich auf die kommende Zeit zu freuen. Bald darauf ist es Zeit einzusteigen, ausser mir sind nur noch zwei Personen im Bus und ich geniesse die schöne Fahrt durch eine wunderschöne ländliche Gegend. Schon beim verlassen des Busses sehe ich Paul in dem Cafe in dem wir abgemacht haben. Es ist ein komisches Gefühl ihn dort sitzen zu sehen. Ich begrüsse ihn, stelle den Koffer hin und hole mir einen Kaffee. Die Medikamente hat er mir mitgebracht und auch das vergessene Ladegerät für mein Natel. Kaum habe ich mich gesetzt bestürmt er mich zurück zu kommen. Ich verneine ganz bestimmt und sage ihm, dass mein Entschluss feststeht. Er sieht elend aus und hat bestimmt kaum geschlafen, Mitleid habe ich aber keines mit ihm. Obwohl die 13 Jahre mit ihm nicht immer nur schlecht waren ist er in meinen Augen schuldig daran, dass ich ihn nun verlassen habe. Als es mir zuviel wird stehe ich auf und sage ihm, dass ich mir noch das Billett kaufen muss. Ich laufe einfach davon und hole mir mein Ticket. Gott sei Dank steht der Zug schon da und ich steige gleich ein. Paul sehe ich nicht mehr, vermutlich ist er auch schon gegangen. In dem Moment als der Zug abfährt geht ein Glücksgefühl durch mich durch. Ich habe es geschafft und dieses Mal werde ich es durchziehen. Was nun? - Egal! Ich fühle mich seit langer Zeit wieder einmal frei. |