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Aaron und seine Puppenerotik

© Hans-Joachim Heider

Das Geheimnis der erotischen Dekorationen war nicht gelüftet. Zwei Mitarbeiterinnen vertraten die Ansicht, es sei der Aronstab, der bei jeder seiner Arbeiten irgendwo auftauchte. Meist hielt ihn eine der beiden weiblichen Puppen in der Hand. Barbara gab zu, dass der Blüten- und Fruchtstand, dieser gekrümmte gelbe oder rote Körper, eine gewisse phallische Symbolik in sich trage. Aber dieser Blüte allein wollte sie auf keinen Fall die erotische Wirkung zuschreiben, die Aarons Dekorationen unumstritten hatten.

Bei Aaron war seine auffällige Bindung an den Aronstab mehr als Markenzeichen oder Leitmotiv. Diese Bindung steckte tief im Kern seiner unbegreiflichen Persönlichkeit. Aaron hieß eigentlich Peter, nur wurde er seit seiner Kindheit Aaron gerufen, - wegen der fast krankhaften Auffälligkeit, mit der er sich für diese Pflanze interessierte. Barbara reflektierte, ob sie Aaron wirklich kennengelernt hatte.

Barbara lehnte gegen den Kassentisch und stierte mit unsichtigen Augen an den beiden Puppen vorbei auf die Straße. Sie blickte, wie von einem einsamen Wachtturm, auf vierzehn Wochen ihres rasant fließenden Lebens. In den letzten Wochen war jeden Montag ein Fotograf mit seinem Team in der Boutique "Famm Fatal" erschienen, um Bilder der Schaufensterdekorationen zu machen. Diese Aufnahmen waren Teil der Abmachung, die Aaron mit Barbara getroffen hatte. Sie blickte über die Köpfe der beiden Puppen hinweg, um sich an die erste Begegnung - an alle Begegnungen - zu erinnern.

"Ich mache dieses Jahr einen Kalender mit dem Titel "Puppenerotik"", waren Aarons Worte gewesen.

Dieser Titel schien provozierend, sogar anmaßend. Außerdem waren Erotik oder Sexualität nie ein Kriterium bei der Auswahl ihrer Modekollektion gewesen. Bekanntermaßen hatte Barbara eine zwiespältige Beziehung zu diesem menschlichen Grundbedürfnis. Aaron versicherte ihr, dass Erotik, vor allem Puppenerotik, mit Sexualität nichts zu tun habe. So stimmte sie den Vereinbarungen zu.

Barbara war Aaron auf dieser fünfziger Geburtstagsfeier begegnet, die sie mit ihrem Mann Roland besucht hatte. Gegen Abend war ein fünfundzwanzigjähriger Schönling aufgetaucht. Das Geburtstagskind Gudrun, eine frühere Mitarbeiterin, hatte Aaron als ihren Sohn vorgestellt. Auf dieser Party hatten Barbara und Aaron oft und lange getanzt.

Aaron war Barbara auf den ersten Blick unsympathisch gewesen, denn dieser junge Mann, Student der Kunsthochschule, wirkte abstoßend perfekt. Schockiert beobachtete Barbara, wie er den dunklen Flur durchmaß und geradewegs auf sie zuschritt, - groß, schlank, mit sportlichem Gang und einem Haarschopf von güldenem Blond. Barbara grinste innerlich. Mit ausgestreckter Hand eilte er auf sie zu, lächelnd, als hätte er seit seiner Geburt auf diesen erhabenen Augenblick gewartet. Barbara verspürte eine tiefsitzende Abneigung gegen schöne Männer und besonders gegen solche, die sie durch ihre Erscheinung entblößen, die ihre Knie entkräften, die sie stottern ließen.

Barbara konnte diesen jungen Mann nicht ausstehen, den sie gerne Schnösel genannt hätte, wenn sein Verhalten nur den kleinsten Hinweis für solch einen Titel gerechtfertigt hätte. Barbara suchte verbissen nach solch einem Hinweis, tanzte mit ihm, betrachtete seine Arbeiten, sprach über die verschiedensten Themen und entdeckte an ihm nur den Makel geschlechtlicher Attraktion.

Beim ersten Tanz, einem Tango, hegte Barbara die Hoffnung, dass er entweder überhaupt nicht tanzen könne, dass er zumindest keinen Tango tanzen könne oder diesen Tanz mit abstoßender Perfektion beherrsche. Welch herbe Enttäuschung! Barbara hing in seinen Armen und wünschte, der Tanz solle eine Stunde länger dauern. Sie war zu Willenlosigkeit geschrumpft und das Beklemmende war, dass sie diesen Zustand genoss. Aaron versuchte der klassischen Tanzform genüge zu tun und den Frauenkörper nur zu tangieren, ihren Busen nur zu streifen, aber sie verlangte nach Wildheit und presste sich an den jungen Mann. Barbara tanzte sich in die Falle ihres körperlichen Problems hinein. Erotik, oder besser gesagt Geilheit, saugte Blut aus ihrem Gehirn, um alle Weiberattribute mit diesem heißen Saft zu überschwemmen. Der junge Mann war sichtlich irritiert, als die harte Schwellung ihres Busens seinen Brustkorb rieb. Er war verlegen, denn ihre verfestigten Knospen bohrten sich nicht nur durch Barbaras Pullover sondern rieben Brandspuren in seine Haut.

Heißer Blutstrom härtete ihre Bauchdecke. An diesem Punkt wäre Umkehr noch möglich gewesen, aber sie tanzte weiter. Blut spannte ihre Vulva. Barbara kannte diesen Effekt nicht gut genug. Sie war erst ein Mal zur brennenden Bestie geworden, - nachdem sie Roland geheiratet hatte. Sonst hätte sie die Verlobung aufgelöst. Der Totalausfall ihres Betriebssystems war bisher nie eingetreten.

Barbara versuchte noch andere Tänze. Aarons elegante Perfektion reichte nicht für seine endgültige Verdammnis. Sie hasste ihn, Barbara wusste, dass sie ihn hassen musste. Aaron hatte ihren erotisierten Zustand den anderen Gästen nicht offenbart. Er hätte sie nach dem Tanz zu Roland zurückführen können, um dessen Eifersucht zu entzünden. Auch hier war sein Verhalten abstoßend perfekt. Barbara rätselte, wieso sie diesen jungen Mann unbedingt verdammen musste.

Aaron führte Barbara aus dem Wohnzimmer, durch den dunklen Flur und bat sie in sein Zimmer. Er drängte sie nicht ins Zimmer oder schubste die willenlos geküsste Frau in seine Liebeslaube. Aaron war vorbildlich. Barbara folgte in sein Zimmer, sehnte sich danach, dieses Zimmer kennenzulernen.

Barbara war klar, dass Aaron ihr hormonelles Brodeln erkannt hatte. Er war aufmerksam wie ein schüchterner Liebhaber und war kein Liebhaber. Er bat, ein paar Portraits machen zu dürfen. Barbara stimmte zu, folgte seinen Anweisungen, lächelte in die Digitalkamera, blickte ernst, warf den Kopf zurück, dass die roten Locken um die Schultern schwebten. Anschließend fütterte Aaron die Dateien in den PC und sie betrachteten gemeinsam die Bilder. Er saß vor dem Bildschirm, Barbara schaute über seinen Kopf hinweg, die Hände auf seine Schultern gestützt. Bei jedem Bild war ihr Busen der untere Abschluss. Ihr Lächeln, ihr Haar, die Schultern waren packende Erotik. Ungewollt neigte sich Aarons Hinterkopf zurück. Ihr Busen rieb an seinem Haar. Sein blonder Schopf kitzelte über ihre gespannten Hügel. Barbara schwankte bereits und drohte, die Besinnung zu verlieren.

Aaron drehte sich mit seinem Stuhl, faßte sie mit beiden Händen um die Taille und fragte: "Gefallen Ihnen die Bilder?"

Barbara kam zur Besinnung und ärgerte sich über ihre Schwäche.

"Sehr gut. Sie haben einen sicheren Blick für Details."

"Wollen Sie Abzüge?"

"Nein, mein Mann könnte sie finden!", rief sie entsetzt und merkte, dass sie sich verraten hatte.

Erschreckt betrachtete sie ihn.

Gleichgültig fragte er: "Wollen Sie meinen letzten Kalender sehen?"

Barbara war von dem Kalender begeistert, versuchte aber, ihre Stimmung zu kontrollieren. Sie wagte nicht, die Bilder genauer zu betrachten, denn bereits der schnelle Blick übte erotischen Zwang aus. Modepuppen, die als Puppen erkennbar waren und menschliche Bewegungen erschreckend eindeutig imitierten, verwirrten Barbara. Sie spürte den harten Antritt ihres Herzens. Barbara riss sich gewaltsam von der Faszination der Bilder und der Atmosphäre los. Sie schritt zur Tür und Aaron folgte ihr. Er hielt die Tür auf, - lächelte.

Sie schlenderten ins Wohnzimmer zurück. Seine rechte Hand lag auf ihrem Hüftknochen. Barbara musste jeden Fuß bewusst vor den anderen setzten. Ihre Knie schwabbelten. Er brachte Barbara zu Roland zurück, der dankbar lächelte, aber an Barbara vorbeilächelte.

"Was habt ihr nur so lange gemacht?", wollte Roland wissen.

"Aaron hat mir seine Arbeiten gezeigt. - Er macht als Studienarbeit eine Boutiquendekoration, die auch als Kalender veröffentlicht wird."

"Könnte er das nicht bei dir machen?"

"Ich nehme an, die Uni macht da gewisse Vorschriften, die ich weder erfüllen werde, noch erfüllen möchte. - Meine eigenen Dekorationen haben mir noch immer genügt."

"Und deinen Kundinnen? Könntest du mit richtigen Knallern im Schaufenster nicht mehr umsetzten?"

"Mehr Umsatz ist mehr Arbeit."

"Stell doch eine Verkäuferin auf Ein-Euro-Basis ein."

Barbara reagierte zornig: "Ich verabscheue Schmarotzertum! Wenn du als Unternehmer damit anfängst, klebt dir das wie Harz an deinen vier Fingern. Ehrliche Arbeit verdient ehrlichen Lohn!"

"Soll ich mit ihm sprechen?"

"Nein!", war Barbaras kurze und deutliche Absage.

Roland fühlte sich aus einem unverständlichen Grund verpflichtet, sich in ihr Geschäft einzumischen. Barbara verärgerte Rolands Insistenz, die überhaupt nicht zu ihrem ehelichen Verhältnis passte. Barbara stand auf und ging zur Bar, wo andere Gäste standen, plauderten und sich Getränke mischten.

Marlen, eine Mitarbeiterin, stand dort mit ihrem Freund Norris und seiner Schwester Verena. Aaron war mit Verena in ein Gespräch vertieft. Sie lehnte kess an seiner Schulter. Barbara schätzte, aufgrund des markanten Gesichts und des ausgereiften Busens, ihr Alter auf zweiundzwanzig - also ein Jahr jünger als sie selbst.

Dieses Mädchen gebraucht ihre Figur wie ein männermordendes Präzisionswerkzeug, war Barbaras erster Gedanke, den sie überheblich belächelte, weil nur eifersüchtige Frauen solchen Schwachsinn denken.

Mit halbem Ohr lauschte Barbara dem Gespräch zwischen Aaron und Verena und erfuhr, dass sie in der Abiturklasse war. Marlen zwang Barbara zu einem Gespräch über die Boutique, das ihre gesamte Aufmerksamkeit erforderte. Manchmal schielte Barbara verstohlen zu Aaron, der von seiner Gesprächspartnerin sehr angetan schien. Als sie später wieder unauffällig zu Aaron schauen wollte, war er gegangen. Auch Verena konnte Barbara nirgendwo sehen. Sie gab sich Mühe, unauffällig den Flur in Richtung Aarons Zimmer entlangzuschlendern. Man hätte meinen können, sie sei auf der Suche nach der Toilette. Hinter Aarons Tür pulsierte der harte Takt menschlichen Lebens.

Um Mitternacht setzte sich Barbara ans Klavier und spielte "Happy Birthday". Der Chor der Gäste konnte gut mithalten, aber Aaron und Verena waren nicht erschienen. Barbara wurde gebeten noch weitere Lieder zu spielen, bei denen die Gäste mitsingen konnten. Norris ging zu seinem Wagen und kam mit einer Gitarre zurück. Barbara schlug die Noten an, damit er sein Instrument stimmen konnte. Danach zog sie sich unauffällig zurück, als die Gäste den virtuosen Gitarrenläufen lauschten. Sie schaute auf die Uhr und dachte zuerst, dass kein Mensch drei Stunden ficken könne. Gleichzeitig mit diesem Gedanken überkam sie Müdigkeit. Zwei Gläser Wein hatten Barbara gelockert, dass sie sich wohlig in Wolfgangs Arme gehüllt, im Walzertakt durchs Wohnzimmer treiben ließ. Wolfgang, den Ex ihrer Mitarbeiterin Petra, hatte Barbara noch nie anziehend gefunden. Er durfte, ohne dass Barbara ihre verhasste Körperreaktion befürchten musste, über Hüften und Po streicheln. Als er sie wie ein Gockel zur Bar führte und seine rechte Hand an ihren Busen drückte, lächelte sie ihn mit unverstellter Gleichgültigkeit an. Gegen zwei Uhr morgens verspürte Barbara den Wunsch, nach Hause zu gehen. Sie musste Roland gewaltsam von seinem Stuhl ziehen, denn Alkohol und gutes Essen hatten ihn geschwächt.

Der Geburtstag spukte tagelang in verschiedenen Köpfen herum. Barbara war dieser Aaron sogar in nächtlichen Träumen begegnet. Darüber sprach sie mit Roland allerdings nicht. Roland wiederholte dafür seine sogenannte Idee, dass Aaron die Dekoration des Schaufensters machen solle. Beim sonntäglichen Frühstück entbrannte darüber ein kleiner Streit. Ihr schien dieser Einsatz für Aarons kreative Arbeit manisches Verhalten, das sie gegen Roland einnahm. Einen lächerlichen Gedanken lang überlegte Barbara, ob dieser Aaron mit der gleichen Hartnäckigkeit an sie denken könne.

Montags wurde das Thema "Schaufensterdekoration" von den Mitarbeiterinnen aufgenommen. Alle waren bei dieser Geburtstagsfeier gewesen. Alle hatten Aaron kennengelernt und sie erfuhr, dass er gegen drei Uhr eine Beamerpräsentation mit seinen Arbeiten gemacht hatte.

"Das ist super, was Aaron drauf hat", war einhelliger Tenor.

Barbara meinte das Thema schnell erledigen zu können, indem sie die definitive Frage stellte: "Weiß eine von euch, ob Aaron in unserem winzigen Schaufenster so etwas machen könnte?"

Barbara erkannte zu spät, dass nur ein klares NEIN, den Schlusspunkt hätte setzten können.

"Wir haben mit ihm gesprochen und er meinte, er müsse sich das anschauen."

"Und?", fragte Barbara.

"Gegen fünf Uhr haben wir einen kleinen Ausnüchterungsmarsch zur Boutique gemacht."

"Und?"

"Aaron war begeistert."

Barbara fühlte sich überrumpelt, war sich aber im Klaren, dass sie sich mit breiter Brust vor die losgetretene Lawine gestellt hatte. Barbara biss in den sogenannten sauren Apfel, dessen Süße bereits bei der ersten intensiven Rückbesinnung nicht nur ihren Rachen befeuchtete.

Barbara erinnerte sich haarklein, wie er mit seinen beiden Puppen gekommen war. Unter jedem Arm trug er eines dieser lebensechten Modelle. Sie hatte ihm die Tür offengehalten. Die Oberfläche der Puppenkörper war kühl und samtig wie Frauenhaut. Die Puppen lagen auf dem Kassentisch. Aus ausdrucksvollen Gesichtern starrten sie durch Barbaras Blick. Die Wangen hatten die Weichheit menschlicher Wangen. Aaron streichelte die Brust einer Puppe. Die Puppe war nachgiebig wie eine Frau. Diese Puppen waren so naturgetreu, dass sie niemals nackt im Schaufenster stehen durften.

"Wo haben Sie diese Puppen her?", wollte Barbara wissen.

"Bisher gibt es nur diese beiden. Sie wurden an unserem Institut hergestellt. Die Haut und die weichen Partien des Körpers verhalten sich wie beim menschlichen Körper, sodass lebensnahe Illusionen erzeugt werden können."

Aaron neigte eine Puppe. Er machte Barbara auf die Bewegung des Busens aufmerksam, der durch die Wirkung von Schwerkraft seine Form und Stellung veränderte.

"Diese Veränderung kann durch Anlegen von Gleichstrom eingefroren werden."

Er setzte eine Puppe auf den Kassentisch und hob deren Fuß. Auf der Fußsohle erkannte Barbara zwei Kontakte, welche die Beschriftung "12 Volt" und "+" und "-" trugen.

"Durch Anlegen von Wechselspannung wird die Strukturvernetzung wieder aufgehoben. - Auch die Gelenke der Glieder reagieren auf den Strom."

Aaron bewegte ein Knie der Puppe. Die Puppenhaut verhielt sich wie menschliche Haut.

Barbara spürte Unwohlsein, wenn sie die Puppen betrachtete. Eigentlich blickte sie den Puppen nie in die Augen, schaute meist an ihrem Kopf vorbei. Nackt war die erotische Aura dieser Puppen unerträglich.

"Die Puppen wirken lebensecht, so perfekt. Beim flüchtigen Blick meint man, Frauen zu sehen", flüsterte Barbara.

Sie spürte, dass zu laut gesprochene Worte die Puppen aufwecken könnten.

"Haben die Puppen einen Namen?"

"Rebecca", erwiderte Aaron ohne Zögern.

"Wieso Rebecca? Wieso ausgerechnet diesen Namen? Wieso sind sie so sicher?"

"Es ist meine Schwester."

"Wirklich Ihre Schwester?" Barbara verbesserte stockend ihren Ausruf: "Ein Modell Ihrer Schwester?"

"Rebecca."

Barbara zuckte zusammen. Dekorationen erfordern die Hand des Dekorateurs an Körperstellen, an denen man seine Schwester, auch nicht die nachgebildete Schwester, berühren sollte. Barbara war schockiert.

"Wie können Sie nur Ihrer Schwester an den Busen oder zwischen die Schenkel fassen?", rief sie entsetzt.

"Es sind Puppen!"

"Wie können Sie nur?"

Aaron senkte den Kopf. Er war aufgewühlt, sein Atem rasselte. Schließlich brüllte er: "Indem ich mir eine andere Frau vorstelle! - Ich stelle mir eine andere Frau vor!"

Während sie durchs Schaufenster zu den beiden Modepuppen starrte, überlegte sie zum hundertsten Mal, was letztlich die erotische Ausstrahlung ausmache. Eine blonde und eine rothaarige Frau lehnten aneinander, betrachteten sich gegenseitig. Die eine legte den Arm um den Rücken der anderen. Die Kleider waren leicht verrutscht. Die Rote hielt den Aronstab in der Hand, den sie der Blonden reichte. Barbara vermutete eine Liebesgeschichte zwischen den beiden Puppen. Verschiedene Kundinnen waren bereits bei der ersten Dekoration zu dem Schluss gekommen, dass die beiden Puppen eine sehr zärtliche Liebesbeziehung haben.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag machte Aaron seine Dekorationen, allein, hinter zugezogenem Vorhang, dass auch von der Straße sein geheimes Vorgehen nicht erkannt wurde. Jede Dekoration musste Barbara vorher genehmigen. Dazu trafen sie sich sonntags vor dem Geschäft. Anfangs war sie einer Ohnmacht nahe, wenn Aaron sie umschlungen hielt, wenn seine Hände auf ihrem Bauch aufeinanderlagen und er dabei ausführlich die Idee seiner Darstellung erläuterte. Seine Körperglut verflüssigte sich in ihrem Leib.

Nach der ersten Dekoration hatte Aaron sie im Laden zu einem Kuss gezwungen. - Er hatte ihre Lippen mit seinen Lippen berührt, gelächelt und sie festgehalten, bis ihre Brüste zu Melonen geschwollen waren. Barbara hatte ihm daraufhin das "Du" angeboten.

Barbara starrte auf die beiden Puppenfrauen, die sich nach einer zärtlichen Liebesnacht trennten. Barbara widerstrebte jegliches lesbisches Verhalten. Trotzdem waren diese Puppen, obwohl sie sich geradezu provozierend eindeutig zeigten, erotisch und erregend. Ihre Sinnlichkeit verhüllte jedoch alle geilen Anspielungen. Barbara bekam Gänsehaut, wenn Aaron sie beim gemeinsamen Betrachten der Dekoration mit seinen Armen fesselte. Zwei eiskalte Gedanken tropften aus ihrem Gehirn das Rückgrad hinab. "Es ist seine Schwester." und "Er muss sich eine andere Frau vorstellen." Trotzdem wurden seine Umarmungen sonntägliches Bedürfnis. Nach Aarons Abschied blieb Barbara jedes Mal benommen zurück.

"Wie ist die Dekoration?", wollte Roland wissen.

"Gut."

"Mehr nicht? Lade ihn ein, dass er uns die Bilder zeigt", schlug Roland vor.

"Nein."

"Macht dieses junge Genie auf dich keinen Eindruck?"

"Offensichtlich nicht so, wie auf dich", gab Barbara kalt zurück.

"Dieses Mal hat es lange gedauert."

"Er musste noch eine Änderung vornehmen."

"Ihr habt euch geküsst!", schrie Roland.

Barbara ließ ihn stehen und ging ins Bad. Dieser Kuss war eine Einladung gewesen. Ihr Körper hatte sich auf einen geschlechtlichen Zusammenprall vorbereitet. Barbara vergewisserte sich, dass die Badtür verriegelt war, als sie ihr Höschen abstreifte. Sie hasste Aaron dafür, dass er sie in diese Situation gebracht hatte. Mit Wasser und Olivenseife entfernte Barbara die Spuren einer erhofften Niederlage.

Was erzeugt die Ausstrahlung der Arrangements?, war ihre stets erneuerte Frage.

Der Umsatz war mit jeder neuen Dekoration beständig gestiegen - Woche für Woche. Die Frage verfolgte Barbara wie eine Obsession. Tag und Nacht dachte sie an Aaron und seine Puppen. Barbara hatte keinen Appetit mehr, als sie die Tatsache begriffen hatte, dass Aaron nur noch fünf Dekorationen machen werde. Sie hatte ihm das "Du" angeboten, in der Hoffnung, dadurch sein Geheimnis leichter zu entschlüsseln.

"Lade ihn zu uns ein!", forderte Roland.

"Er wird nicht kommen!"

"Er küsst dich. Er streichelt deinen Busen. Er wird kommen!", schrie Roland.

Roland war unerträglich geworden. Barbara versuchte ihn zu verstehen, aber sie konnte nicht alles gleichzeitig verstehen. Aaron war ihr Problem erster Priorität, denn er nahm jede Nacht von ihr Besitz. So wenigstens nannte sie die traumhaften Begegnungen, die Körperbewegungen und Zuckungen zur Folge hatten, dass das Leintuch morgens zerknüllt war. Barbara erwachte mit der zusammengerollten Federdecke zwischen den Schenkeln. Jeden Abend legte sie, hinter verschlossener Badtür, eine Einlage ins Höschen. Sie hasste Aaron, das stand unumstößlich fest.

Barbara hatte von Rolands ständigen Rufen nach Aaron die Nase voll und ihn schließlich zu einem Sonntagsessen eingeladen. Das war nach der achten Dekoration gewesen. Zu dieser Zeit gaben sie sich noch keine Zungenküsse.

Sie standen im Laden, nachdem Barbara die Dekoration genehmigt hatte. Verlegen versuchten sie, ihren gegenseitigen, begehrenden Blicken auszuweichen. Aaron hielt sie in den Armen. Seine Hände zeichneten eine prickelnde Spur über ihren Rücken. Barbara merkte erleichtert, dass die Reaktion ihres Busens sich gemäßigt hatte. Das Kribbeln war geblieben, die Bauchdecke verhärtete sich nach wie vor, die Teilungslinie war eine feuchte Grenze zwischen Rechts und Links, aber die Brustwarzen hatten ihre schmerzende Härte verloren.

"Was soll ich bei dir?", wollte er wissen.

"Roland würde gerne die Bilder sehen. Du könntest den Beamer mitbringen."

"Nächste Woche?"

"Nächsten Sonntag."

Roland konnte sein Glück kaum fassen, als Barbara von dem versprochenen Besuch erzählte. Er rannte durch die Wohnung, machte sich Notizen, erstellte eine Einkaufsliste. Barbara schüttelte ungläubig den Kopf über diese Euphorie.

"Du schmachtest wie ein verliebter Jüngling!", rief Barbara aus der Küche, als er mit träumerisch hängendem Kopf an der Küchentür vorbeistolperte.

"Du hast recht, ich bin in ihn verliebt!"

Barbara rannte zuerst in die Toilette, wo sie sich übergab. Dann stürzte sie ins Schlafzimmer, verriegelte die Tür und warf sich aufs Bett. Roland pochte später gegen die verschlossene Tür, fand aber kein Gehör. Er musste auf der Couch im Wohnzimmer nächtigen. In dieser Nacht hatte Barbara Alpträume, in denen Aaron nicht auftauchte.

Barbara war die folgenden Tage bedrückt. Die Ehe kam langsam wieder in ein Fahrwasser, das für fremde Beobachter gerade genannt werden konnte. Sie beobachtete die Strudel unter der Oberfläche. Auch die ehelichen Gespräche unterschieden sich nicht von früheren Gesprächen, aber Barbara meinte, einen Mangel an Überzeugung zu spüren. Somit wurde die Boutique zum Lebensanker. Die Gespräche mit Mitarbeiterinnen und Kundinnen waren das Elixier ihres Lebens. Barbara betrachtete die Dekoration, die Vergänglichkeit symbolisierte, denn das große Blatt des Aronstabs war gelb verfärbt. Rot leuchtete sein Fruchtstand. Sie hasste dieses morbide Bild. Der Gedanke, dass bereits Samstag war, zerstreute schließlich die Furcht vor Vergänglichkeit.

Morgen wird eine neue Dekoration dastehen, dachte Barbara.

Dann folgte der Schreck über die nicht widerrufene Einladung. Barbara nahm sich vor, am Sonntagmorgen Aaron die veränderte Situation zu erklären.

Roland war besessen vom Gedanken, einen ganz besonderen Eindruck auf Aaron machen zu müssen. Barbara war bei den Vorbereitungen zu diesem Mittagsmahl ausgeschlossen. Sie wusste nicht, was Roland kochen wolle, noch welchen Wein er reichen wolle. Beklemmt verfolgte sie dieses Bemühen, das sie als nutzlos betrachtete. Er wird nicht kommen, war ihre Hoffnung, aber sie hatte Aaron nicht angerufen.

Während des Mittagessens im "Da Giovanni" drängten die anderen Mädchen, sie solle das Geheimnis aus Aaron herauspressen.

"Denke an den Umsatz."

"Ich denke immer an den Umsatz", entgegnete Barbara.

Die streiterische Stimmung wendete sich gegen Barbara, der plötzlich die Aufgabe zugeschoben war, sich um Aarons Geheimnis zu kümmern.

"Er ist verrückt nach dir. Hast du das nicht bemerkt?"

"Aaron ist nach seinem Spiegelbild verrückt", fauchte Barbara.

"Du glaubst nicht, was du sagst. Hat er dich abblitzen lassen?"

Barbara begehrte auf. Sie versuchte eine sehr ungeschickte Verteidigung.

"Wenn Aaron wüsste, welche Macht er über mich hat, wäre ich nur noch eine Marionette. - Dann könntet ihr mich ins Schaufenster stellen."

Alle fanden diesen Gedanken komisch, dass ein allgemeines Gekicher anfing.

"Ich werde ihn noch ein weiteres Mal bitten. Mehr kann ich nicht machen."

Marlen, die Jüngste von Barbaras Mannschaft, meinte: "Verstecke dich in einer Umkleide und beobachte ihn bei seiner Arbeit. Entschlüssle das geile Geheimnis."

Barbara brauste auf: "Auf gar keinen Fall mache ich so etwas."

"Und der Umsatz?"

"Geilheit wird bereits nach einer halben Ewigkeit zu schalem Geschmack. Irgendwann wird es peinlich, wenn du ständig mit glitschiger Muschi ins Höschen schlüpfst", zischte Barbara.

Die Mädchen starrten Barbara entgeistert an. Muschi allein war ein Wort, das noch nie aus dem Mund der Chefin entschlüpft war. "Glitschige Muschi" zog bildlich gesprochen, die erhabene Chefin in feuchte Niederungen raubtierwilder Weiblichkeit herab.

"Bitte, sag mir das Geheimnis", verlangte sie zum neunten Mal.

Jedes Mal bat sie um dieses Geheimnis. Aaron lachte sie aus, was sie rasend machte. Er spürte nicht, wie sehr sie seine Überheblichkeit verabscheute. Seine Hände waren über ihren Bauch gefaltet. Sein Atem blies über ihren Hals. Seine leisen Worte verwirbelten Härchen um ihre Ohren. Gewaltsam zwang Barbara ihre Lungen zu regelmäßigem Atmen. Das blaue Kleid, mit dünnen Trägern hätte als Einladung zu körperlicher Bewunderung verstanden werden können. Barbara errötete beim Blick auf die Schuhe der rechten Puppe, die etwas schief wirkten. In der Spiegelung der Scheibe erkannte sie die kecke Schwingung ihrer Möpse, die in jugendlichem Übermut ihre Freiheit zu genießen schienen. Aaron hatte natürlich ihre Blöße bereits entdeckt. Ein leichter Handstreich über den Rücken hatte ihren BH-losen Zustand enttarnt. In dieser Pose, neugierig vorgebeugt, schienen ihre Brüste, mit prallen Lungen, nach einer zärtlichen Hand zu schreien.

"Dein Bauch ist verspannt", flüsterte er.

"Ich bin verspannt."

"Was ist?"

"Komm in den Laden, ich muss mit dir sprechen."

Beamer und Laptop standen auf der Kasse. Er hatte die Einladung nicht vergessen, wie sie insgeheim gehofft hatte. Sie setzte sich auf die Couch und bat ihn, an ihrer Seite platz zu nehmen. Aaron folgte irritiert ihrer feierlichen Bitte und sank neben Barbara ins Polster.

"Ich will dir nicht sagen, was du tun oder lassen sollst", begann sie.

"Was ist mit dir?"

"Mein Mann ist offensichtlich in dich verliebt!", stieß Barbara hervor.

Tränen stürzten unaufhaltsam aus ihren Augen. Aaron legte beschützend seinen rechten Arm um ihre Schultern und streichelte die Achsel. Er wusste nicht, was er sagen solle. Insgeheim hatte er mit einem Eifersuchtsanfall des vermeintlich betrogenen Ehemanns gerechnet. Darauf hätte er eine Antwort gewusst. Sie schwiegen. Barbaras Kopf sank langsam gegen Aarons Oberarm. Aaron küsste ihren Mund, Lippen an Lippen. Barbara redete sich ein, Aaron müsse versuchen, ihren Schwächezustand auszunützen. Sie war vorbereitet, Aaron Widerstand entgegenzusetzen und konnte seine empfindsame Zärtlichkeit kaum glauben.

"Was wirst du machen?", wollte sie wissen.

"Eine Beamershow über die letzten Dekorationen und einen Film über die Wirkung der Puppen."

Barbara war begeistert und entsetzt.

"Hast du keine Angst? Fühlst du dich nicht unwohl?"

"Mit dir - niemals!"

Barbara klappte das Dach des SLK zurück. Aaron schob Beamer und Laptop hinter die Sitze. Seitenfenster und Windschott waren herabgesenkt, sodass der Fahrtwind sein neckisches Spiel um die nackten Frauenschenkel machen konnte. Aaron beobachtete das Flattern des Kleides, das bei schnittiger Fahrt die Schenkel bis zum Höschen freilegte. Der Busen wurde vom Ausschnitt gefächelt. Das rote Haar flammte wie ein Steppenbrand. Eine rote Ampel verband ihre Blicke. Sie lächelten sich an.

Der Gedanke an Aarons Hände war so erregend, dass ihre Schenkel zitterten.

Was geschieht, wenn er die linke Hand auf mein rechtes Knie legt? sinnierte sie. Wäre dadurch nicht die Motorik des Autofahrens empfindlich gestört?

Die Vorstellung, er könne mit seiner linken Hand über den rechten Schenkel streicheln, war ein Gedanke wie eine zerdrückte Orange. Das Fingerbad in ihrer Wollust hätte zur endgültigen Aufgabe geführt. Diese Gedanken konnten nur durch mehrmaliges Hupen unterbrochen werden. Barbara betrachtete entsetzt die Ampel, die von Grün auf Rot schwappen wollte. Ihr wackliges Bein bestürmte unkontrolliert das Gaspedal, dass die Reifen schwarzen Rauch wegschleuderten. Aaron lächelte.

Das Haus duftete nach Curry. Roland schwebte mit umgeschnürter Kochschürze aus der Küche, um den Gast zu begrüßen. Sie umarmten sich. Aaron ließ sich nicht anmerken, dass ihm Barbara Rolands kleines intimes Geheimnis verraten hatte. Auf dem Tisch war das Porzellan der Königlich Preußischen Manufaktur gedeckt, eine Ehre, die noch niemand zuteil geworden war. Dieses kostbare Erbstück durfte seinen Platz in der "Vitrine des Augenschmauses" nur zur gelegentlichen Entstaubung verlassen. Roland reichte zum Essen einen Wein, der stilgerecht mit einem lateinischen Gattungsnamen genannt werden sollte. Roland hatte eine zweifarbige Mousse als Dessert zubereitet.

"Wenn ich nur auch so kochen könnte", hatte Barbara geschwärmt.

Roland gefiel dieses Kompliment und er betrachtete Aaron unter gesenkten Lidern. Aaron bemerkte diesen Blick, der um ein Kompliment buhlte.

"Mein Gaumen ist zu verwildert, um die letzte Nuance dieser Köstlichkeiten zu würdigen. Eigentlich macht mich diese Vollkommenheit sprachlos."

Roland war mit diesen Worten sehr zufrieden. Barbara war sicher, dass jedes Wort aus Aarons Mund Roland beglückt hätte, so gierig hing sein Hundeblick an den Lippen des Gastes.

Aaron baute die Videoschau auf. Mit einer Power Point Präsentation stellte er die Konzeption der neuen Puppen vor. Das Original und das erarbeitete Modell standen sich gegenüber. Das Original war eine junge Frau mit schulterlangem, blondem Haar, - eine erblühte Schönheit.

"Rebecca ist sehr schön", bemerkte Barbara.

Rolands Überraschung glich einer Schockreaktion. Eine Frage klemmte in seinem offenen Mund.

"Du hast recht", erwiderte Aaron.

"Woher kennst du sie?", keuchte es schließlich aus Rolands Mund.

"Sie ist meine Schwester. Sie ist eine der vollkommensten Frauen, die ich kenne. Nur eine kann es mit ihr aufnehmen."

"Du hast deine Schwester modelliert? Du fummelst an der Puppe deiner Schwester herum?", fragte Roland schockiert.

"Darüber war ich auch entsetzt! Schließlich weiß ich, dass er diesen Puppen an sehr intime Stellen fasst."

Aarons Stimme versuchte, einen ernsthaften Ton anzustimmen. Barbara erwartete Hochmut. Roland erwartete Zynismus. Ihre Blicke zu Aaron korrigierten ihre falschen Erwartungen. Das blonde Haar sank auf seine Stirn, verdeckte seine blauen Augen. Er wagte nicht, Barbara oder Roland anzublicken.

"Es erregt mich, wenn ich diese Puppen berühre. Jede Berührung ist erregend. Meine Berührungen übertragen sich auf die Frau."

"Das ist pervers!", schrie Roland. "Du machst deine eigene Schwester geil. Es ist, als ob du ihr den Busen streichelst oder zwischen die Schenkel faßte. Das ist pervers. Du ekelst mich an!"

Barbara schwieg. Aaron richtete seinen Kopf langsam hoch, er wischte sich mit der rechten Hand das Haar aus der Stirn. Sein Blick flackerte, sein Atem war unstet.

"Ich denke an eine andere Frau", flüsterte er.

"Du denkst an eine andere Frau!", brüllte Rolands zynischer Ton. "Welche ist die Glückliche?"

"Deine Frau", flüsterte er. "Ich denke nur an Barbara."

Barbara war einer Ohnmacht nahe. Sie drückte den Rücken gegen die Sofalehne, damit sie nicht umkippen konnte. Roland schwieg. Langsam überzog stolzes Lächeln sein Gesicht.

"Du denkst an Barbara?"

Barbara war erschüttert, Roland war stolz und Aaron wurde schweigsam. Erst nach einer Stunde lockerte sich die Stimmung wieder, um danach endgültig in Düsternis zu versinken.

Roland wollte wissen, wieso keine männliche Puppe existiere. Aaron schaltete erneut sein Laptop an. Er sprach nicht, er stellte die Präsentation auf die letzten Bilder, die eine männliche Puppe zeigten.

Barbara keuchte: "Nein!"

Roland jubelte: "Mein Gott!"

Aaron schwieg.

Die männliche Puppe war ein Abbild Aarons - so wie ihn Barbara in nächtlichen Träumen gespürt hatte und so, wie ihn Roland sich gern vorgestellt hätte.

"Bei der letzten Dekoration wird Peter seinen ersten Einsatz haben", sagte Aaron.

"Wieso Peter?", fragte Roland erstaunt.

"Ich werde Aaron genannt, nenne mich selbst Aaron, aber mein Taufname ist Peter. Peter ist auch sein Taufname. Er wird nie Aaron heißen!"

Barbara fuhr Aaron zu seiner Wohnung. Das Wagendach blieb geschlossen. Kein Wind verwirbelte Haare oder fächelte ein Kleid. Kein Wort wurde gesprochen.

Barbaras Stimmung besserte sich auch am Montag nicht. Am Mittwoch fingen die Mädchen wieder mit dem leidigen Thema an. Barbara würgte dieses Gespräch ab und spie ihren Widerwillen heraus.

"Ich will nichts mehr davon hören. Er wird zwölf Dekorationen machen. Ich werde den Vertrag Buchstaben um Buchstaben erfüllen. Mehr werde ich nicht tun."

Am Donnerstag ärgerte sich Barbara, dass sie keine Einlage in ihr Höschen gelegt hatte. Der Traum war mit der Intensität eines altgriechischen Ringkampfes gekommen. Offensichtlich war sie bei diesem Kampf unterlegen. Bis zum Samstag wurden die Träume immer brutaler. Brutal empfand sie die lustvolle Unterwerfung, die jedes Mal ein Siegesschrei beendete. Roland verfolgte mit stolzem Blick ihre jähen Fluchten aus dem warmen Bett ins kühle Bad.

Wie jeden Sonntag küssten sie sich. - Nein, denn der zehnte Sonntag war nicht mehr jeder Sonntag. Sie öffnete ihren Mund für seine Zunge. Aaron blickte sinnend in ihre Augen. Sein Griff war fester als sonst. Barbara wusste, dass er einen Zungenkuss verlange. Ihr Busen erhob sich, bevor sie sich berührten. Als seine Hand träumend über ihre Brüste glitt, spürte Barbara bereits das Schwinden ihrer Standfestigkeit. Sie wollte ihn bitten, sie zu nehmen. Auf Knien wollte sie ihn anflehen, der Qual ihrer Innereien ein Ende zu bereiten. Sie wollte nicht widerstehen. Er war verschwunden, als sie ihren Blick wieder auf einen Punkt fixieren konnte.

Nach der zehnten Dekoration kam er jeden Abend in die Boutique, um seine größte, seine endgültigste, die zwölfte Komposition festzulegen. Barbara versuchte ihm das Geheimnis, mit Neckerei und Beharrlichkeit, zu entlocken.

"Du kannst mich so nicht zurücklassen."

"Jeder Mann braucht sein Geheimnis", war seine Standardantwort.

Seit der zehnten Woche küssten sie sich jeden Abend, wenn die Mitarbeiterinnen den Laden verlassen hatten. Barbara erkannte, dass ihre Obsession mittlerweile weniger dem Geheimnis der erotischen Puppen galt. Das wirkliche Geheimnis Aarons war die sexuelle Lust, die seine Gegenwart erschuf. Vordergründig blieb es weiterhin der Wunsch, das Puppengeheimnis zu entschlüsseln.

"Die elfte Dekoration steht im Schaufenster", rief sich Marlen in Barbaras Träumerei.

Barbara lehnte gegen den Kassentisch und stierte mit unsichtigen Augen an den beiden Puppen vorbei auf die Straße, mit ihren vielfarbigen Schatten. Die männliche Puppe war seit Dienstag in der Kammer eingeschlossen. Barbara dachte auch tagsüber an die Puppe, die sie morgens eine halbe Stunde lang betrachtete. Am Mittwoch hatte sie den Penis gestreichelt und wie elektrisiert ihre Hand zurückgezogen.

"Du hast nur noch dieses Wochenende eine Chance. - Wenn du willst, verstecke ich mich in der Umkleide."

Barbara starrte Marlen mit geweiteten Augen an.

"Nein!", rief sie.

Der Gedanke, dass Marlen Peters Glied streicheln könne, war schrecklich. Barbara fühlte sich bedroht und ertappt.

Wie konnte es so weit kommen?, fragte sie sich und wusste eine Antwort, die sie weder suchte, noch kennen wollte.

"Ich werde es machen", klang es gequält. "Ich werde diesen Vertrauensbruch begehen."

Marlen trug das Lächeln einer Siegerin um die Lippen. Sie schlenderte nach hinten zu Petra, die Pullover in Regale sortierte, dabei ständig den Kopf zu den tuschelnden Frauen gedreht hatte. Als Marlen beide Daumen hochstreckte, lächelte sie.

Abends kam wieder Aaron. Lange ging er vor dem Schaufenster auf und ab, betrachtete die Puppen von allen Seiten. Er führte ein Selbstgespräch. Barbara beobachtete das versonnene Mienenspiel. Nach fünf Minuten schien das Problem eine gedankliche Lösung erhalten zu haben. Aaron betrat lächelnd die Boutique, stürmte zu Barbara, wirbelte sie in den Armen, küsste sie.

"Zwei Puppen reichen!", rief er.

"Frau und Mann?"

Er nickte. Dann begann er einen Marsch durch die Boutique, den Kopf gesenkt, wortlos.

"Was ist?", fragte Barbara besorgt.

"Ich muss zurück."

"Was meinst du?"

"Mein Professor hat mich angerufen. Montagmorgen muss ich im Institut sein."

"Wann kommst du wieder?"

"Wenn ich nächsten Sonntag nicht hier sein sollte, lasse die Dekoration noch eine Woche länger stehen."

Enttäuscht fragte Barbara: "Ist es aus?"

"Was soll aus sein?"

Aaron küsste Barbara mit wilder Lust. Er streichelte ihren Busen und drückte sie auf die Couch.

"Es hat noch nicht einmal begonnen!"

"Im Traum streichelst du meine nackten Brüste", flüsterte sie.

"So?"

Aaron ließ sich viel Zeit. Mit der Unendlichkeit einer Gletscherbewegung schob sich seine rechte Hand in den Ausschnitt des Kleides. Barbara drängte ihn nicht. Ihre dunkelrote Brustwarze schrumpfte zu einer prallen Knospe, als wolle sie seine Hand durchstoßen - Nippelpiercing. Sie erkannte Roland, der halb verdeckt durch das große Fenster spähte. Sie wollte ihn nicht sehen und schloss die Augen. Aaron brauchte keine besonderen Techniken anzuwenden, um ihren Busen wie Vulkane explodieren zu lassen. Seine Nähe, der Klang seiner Stimme, die Hitze seiner Handflächen genügten, um das innerweibliche Magma brodeln zu lassen. Er streichelte durch die Enge ihrer zittrigen Schenkel und stoppte drei Millimeter vor dem Einschnitt ihres Höschens.

"Mach es", wollte sie hauchen, aber ihr Mund war durch seinen Mund verschlossen.

Ihre Zungen verknoteten sich. Sie wollte der Hand auf ihrem linken Schenkel entgegenrutschen. Barbara wollte die Hormonqual ihres Körpers nicht länger ertragen. Sie wollte flehen und betteln.

"Ich muss Peter noch ein Mal anschauen", sagte Aaron.

Barbara suchte ihn an ihrer Seite, suchte die Hand, wollte sein Haar streicheln. Er stand bereits an der Tür zur abgeschlossenen Kammer. Geschwächt erhob sie sich. Er eilte zu ihr, stützte sie, drückte sie an sich.

"Was ist?", wollte er wissen.

"Was soll schon sein, wenn du mich berührst?"

Sie gingen in die fensterlose Kammer. Licht sickerte nur vom Laden herein. Peter stand da, wie ein Mann, der auf seine Geliebte wartet. Barbara näherte sich der Puppe, dann hob sie, wie unter Zwang, den Penis. Sie wog das Glied und ließ es sinken.

"Habe ich dir nicht gesagt, dass die Berührung auf die Person wirkt, an die man denkt?"

"Und?"

"Du hast meinen Penis gehalten. Ich habe deine Hand gespürt."

Barbara errötete, was die dunkle Kammer aber verheimlichte.

Sie stotterte: "Er fühlt sich gut an." Dann wendete sie sich zur Tür und verschwand in den Laden.

Aaron fand sie träumend auf der Couch. Sie lächelte ihn an.

"Er fühlt sich gut an."

"Wenn ich nächsten Sonntag nicht kommen sollte", erinnerte er Barbara an das abgebrochene Gespräch, "baust du die Dekoration nach zwei Wochen ab. Sollte ich dann immer noch keine Zeit haben, wird jemand kommen und die Puppen mitnehmen. Du darfst sie nur mit handwarmem Wasser und einem Waschlappen reinigen."

"Ich will, dass du kommst!"

"Warte es ab."

"Was soll ich abwarten? Ob du kommst, oder ob ich dich noch sehen möchte?"

Samstagabend war Aaron nicht in die Boutique gekommen. Mit seinem eigenen Schlüssel würde er, wie jeden Samstag, gegen zehn Uhr nachts die Boutique betreten. Barbara wartete seit acht Uhr hinter dem halb zugezogenen Vorhang der rechten Umkleide. Sie hatte mindestens zehn Mal geprüft, ob Aaron sie sehen könne. Ihre Schuhe standen auf dem Sitzbrett der Umkleide. Dann vergewisserte sie sich, dass die Kammer geöffnet war. Morgens hatte Barbara den Puppenpenis in die Hand genommen und genau betrachtet. Das Teil war fest und schwer und passte zu dem sportlichen Körper. Nur nachts wagte sie nicht, die Puppe zu berühren, aus Angst Aaron könne diese Berührung spüren.

Barbara saß und wartete. Sie hatte den Kopf gegen die Rückwand der Umkleide gelehnt und war eingedöst. Es war dunkle Nacht, als sie den Schlüssel in der Ladentür hörte. Aarons Silhouette füllte die Ladentür aus, dann glitt sein Schatten über den Teppich. Seine Bewegungen waren konzentriert. Er kannte jede Falte des Teppichs. Die Steckdose für den Transformator fand er ohne Licht. Ohne Licht holte er die beiden Puppen aus dem Fenster. Er legte die eine auf den Kassentisch und lehnte die andere dagegen. Danach hörte Barbara das Rauschen des Vorhangs, den er von links und rechts über die ganze Ladenfront zuzog. Aaron vergewisserte sich, dass der Überwurf der beiden Vorhanghälften kein spähendes Auge durchblicken ließ. Er ging zur Kasse zurück, steckte die Kontakte in die Füße der Puppe, schaltete den Transformator ein. Barbara verfolgte durch den Vorhangschlitz, wie sich die Gelenke der Puppe lösten und die Beine schlaff über den Tisch hingen. Aaron faßte sie um die Taille und setzte sie auf die Couch, wo sie mit abgewinkelten Knien, wie eine schläfrige Kundin, ins Polster gesunken hockte. Die andere Puppe folgte. Danach machte er Licht.

Beide Puppen saßen geduldig auf der Couch.

Diese Mädchen warten auf Aaron und wenn es tausend Mal seine Schwestern sind, fühlte Barbara.

Dunkle Nervenvibrationen erschauerten ihren Leib. Sie wagte nicht daran zu denken, wie Aaron bei ihrer Enttarnung reagieren würde. Sie fühlte sich unwohl. Barbara spürte die Berührungen der ersten Puppe wie das Streicheln einer Hasenpfote. Aaron dachte an Barbara, als er das Kleid vom Körper hob und über die hochgestreckten Arme streifte. Aaron kleidete die Puppe nicht mit mechanischer Hand aus, sondern streifte die Seiten vom Becken bis unter die Achseln. Er war sehr vorsichtig, als der das Kleid über den Kopf der blonden Rebecca zog. Barbara spürte Zärtlichkeit als Aaron der ersten Rebecca den BH öffnete. Seine Hand setzte unter den Brüsten an. Er hob die Körbchen, bevor er die Träger über die Arme streifte. Barbara versuchte, ihre innere Aufwallung zu bekämpfen. Ihr Busen hatte sich bereits erhoben, sie war machtlos gegen den Aufruhr ihrer Hormone. Die Entkleidung des Höschens war eine Tortur, denn Aaron fasste zuerst vom Bauch zwischen die Schenkel. Barbara öffnete die Schenkel und wusste, dass sie die nächste Puppe kaum überstehen konnte.

Aaron legte die Kleider zusammen. Den Kleiderstapel brachte er zum Kassentisch, wo er ihn säuberlich ablegte. Dies gab Barbara eine kleine Verschnaufpause, die zwar die Glut ihres Busens nicht kühlte, aber wenigstens die Bauchdecke entspannte. Anschließend brachte Aaron die blonde Puppe in die Kammer und kehrte mit der männlichen Puppe, mit Peter, zurück, den er auf den Kassentisch legte. Wechselspannung entzog Peters Gelenken ihre Festigkeit. Er setzte den nackten Peter neben die bekleidete, rothaarige Rebecca. Peters Penis war unverändert groß zwischen die Schenkel gesunken.

Barbara schloss die Augen und versuchte verbissen an Roland und den letzten Urlaub an der Ostsee zu denken. Sie musste sich die Entkleidung der anderen Puppe ersparen. Sie sah nicht, was Aaron mit der Puppe machte, aber sie spürte jede Berührung seiner Hände. Gedanken an Roland konnten mit diesem Gefühl nicht konkurrieren. Barbaras Bauchdecke spannte, den Blutstau in ihrer Vulva konnte sie nicht stoppen. Die Situation war bedrohlich. Das Zusammenlegen der getragenen Puppenkleider brachte wenig Erlösung. Aaron bereitete die Kleider der neuen Dekoration vor. Barbara atmete wieder regelmäßig. Aaron zog aus seiner braunen Ledertasche zwei Dosen, die er bei der Couch auf den Boden stellte. Die Schwellung der Vulva ging zurück. Sie öffnete die Augen und sah beide Puppen als Liebespaar oder Bruder und Schwester auf der Couch sitzen.

Aaron legte Rebecca einen neuen, roten BH an. Barbara unterdrückte das Stöhnen einer erregten Frau. Sie spürte den Biss seiner Zähne, als er Rebecca das linke Körbchen ihres BH mit heißem Speichel durchkaute. Er besprühte das Körbchen mit Wasser aus einer der Dosen, gab dem Körbchen glatte Form und sprühte Vereisungsspray darüber. Barbara spürte den Kälteschock auf ihrer linken Brust. Eine Hand schob sich zwischen die Schenkel. Barbara wusste, dass sie donnernd aus der Umkleide fallen werde. Sie hörte den Aufschlag nicht.

Barbara erwachte gegen vier Uhr auf der Couch. Ihr nackter Körper war mit einer Wolldecke aus der Kammer bedeckt. Ihre Kleider lagen ordentlich zusammengelegt als dritter Stapel auf dem Kassentisch. Sie schaute sich vorsichtig um. Der Vorhang war zurückgezogen, die neue Dekoration stand im Fenster. Gedankliche Bruchstücke lagen in ihrem Gehirn verstreut. Barbara setzte einige dieser Trümmer zusammen, bis sie eine Erklärung hatte, warum sie auf der Couch lag. Ihre Nacktheit konnte sie nicht erklären. Mit Kältespray auf ihrer linken Brust hatte ihre Wahrnehmung geendet. Sie befühlte ihre linke Brust. Dann befühlte sie ihren Kopf, weil sie meinte, sich an einen Fall aus der Umkleide zu erinnern. Andere Bruchstücke, die einen kompletten Traum ergeben konnten, hingen unsortiert in ihrer Erinnerung.

Sie hüllte sich in die Decke, nahm ihre Kleider vom Kassentisch und zog sich in der Kammer an. Die blonde Rebecca hockte auf dem Boden. Barbara konnte der Versuchung nicht widerstehen, der Puppe zwischen die Schenkel zu fassen. Sie streichelte und spürte den Fingerdruck an ihrer eigenen Muschi. Im Morgengrauen schlich sie aus der Boutique und fuhr heim.

Roland hatte vor Aufregung kein Auge schließen können. Er starrte zuerst auf die Uhr und blinzelte dann Barbara an.

"Du kommst spät", stellte er fest.

"Ich bin eingeschlafen."

"Und das Geheimnis?"

"Ich kenne es nicht. Ich bin eingeschlafen."

Barbara wollte über das Geheimnis nicht sprechen. Es war ihr Geheimnis geworden. Durch Wasserspray und Vereisungsspray waren Hände, die einen BH geöffnet oder in ein Höschen gefasst hatten, im Stoff abgebildet. Nachdem die Wirkung des Eises verflogen war, wenn das Wasser aus dem Stoff verdunstet war, blieb immer noch ein Hauch der liebkosenden oder frevelnden Hand spürbar. Was vorher unterbewußte Erotik gewesen war, hatte sie entschlüsselt. Barbara hatte für dieses Geheimnis den gerechten Preis bezahlt.

Barbara versuchte, die chaotischen Reste dieser Nacht zu ordnen. Über ihre Traumtrümmer durfte sie mit niemand sprechen. Die beiden Puppen waren Hauptakteure dieses Traums gewesen, vor allem Peter. Barbara war entsetzt über diesen Traum, denn sie hatte es mit Peter gemacht. Sie war auf der Puppe gesessen und hatte sich dabei verdammt wohl gefühlt. Nach dem Akt hatte sie Peters Penis geküsst. - Der Gedanke an solch einen absurden Traum schüttelte sie mit Frost. Aaron hatte Sachen mit ihr gemacht, an die sie nicht denken wollte. Aaron war ein alter Bekannter ihrer Träume, aber in diesem Traum war er entfesselt gewesen. Er hatte ihren BH gekaut und die harten Knospen in den Stoff der Körbchen modelliert. Irgendwann hatte er ihre geschwollene Vulva ins Höschen modelliert. Mit Wasserspray und Kältespray hatte er die Formen verfestigt. Es war ein schrecklicher Traum gewesen, ein schrecklich erregender Traum, ein Traum, der durch kleinste Andeutungen ihren Unterleib überschwemmte. Sie meinte, Aaron werde ihr erklären, was in dieser Nacht geschehen war.

Aaron war bereits abgereist. Niemand wusste, wo er sich aufhielt. Barbara versuchte, ihre Unsicherheit zu verdrängen. Der nächste Samstag und der nächste Sonntag kamen und gingen ohne Aaron. Roland bemühte sich Barbara zu beruhigen, nur wie hätte er sie beruhigen können. Er kannte ihren Traum nicht, wusste nicht, dass ihr Schlaf eine Ohnmacht gewesen war. Er kannte nicht die Wirkung der Puppenerotik.

Barbara hoffte eine weitere Woche lang, er werde auftauchen. Er hatte sich nicht einmal telefonisch gemeldet, hatte keine Entschuldigung geliefert. Sie verfuhr dennoch, wie er ihr aufgetragen hatte. Nachts baute sie die Dekoration ab. Sie trug die beiden Puppen in den Laden, zog die Vorhanghälften zusammen. Danach machte sie spärliches Licht. Mit dem Transformator entspannte sie die Gewebestruktur der Puppen und setzte sie nebeneinander auf die Couch. Barbara befiel zu diesem Zeitpunkt bereits Beklemmung.

"Es ist, weil ich einem Unbekannten das Höschen ausziehe", versuchte sie sich zu beschwichtigen.

Vorsichtig streifte sie Peter das Höschen über die Schenkel. Als sie den Penis kurz betrachtete, erschrak sie. Auf der Spitze dieses Gliedes war der Lippenstiftabdruck eines Kussmundes. Sie näherte sich dem Teil mit den Augen, denn sie hoffte, einer optischen Täuschung erlegen zu sein. Aber ihr forschender Blick enthüllte, dass dieser Penis Minnedienst in einer Vagina verrichtet hatte. Barbara war einer Ohnmacht nahe. Die entdeckten Einzelheiten passten zu ihren Traumfetzen. Barbara eilte, warmes Wasser zuzubereiten, damit sie ihre Schmach vom Glied der Puppe waschen könne. Das Gefühl, den Puppenpenis mit Wasser und Waschlappen zu säubern, war schrecklich. Ständig flackerte das Bild, wie sie rittlings auf dieser Puppe einem Orgasmus entgegengaloppierte.

Mit zitternden Fingern zog sie Rebecca den Pullover aus. Es war, wie sie befürchtet hatte. Die Körbchen waren auf eine Größe geweitet, die den Puppenbrüsten keinen Halt bieten konnte. Barbara nahm den BH und stürmte in die nächste Umkleide, wo sie hinter zugezogenem Vorhang ihren Busen in die Körbchen drückte.

Wie wahnsinnig rannte sie zu der Puppe zurück und streifte ihr die Jeans ab. Die Form der Vulva war im Höschen deutlich sichtbar, aber absolutes Entsetzen packte Barbara, als sie ins Höschen der Puppe schaute und eingetrocknetes Sperma erkannte. Sie wollte mit dem Höschen in die Umkleide rennen, schaffte aber nur den halben Weg und blieb, nur mit Höschen bekleidet, ohnmächtig auf dem Teppich liegen.

Als Barbara aufwachte, schaute Roland besorgt auf sie herab. Er hatte sie auf die Couch gelegt. Die Decke aus der Kammer bedeckte sie. Zuerst hatte Barbara Schwierigkeiten die beiden Ereignisse, die sie auf die Couch gestreckt hatten, auseinanderzuhalten. Sie schwieg lange.

"Wieso bist du hier", fragte sie schließlich.

"Ich hatte ein ungutes Gefühl."

"Ich auch."

Sie sprach nicht über den Grund ihrer Ohnmacht. Roland hätte es nicht verstanden, denn sie selbst wollte die Sache nicht verstehen.

"Morgen werden die Puppen abgeholt. Mittags wird jemand in den Laden kommen", sagte Barbara.

Roland betrachtete sie entgeistert.

"Willst du ihn nicht sehn?"

Barbara verzog ihr Gesicht. "Er will mich nicht sehen. Ich werde mein Kind allein zur Welt bringen!"

Roland hob die Brauen, blickte nachdenklich ins Nichts, dann lächelte er.

"Du bist nicht allein."

"Er hat mich wie ein Schuft verlassen."

Barbara und Roland umarmten sich. Er streichelte ihr Kinn, gab ihr einen Kuss. Sie hing an seinem Hals, den Kopf auf die rechte Schulter gelehnt, er schloss die Hände auf ihrem Rücken.

"Und wenn er doch kommt?"

"Dann ist es zu spät. Ich fahre noch heute Nacht zu meinen Eltern. Ich brauche zwei Wochen Ruhe."

Roland versprach, die drei Puppen zurückzugeben. Barbara floh aus ihrer Boutique mit einer knallroten Tragetasche "Famm Fatal". In einem unbeachteten Augenblick hatte sie den roten BH und die andere verräterische Unterwäsche in diese Tasche geworfen. Als Roland später die weiblichen Puppen mit Wasser und Waschlappen wusch, hatte er vergessen, was er mit seinen Gedanken bewirken konnte.

Barbara versuchte, sich bei ihren Eltern zu entspannen. Gemeinsame Wanderungen halfen über den Tag hinweg, aber auf die Sonne folgte der Mond. Die Nächte waren nicht erholsam. Jede Nacht erwachte Barbara an ihrem eigenen Schrei. In der ersten Nacht waren die Eltern besorgt ins Zimmer der Tochter geeilt. Ihr Vater weitete die Augen und drehte sich diskret zur Seite. Aus dem aufgerissenen Ausschnitt ihres Nachthemds quoll die pralle Rötung eines Körbchens.

Jedes unbedarfte Mädchen hätte Barbara davon abgeraten. Es war zwanghaft gewesen, dass sie sich mit dem roten, durchgekauten BH, samt verschmiertem Höschen, aufs Bett gelegt hatte. Stocksteif lag sie da und starrte zur Zimmerdecke. Kurz nach Mitternacht fröstelte sie. Barbara streifte sich das Nachthemd über und vergrub sich unter dem Federbett. Nichts konnte erholsamem Schlaf schädlicher sein als die beiden intimen Kleidungsstücke.

"Es war ein Traum", sagte Barbara verschlafen.

"Kein Alptraum?", wollte die Mutter wissen.

"Schlimmer! Viel schlimmer. Ein Traum, der langsam meine Innereien verbrennt."

Die Slipeinlagen waren für die Intensität solcher Träume unbrauchbar.

"Können wir dir helfen? Ist es Roland?"

"Wenn es Roland wäre...? Jede Nacht machen mich ein Mann und eine Puppe zu ihrer Sklavin. Ich hasse diesen Mann und ich hasse diese Puppe."

Eine Woche kämpfte Barbara gegen Träume, die sie so sehr festhielten, dass sie nicht darauf verzichten wollte. Ihre Augen stierten mit schwarzen Ringen aus dem Spiegel. Dann fuhr sie zurück, weil die Boutique mehr Ablenkung versprach. Roland hatte nicht angerufen. Wünschte sie seinen Anruf überhaupt? Im Abfalleimer der Eltern ließ Barbara eine zerknüllte, knallrote Tüte zurück, in welcher verräterische Dessous auf ihr Ende warteten. Weiberduft dampfte aus der Tüte. Sie ließ den Deckel auf ihre nächtlichen Qualen fallen, aber der brünstige Brodem befreite sich und stieg über alle anderen Dünste hinweg.

Barbara kicherte bissig: "Er wird einen Harten bekommen, wenn er den Müllsack wegbringt."

Sie stand vor der Boutique und starrte auf eine neue Dekoration. Die alten Puppen waren im Fenster - Puppen, die noch nie ihre Träume belastet hatten. Sie erkannte die Hand eines Meisters. Irritiert suchte sie den Aronstab. Es gab keinen Aronstab. Die Mitarbeiterinnen hatten die Chefin schon längst erkannt. Hektik wuselte auf der anderen Seite der Scheibe. Barbara bemerkte huschende Schatten, konnte die Gesichter aber nicht erkennen.

"Was erwarte ich?", fragte sie sich, als sie den Laden betrat.

Die Klingel schepperte wie beim Eintreten einer Kundin.

"Hallo Barbara, guten Morgen Chefin!", rief der Mädchenchor.

"Guten Morgen Mädchen!", rief sie zurück.

Ihrer Stimme war die Frische entzogen. Sie tappte müde zur Couch und sank in die Polster.

"Wer hat die Dekoration gemacht?"

Erstaunt blickten sich die Mitarbeiterinnen gegenseitig an.

"Wir haben auch darüber gerätselt. Montags stand diese Dekoration im Fenster. - Wir meinten, du habest die Sache arrangiert."

Barbara schüttelte verneinend den Kopf. Sie war zu müde, um sich zu wundern.

"Du wirkst müde", sagte Petra.

"Es ist die Fahrt."

Roland kam eine Viertelstunde später in den Laden. Barbara erhob die müden Knochen aus der Couch und umarmte ihn.

"Du hast mich nicht angerufen", sagte Roland.

"Du hast auch nicht angerufen."

"Was hätte ich sagen sollen?"

Barbara überlegte eine Weile und sagte: "Alles."

"Hast du Lust auf einen kleinen Spaziergang?", fragte Roland.

Sie erkannte, dass er etwas sagen wolle, das nur für ihre Ohren bestimmt war. Nach den ersten Schritten auf dem Gehweg fing er an zu erzählen, wie die Puppen abgeholt worden waren.

"Sie kam am Sonntagmittag in den Laden."

"Wer kam?"

"Rebecca! Ich erkannte sie sofort, redete sie mit ihrem Namen an. Sie nannte mich Roland. Es gibt keine schönere Frau, es kann keine geben", keuchte er.

"Was war?"

"Ich erinnerte mich an Aarons Worte. Ich streichelte die blonde Puppe, die in der Kammer auf dem Boden saß und dachte an Rebecca. Sie stürmte in die Kammer, schrie: "Hör auf! Bitte hör auf!" und ich drückte sie an mich."

Roland stockte, er suchte Barbaras Hand. Seine Hand war schweißnass. Barbara konnte sie kaum fassen.

"Und?"

"Rebecca befahl mir, dich freizugeben."

"Und dann?"

"Dann liebten wir uns. - Ich habe Rebecca die Hausschlüssel übergeben. Das Haus gehört dir. - Wir wohnen in ihrer kleinen Wohnung."

"Das ist alles?", fragte Barbara enttäuscht. "Mehr ist nicht? Einfach so betrügst du mich? Einfach so verlässt du mich?"

"Wir haben die blonde Puppe mitgenommen. Sie sitzt bei uns am Tisch."

Roland schien sich an etwas zu erinnern, das er Barbara fragen wollte. Er stammelte die Wort: "Was ist mit deiner Schwangerschaft?"

Sie lachte gequält: "Frag mich in acht Monaten."

Barbara wagte erst bei Nacht den Weg zurück in ihr Haus. Es lag wie ein kalter Steinquader im Garten. Die Rollläden starrten mit blinden Augen. Das Haus wirkte unfreundlich - nein unheimlich. Barbara schaltete Lichter an, um die bösen Geister fernzuhalten. Im Wohnzimmer, auf einem Polsterstuhl neben dem Kamin, saß die rothaarige Puppe in Peters Schoß. Beide waren in einer eindeutigen Stellung eingefroren. Barbara bekam bei diesem Anblick eine Gänsehaut von der Größe eines Elefantenfells. Entsetzt floh sie aus dem Wohnzimmer und eilte ins pechschwarze Schlafzimmer, wo sie sich hastig auszog und den nackten Leib unter die eisige Federdecke schob.

Träume drängten sich unter ihre Decke und pressten ihre Nacktheit. Nackte Körper eines altgriechischen Ringkampfes wälzten sich durchs Bett. Umschlingungen, die nur in einem Kampf ohne Regeln erlaubt waren. Mit dem Rhythmus unerbittlicher Gezeiten schlug Wollust zwischen ihre Schenkel. Heiße Gischt umspülte weibliches Gestade. Die Nacht im Schlafzimmer war so schwarz, dass selbst aufgerissene Traumaugen nicht sehen konnte. Der Traum endete mit einem Schrei. Sie starrte zur schwarzen Decke und schlief weiter. Dann blendete Sonnenlicht ihre Augen. Die Rollläden waren hochgezogen. Barbara starrte zur Decke und versuchte sich an den Traum zu erinnern.

"Verdammt", rief sie. "Ich habe kein Höschen an!"

Mit dem Zeigefinger tastete sie nach der Feuchte. Barbara erschrak. Zwischen Daumen und Zeigefinger klebte Feuchtigkeit, die fremder Herkunft entstammen musste. Sie konnte sich nicht entschließen, dieser Substanz den korrekten Namen zu geben. Der Traum? Sie starrte die Zimmerdecke an. Ihre Ohren erfassten leises Kichern. Es hätte nicht unheimlicher sein können.

"Hast du gut geschlafen?", fragte das Kichern.

Barbara starrte weiter zur Decke hoch. Auch als eine Hand ihre Brüste streichelte, bis das klebrige Gefühl langsam weggespült war. Sie starrte die Decke an, als die Hand ihre Schenkel öffnete. Sie starrte in die blauen Augen, als er sich über ihr Gesicht beugte und mit blondem Haarschopf ihre Stirn kitzelte.

"Jetzt werden wir es zum ersten Mal bei Tageslicht machen", sagte er und sie erwiderte: "Sei still, ich will weiterträumen."



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