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Langer Nachmittag in New Orleans

© Onivido Kurt

Ich muss gestehen, wir kamen schon angetrunken in New Orleans an. Die Flugbegleiterin hatte sich in meinen Chef vergafft und verwöhnte uns seit dem Abflug in Miami mit einem Tom Collins nach dem anderen. Mein Chef stach bei den Frauen jeden Filmstar aus und so war es nicht außergewöhnlich, dass bei unserer Ankunft im Hotel bereits eine auf ihn wartete.

So schlenderte ich allein die paar Blocks vom Hotel Marriot zur weltberühmten Bourbon Street. Es war Sonntag, gerade war ein Jazzfestival zu Ende gegangen, die Strasse wimmelte von Touristen. Aus allen Bars und Restaurants, Türen und Fenstern tönte live Musik.

Jazz, Rock 'n Roll, Cajun.

"Ich wette 10 Dollar, dass ich weiß, wo du deine Schuhe gekauft hast", sprach mich ein schlanker Neger an, "Dann weißt du mehr als ich", antwortete ich.

Er zog beleidigt ab.

An einem Kiosk erstand ich einen Hurricane. Die Stewardess hatte uns dieses Getränk empfohlen.

Es schmeckte wie Hustensaft und sah auch so aus.

"Was ist denn da drin?" fragte ich die Verkäuferin "I don´t know, but it stains - ich weiß nicht aber es macht Flecken", gab sie zurück Ich fand es gesünder Bier zu trinken und nach einer Stunde Bar Hopping lehnte ich reichlich alkohollastig vor einer Kneipe gegen eine der dünnen Säulen, die die Balkone stützen, die das Trottoir überragen. Die Musik aus der Bar hinter mir und mein Alkoholpegel ließen mich träumen. Nach einer Weile bemerkte ich, dass sich auch jemand an die andere Seite der Säule gelehnt hatte. Zunächst sah ich nur eine Hand, die einen supersize Papierbecher hielt. Neugierig lehnte ich mich nach vorne um die Person in Augenschein zu nehmen. Eine junge Frau.

"Ist der Becher nicht zu groß für Sie?"

"Nicht wirklich, aber wenn du einen Schluck willst…"

Sie hielt mir den Becher unter die Nase. Ich griff zu und nahm einen tüchtigen Schluck.

Das Aussehen der Frau ermunterte mich sie als Gegenleistung zu einem Drink einzuladen.

Sie schien erfreut darüber.

"Gehen wir weg aus dieser Neppgegend ", meinte sie, "das ist nur was für Touristen."

"Das ist genau was ich bin".

"Aber ich bin aus New Orleans, und kann dir ein bisschen was anders von der Stadt zeigen."

Gerne ging ich auf ihren Vorschlag ein. Marie war des Mädchens Name. Nicht Mary, wie sie betonte, Cajun wahrscheinlich, Kreolin auf jeden Fall..

Wir aßen Jambalaya, schlenderten durch die Strassen und tranken hier und dort ein undefinierbares Mixgetränk. Auch beim Sklavenmarkt kamen wir vorbei, einem herrschaftlichem Gebäude, bei dessen Anblick man sich nicht vorstellen kann, welchem widerlichen Zweck es gedient hatte. Verschmutzte, misshandelte Sklaven passten nicht zu diesem Gebäude, schon eher reiche Herren, die sich aus einer Ausstellung hübscher Sklavinnen etwas nach ihrem Geschmack heraussuchten.

Schließlich verschlug es uns in ein Irisches Pub.

Hier lies meine sympathische Fremdenführerin die Katze aus dem Sack.

Sie wollte mit mir ins Bett. Nur sollte dafür bezahlt werden. Von mir natürlich.

Als ich so höflich wie möglich ablehnte, war sie sichtlich verärgert.

"Do you have a problem- hast du ein Problem?", presste sie hervor.

Jetzt ärgerte ich mich auch. Wahrscheinlich hielt sie mich für schwul. Dass es Männer gibt, die keine Lust auf käuflichen Sex verspüren, konnte sie anscheinend nicht fassen..

"Like what", schnappte ich und erwartete einen spöttischen Hinweis auf meine vermeintliche sexuelle Orientierung.

"Well, I am a black woman - ich bin eine schwarze Frau."

Lächelnd küsste ich sie sanft auf beide Augen.



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