Einbruch ins verschlossene Kurdistan
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Beim König der Kurden

© Gottfried Johannes Müller

Gottfried Johannes Müller: Einbruch ins verschlossene Kurdistan Tag um Tag vergeht. Wir werden immer mutloser, denn es scheint, als hätten sich alle finsteren Gewalten gegen uns verschworen um zu verhindern, dass wir unseren Plan verwirklichen: noch tiefer wollen wir ins Wilde Kurdistan eindringen, jetzt erst recht! Von Pontius zu Pilatus sind wir schon gelaufen, um uns nach einem Weg in dieses Land, das mit sieben Siegeln verschlossen zu sein scheint, zu erkundigen. Bei allen behördlichen Stellen und sämtlichen führenden Männern, bei Persern, Türken, Indern und anderen sind wir schon gewesen - überall haben wir nur die eine trostlose Antwort erhalten, dass es aufgrund fast aller Erfahrungen so gut wie ausgeschlossen sei, lebendig aus dem Innern dieses wilden Landes wieder herauszukommen, denn die Kurden seien heute noch genauso wie früher, nämlich ganz gefährliche Räuber und Mordgesellen. - Eine kleine Kostprobe davon haben wir soeben genossen …

Wieder ist unsere kleine arabische Freundin Fatima die Vermittlerin zur einzigen Stelle, die uns die Tore zu diesem Lande öffnen kann. Aber die kleine Fatima war ganz unschuldig daran und wusste nichts davon. - Es nahte ihr Geburtstag … Um einmal unsere Dankbarkeit für die vielen schönen Stunden in ihrem gastlichen Heim in der Sprache der Blumen auszudrücken, durchforschen wir sämtliche Gärten der Stadt Bagdad - Gärtnereien in unserem Sinne gibt es dort nicht -, um ihr die allerschönsten Rosen zu bringen. Wir finden aber keine. Unsere letzte Hoffnung, in der Vorstadt Moadam das Gesuchte zu finden, zeigt sich auch als erfolglos. Schon wollen wir von unserer vergeblichen Forschungsreise nach Rosen zurückkehren, als Sepp unseren sonst so pfiffigen Diener Ibrahim, den wir nach unserer abenteuerlichen Reise nach Kurdistan wieder zu uns genommen haben, auf eine palastähnliche Villa in nächster Nähe aufmerksam macht. Ob wir dort nach Rosen fragen sollten? Erschrocken ob dieses Ansinnens erbleicht Ibrahim und will rasch an dem gefürchteten Haus vorübereilen. Dabei flüstert er ganz leise: "Unmöglich, unmöglich - das ist ein strenger, böser, hoher Herr!"

"Leeschhada?" (Warum?), erwidere ich. "Wir versuchen es einfach! Sage mir, wer ist dieser hohe Herr?"

Fast ängstlich, doch ehrerbietig kommt Ibrahims Antwort: "Es ist Scheich Mahmud, der König der Kurden!"

Diese Worte verschlagen uns den Atem. Ein bedeutungsvoller Blick wechselt zwischen Sepp und mir. "Mäachaläf" (Macht nichts, wir gehen hin!), erwidere ich lächelnd dem erstaunten Diener. Ibrahim kennt uns recht gut und weiß genau, dass wir uns nie von etwas abbringen lassen, was wir vorhaben - ja, dass wir sogar gewillt wären, solches unter allen Umständen durchzuführen. Also geht er mit uns.

Einem kurdischen Diener, groß, schön und stark gebaut, übergeben wir höflich unsere Besuchskarten mit der Aufforderung, uns dem König zu melden. Die dunkle Kleidung, die eigenartig lauernden Blicke unter dem fast schwarzen Turban lassen seltsame Gefühle und Erinnerungen in uns aufsteigen.

Der Diener kehrt zurück und führt uns in den Empfangsraum des Königs. Dort lassen wir uns in den modernen Polstersesseln nieder. Sofort werden auch die nötigen Gastgeschenke übergeben: ein Diener reicht starken, ungezuckerten arabischen Kaffee, der zweite gesüßten türkischen Kaffee. Danach wird Tschai und immer wieder Tschai eingeschenkt …

Wie wir so behaglich beieinander sitzend beim dritten Glas Tschai angekommen sind, öffnet plötzlich ein Diener die Tür und verbeugt sich tief. Wir schnellen von unseren Sitzen auf - ruhigen, gemessenen Schrittes betritt der König das Zimmer und hebt die Hände hoch zum Gruß: "Achlan masachlan!" (Herzlich willkommen. Mein Haus sei dein Haus!) Auf sein "Tfatal" (Bitte) nehmen wir wieder Platz, dann setzt der Kurdenkönig sich langsam und würdevoll uns gegenüber. Die Hand an die Stirn gelegt, heißt er uns nochmals willkommen, und wir danken, die Hand aufs Herz gelegt.

Nun sind alle Gastfreundschafts-Riten erfüllt, die jedem Besucher - Freund oder Feind - erwiesen werden müssen. Der Gastgeber darf nach diesen Riten annehmen, dass es dem Gast jetzt gutgeht und er sich nach den genossenen Getränken wohlfühlt, darum kann anschließend der eigentliche Wunsch vorgetragen werden.

Da wir die arabische Sprache nicht ganz perfekt beherrschen, dies aber dem König gegenüber hätte der Fall sein sollen, ziehen wir es vor, unseren Diener Ibrahim als Dolmetscher einzuschalten, der alle unsere Wünsche, weit ausholend und geschmückt mit vielen schönen Redensarten, Scheich Mahmud vorträgt.

So erfährt er, dass wir zwei deutsche Reiseschriftsteller sind und gekommen seien, um das sagenhafte Kurdistan kennenzulernen. Bisher hätten wir noch nicht viel Gutes darüber lesen können. Wohl hätte man uns erzählt, die Leute dort seien nur Räuber und Mörder, und ein Besuch ins Innere des Landes sei fast immer mit dem Tod besiegelt worden. Wir aber könnten das nicht glauben, sondern seien überzeugt, dass die Kurden trotz ihrer Weltabgeschiedenheit und abenteuerlichen Lebensweise gute Menschen seien, wenn sie wüssten, dass man sich ihnen als Freund nähert. (Wallah = bei Gott, diese guten Menschen hatten wir ja schon von der richtigen Seite kennengelernt!)

Nach unserer Rückkehr, erzählt Ibrahim weiter, möchten wir über diese braven, tapferen Leute und besonders über den König selbst ein Buch schreiben, damit die Wahrheit über Kurdistan und die Kurden so bekannt wird, wie sie in Wahrheit ist und man nicht mehr die schrecklichen Räuber- und Mordgeschichten weiterverbreitet …

Der hohe Gebieter saß uns während dieses Vortrages, der etwa zwei Stunden in Anspruch genommen hatte, würdig und schweigsam gegenüber. Nur mit seinen unergründlichen, gebieterischen Augen, denen wir aber ebenso ernst begegneten, musterte er uns forschend. Bevor wir sodann zum letzten Schlag und eigentlichen Grund unseres Besuches ausholen, bitten wir den Scheich, um ihn doch wenigstens einmal zum Sprechen zu bringen, er möge uns etwas über sein starkes, stolzes Volk erzählen.

Tatsächlich lüftet sich allmählich und immer mehr der Schleier über seiner eisigen Verschlossenheit. Mit ernsten, aber gütigen Blicken begegnet er uns, und dann geschieht das Merkwürdige, nämlich eine vollkommene Wandlung dieses Königs der Kurden. Er redet warm und immer wärmer werdend, zum Schluss mit heißer, inbrünstiger Liebe, über sein bedrücktes und nach Freiheit dürstendes Volk und über seine wilde, wunderschöne Heimat.

So hören wir die ganze kurdische Geschichte, wie sich der damals kleine Stamm vor Tausenden von Jahren - die Kurden selbst halten sich ja für direkte Abkömmlinge von Noah - in jener Bergwildnis, die durch ihre natürlichen Schutzwälle fast unbezwingbar ist, angesiedelt habe und heute zu einem Volk von etwa hunderttausend Kriegern angewachsen sei. Doch sei dies nur der kleinste Teil der Kurden. Insgesamt zähle man heute schon viereinhalb Millionen, die jedoch über das eigentliche Kurdistan hinausgewachsen seien. Während früher das ganze Gebiet Kurdistans ein einheitlicher Staat war, so erzählt der König, habe es später einen großen Teil des Landes eingebüßt durch fremde Nationen, die mit modernen Waffen kamen und Stück für Stück an sich rissen. Der größte Teil Kurdistans kam zur Türkei mit den Wilajets Diarbekr, Bitlis, Mamurat el Asis und einem Teil von Erzerum. Der Süden wurde dem französischen Mandatsgebiet Syrien zugeschlagen, und einen Teil erhielt der englische Irak. Der Osten wurde persisch. Ferner liegt noch ein Kreis des transkaukasischen Rätestaates Aserbeidschan am nördlichen Rande Kurdistans. Am Anfang dieses Jahrhunderts habe er einen erbitterten Kampf mit den Engländern führen müssen, die den Rest seines Landes vollends zum Irak schlagen wollten, weil sie danach getrachtet hatten, das "Gold des Landes", die riesigen Petroleumfelder bei Kerkuk, in ihren Besitz zu bekommen. Wie ein Löwe habe er selbst an der Spitze seiner tapferen Mannen gegen die ungeheure Übermacht der Engländer und Araber in dem großen, breiten Tal vor den Grenzbergen des eigentlichen Inneren, zwischen Kerkuk und Suleimanie gekämpft und habe seinen Gegnern schwere Verluste beigebracht. Er persönlich hätte auch noch lange nicht nachgegeben, sondern hart gekämpft. Dann aber hätten die Engländer ihm ein Friedensangebot gemacht, in dem sie ihm und den Kriegsführern große Summen Geldes zahlen würden, wenn er die Feindseligkeiten einstelle, er selbst nach Bagdad übersiedle und gestatte, dass die Araber nach Suleimanie Polizei und Militär legten. Bei Annahme dieses Friedensangebotes habe er nur einzig und allein das Wohl seines Volkes im Auge gehabt. Er nahm es nur an, um seinen Kriegern zu ermöglichen, sich wieder zu erholen und um weitere schwere Menschenverluste zu vermeiden. Die Krieger zogen sich sodann in ihre Heimatdörfer tief in der Bergwildnis zurück, die, wie gesagt, von außen her uneinnehmbar ist, und sie leben nun dort als Hirten. Gewehre und Munition erbeuteten sie bei den vorangegangenen Kämpfen in Hülle und Fülle und hielten sie gut versteckt in Höhlen. Die Araber des Staates Irak legten sodann starke Polizei und Militärketten um die Gebirgszüge, doch sei dieses den Kurden zunächst einmal noch "lange recht" - in das Innere des Landes getraue sich kein Fremder hinein. Eine kleine Zahl von Kurdenkriegern genüge, um die schmalen Gebirgspässe zu verteidigen. So leben die Kurden frei und unbelästigt, während die Irakaraber den Kurdenführern hohe Summen Schutzgeld zahlen müssen und durch das viele Militär an der kurdischen Grenze ungeheure Ausgaben haben. Der lachende Dritte sei allerdings - der Engländer! Nachdem er den Irak besetzt hatte, putschte er die Araber so erfolgreich gegen die Kurden auf, dass sie unter englischer Führung kämpften und starben. Der Engländer aber hatte seinen Zweck erreicht. Er nahm von den riesigen Petroleumfeldern Besitz und legte die zweitausend Kilometer lange Leitung bis nach Haifa im englisch verwalteten Palästina und damit zum Mittelländischen Meer, außerdem noch eine Nebenleitung bis zum Suezkanal und kann somit billig und mit wenig Personal das wertvolle flüssige Gold, Öl und Petroleum, gewinnen und auf dem Seeweg zum Verkauf abtransportieren. Nur einige Fliegerregimente - gleichzeitig Stützpunkte für Indien - mit tadellosen Festungsanlagen ließ der Engländer zurück, dann gab er - jedoch nur nach außen hin - dem Staat Irak seine Selbstverwaltung mit großer Geste zurück und nahm den Überschuss seines Militärs weg. - Dafür haben die Araber die Ehre, die Petroleumanlagen vor den Einbrüchen der Kurden zu schützen und die Kurdenführer dafür zu bezahlen.

Auf den Druck der Kurden hin musste schon ein Teil der arabischen Polizei oben an der Grenze durch kurdische Polizei vertauscht werden, wobei der Irak die Ehre hat, sie zu bezahlen. Ihm selbst, dem König Scheich Mahmud, der bisher in Bagdad ein behagliches Leben führen kann und von da aus sein Land regiert, gab man bereits die Erlaubnis, zu seinen Leuten zurückzukehren, unter dem Vorbehalt, dass er nichts mehr gegen die Araber unternehmen werde. Darauf hatte der König aber nur gewartet und lehnte diesen unehrenhaften Antrag ab. Er könne sich sehr gut noch die kurze Zeit gedulden, bis er vorbehaltlos gebeten werde, Bagdad zu verlassen, denn der Staat Irak ist nicht so reich, um die enormen Ausgaben für die Grenzbewachung gegen die Kurden auf die Dauer tragen zu können. - Dann sei die Zeit des kurdischen Wiederaufstiegs gekommen - und es wird der König seine Getreuen wieder um sich sammeln und einen allmählichen, aber gigantischen Kampf gegen seine Feinde führen. Und er wird beginnen, sein Volk wieder vom Joche der Perser, Türken, Russen und des Iraks frei zu machen.

Vor uns sitzt nun der König, und seine Augen schießen feurige, echt kurdische Blicke, als er sagt: "Wir viereinhalb Millionen Kurden werden wieder ein großes, freies Kurdistan gründen!"

***

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Johannes Gottfried Müller: Einbruch ins verschlossene Kurdistan Dies ist ein Auszug dem Reisebericht von Gottfried Johannes Müller, der im Jahre 1935 mit dem Fahrrad eine Reise in den Orient unternahm, wobei es ihm gelang, in das hermetisch abgeriegelte Kurdistan zu kommen. Den vollständigen Bericht finden Sie in dem Buch / eBook

Johannes Gottfried Müller
Einbruch ins verschlossene Kurdistan

Dr. Ronald Henss Verlag
ISBN 978-3-939937-00-2 (Buch)
ISBN 978-3-939937-79-1 (eBook epub-Format)
ASIN B004TBD184 (eBook Amazon Kindle Edition)


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