Francois Villon – Von Manfred Schröder.
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Francois Villon, der du so unsterblich bist wie Till Eulenspiegel. Erinnerst du dich noch an mich? L'Allemand, der sein Vaterland (wie schrecklich kann das Wort Vater klingen!) wie einen zu engen Mantel abgelegt hat. Weißt du noch? Pont Neuf, wo wir uns das erste Mal trafen. In der Tasche hatte ich Sartre und in der Hand eine Flasche Rotwein. Ich sehe noch dein spöttisches Lächeln um deinen Mund. 'Le bouche' wird Frankreich niemals kennenlernen, wirst du gedacht haben. Und dann diese unendlichen Debatten (wie hiess noch das kleine Café in der Rue de la Huchette?) über Sein und Nichtsein, während der schwarze Straßenfeger einer sinnvollen Arbeit nachging. Du saßest nur da und lächeltes spöttisch. Du verstandest eher den Mann aus Afrika als unser blutleeres Gerede. Doch du holtest uns mit deiner Gitarre und einem Lied wieder auf die Erde zurück. Oder beim verrückten 'Grafen von Paris', wo sich alles traf, das keinen Rang und Namen hatte.
Und was war meine größte Enttäuschung, worüber du auch gelacht hast? Erinnerst du dich? Dass ich im schönen Paris keinen philosphischen Clochard begegnet bin. Ja. Die haben andere Sorgen und stinken ebenso wie in Rom oder London. Das passiert, wenn man Romantiker ist
Das letzte Mal begegneten wir uns in der 'La Sante'. Hattest du wieder einen Tresor aufgebrochen, wie einst in der Sakristei der Kapelle des College de Navarra im Quartier latin? Ich weiß es nicht mehr. Ich saß wegen einer simplen Rauferei. Dann verlor sich deine Spur. Dieses und jenes habe ich über dich gehört. Doch es wird viel erzählt. Es wäre schön zu erfahren, was aus dir geworden ist. Frau und Kind? Vielleicht würde es auch dir guttun. Wie dem auch sei, du wirst mir immer ein Bruder im Geiste bleiben. Und niemand weiß, ob wir uns eines Tages nicht wiedersehen. Dann trinken wir Rotwein, ohne Sartre.
Es ist so vieles geschrieben worden über dich. So lass mich denn auch die Geschichte deiner Geburt erzählen.
Als in Rouen Johanna, eine Heilige oder auch nur eine Närrin, den Flammen einer teuflischen Inquisition übergeben wurde, und der Herr Valois, Karl VIII. sich aus Scham betrank, vielleicht auch der liebe Gott, betraten drei Vagabunden die Spelunke 'Bei Margot', wo du in einem dunklen Nebenraum das flackernde Licht einer brennenden Kerze erblicktest. Als sie von deiner Geburt hörten, kamen sie zu dir.
Nachdem sie dich lange betrachtet hatten, sagte Regnier der Troubadur: "Wir sind zwar nicht die Heiligen Drei Könige. Doch ein Geschenk will ich dir machen", und er legte seine Gitarre zu deinen Füßen.
Der entlaufene Mönch Thieboult nickte. "Auch ich will nicht abseits stehen. Hier, nimm dieses Buch mit den liderlichen Liedern, welches das Volk von Paris liebt und singt."
Pernant, der dritte im Bunde räusperte sich. "Ich bin nur ein Galgenvogel, der oft dem Strick entfliehen konnte. Doch der ein Messer gut zu führen weiß. Ich überreiche dir diesen Dolch. Du wirst ihn eines Tages bestimmt nötig haben."
Als die drei nach draußen traten, waren die dunklen Wolken verschwunden und der Himmel war mit Sternen besät. Deine Mutter stand da und wunderte sich. Einen 'Josef' gab es nicht mehr. Der hing am Mount Foucon* und wehte sanft im Wind.
Drei Vagabunden waren es, die das Schicksal für dich bestimmt hatte.
* Der Mount Foucon war zur Zeit Villons eine Hinrichtungsstätte in Paris.