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Schattenseiten einer Sonneninsel

© Elisabeth


Ein für die Urlauber traumhafter Tag auf der Sonneninsel war im Begriff, sich mit einem grandiosen Sonnenuntergang zu verabschieden.
Noch tauchte die Sonne den herrlichen Strand in goldenes Licht. Aber längst waren die Urlauber, die morgens wie Heuschrecken laut, lärmend, mit Sonnenschirm und Handtüchern bewaffnet, ihren Platz an der Sonne behaupten, verschwunden. Sie suchen abends in den lauten Discos und mit viel Alkohol, ihr Glück für die Nacht.
So konnte die dunkelbraune Hündin die Stille für sich und ihre drei Welpen nutzen. Der Gang zu den Containern des großen Strandhotels hatte sich wieder für sie gelohnt. Zufrieden und satt legte sie sich in den feinen Sand am äußersten Rand des Strandes an einen kleinen Busch und ließ die Jungen ihren Hunger bei ihr stillen. Natur und Tiere im Einklang, sich erholend vom Lärm des Tages. Satt, zufrieden und frei.
Zärtlich leckte sie nacheinander die Kleinen ab. Sie hatten dunkelbraunes kurzes Fell wie ihre Mama, hohe staksige Beine und riesengroße Ohren. Die stolze Mama war eine der unzähligen Hunde auf der Kanareninsel. Die meisten von ihnen sind liebenswerte Streuner, die wie Nomaden durch das Urlauberparadies streifen. Herrenlos, immer auf der Suche nach Essbarem. immer gejagt von den Hundefängern der Insel, die den traurigen Job haben, die Tiere einzufangen. Es gilt, die Urlauberidylle nicht durch übermäßige Vermehrung der freilebenden Vierbeiner in Gefahr zu bringen.
Die Tierheime, in denen sie ihre Beute abliefern, sind alles andere als ein Heim. Es sind Auffanglager. Hoffnungslos überfüllt. Gitterkäfige, zu klein, zu voll. Ein unübersehbares Elend.
Elend für die Tiere, die angstvoll, panisch oder aggressiv auf ihre Gefangenschaft reagieren, und Elend für die Menschen, die die Tiere versorgen müssen, ohne ihnen viel helfen zu können, sondern noch die zum Tode Verurteilten in die Gaskammern bringen müssen. Das sind all die armen Vierbeiner, die niemand innerhalb einiger Wochen aus dem Tierheim erlöst. Sie werden eingeschläfert - vergast.
Doch das wusste unsere Hundemama zum Glück nicht. Immer noch lag sie unter dem Busch mit den Kleinen, die sich nun satt und zufrieden eng an sie gekuschelt hatten. Sanft spielte der Abendwind mit den Blättern über ihnen. Die Wellen sangen ihr nie endendes Lied.
Wohltuende Stille senkte sich über den Ruheplatz. Die Touristen grölten weit entfernt ihre immer gleichen Partyhits. Sie störten Mutter und Kinder nicht. Wohl aber das Motorengeräusch, das jetzt die sanfte Abendstimmung mit einem lauten feindseligen Brummen zerstörte. Die Hündin war mit einem Satz aufgesprungen. Sie sah die schnell näher kommenden Scheinwerfer und erkannte Gefahr. Sie lief los, schnell, panisch. Der Gefahr zu entrinnen, war ihre angeborene Verhaltensweise. Aber dann verlangsamte sie ihr Tempo, drehte sich zu ihren Kleinen herum, die so schnell nicht folgen konnten, wartete, witterte angstvoll das sie verfolgende Auto. Wollte wieder loslaufen, erschreckt die dröhnenden Motorengeräusche im Ohr, aber der Instinkt, ihre Jungen zu schützen, war stärker. Sie lief zurück, stellte sich vor die aufgeregten Welpen, bereit gegen Tod und Teufel zu kämpfen, als sich die Drahtschlinge um ihren Hals zuzog. Sie kämpfte vergebens. Ihre Verzweiflung war sichtbar. Ihr Blick galt nur ihren Kleinen, die erschreckt um ihre Mutter herumsprangen und jaulten. Der Hundefänger war abgestumpft durch seine Arbeit. Ihn erschütterte das Tierdrama nicht. Er verfrachtete die Hündin und die Welpen in eine Gitterbox im Auto und fuhr wieder los. Diese Tour hatte sich für ihn gelohnt. Alle vier Boxen waren voll. Also fuhr er zurück ins Tierheim, um die Unglücklichen abzuliefern.
Dort herrschte Routine. Die sich wehrenden Tiere im Würgegriff der Drahtschlinge, wurden in die einzelnen Gitterboxen verbracht, wo sie in einigen Wochen getötet wurden, wenn nicht ein Mensch sie abholte. Hinter jedem Gitter meist traurige Hundeaugen. Manche versuchten jaulend auf sich aufmerksam zu machen, andere saßen apathisch in der Box, andere sprangen immer und immer wieder an den Stäben hoch, als könnten sie so zurück in die Freiheit.
Die kleinen Welpen zitterten eng an die Mutter gedrückt. Das Gebell und Gejaule ihrer Artgenossen erschreckten sie noch mehr. Die Enge ihrer Gitterbox ließ die Hündin in panisches Hecheln verfallen. Dann wurde es mit einem Mal dunkel. Die Lichter wurden ausgeschaltet. Türen wurden geschlossen. Bald herrschte die Stille der Nacht im Tierheim.
Der nächste Morgen brachte für Menschen und Tiere den gewohnten Ablauf. Füttern, säubern und selektieren...
Es waren aber nicht nur einheimische Tierpfleger beschäftigt, sondern es gab da auch eine Frau aus Deutschland, die regelmäßig die großen Ferien dazu nutzte, in diesem Tierheim aktive Tierliebe zu praktizieren. Jedes Jahr kam sie hierher und versuchte zu helfen, wo sie konnte.
Greta Reimann kam an diesem Morgen, um wie immer die Futterrationen auszuteilen. Abgehärtet durch ihren jahrelangen Einsatz, hatte sie Mitleid mit all den Tieren, aber selten wandte sie sich einem zu sehr zu. Sie wusste, dann könnte sie, wie so oft schon, nicht widerstehen. Sie würde dann wieder einmal einen der Unglücklichen mitnehmen und ihn in Deutschland an tierliebe Menschen vermitteln.
Genau das wurde ihr klar, als sie die kleinen aufgeregt zitternden Welpen sah. Sanft und beruhigend sprach sie auf die Hündin ein, die langsam ruhiger wurde. Die Stimme Gretas flößte ihr ein wenig Vertrauen ein. Das von Natur aus gutartige Tier jaulte leise und nahm dankbar die Zuwendung an. Greta war sich im klaren darüber, dass sie nicht allen helfen konnte. Sie kannte die in ihren Augen grausamen Vorgaben....
Beherzt, ihr überströmendes Mitleid zurückdrängend, streichelte sie das Tier, erzählte ihm mit ruhiger Stimme, dass sie wenigstens eines ihrer Kinder retten wolle. Heute noch werde sie eines mitnehmen. Sie versprach der Hündin, die ihr regungslos zuhörte, alles zu tun, damit das Kleine ein gutes Zuhause finden werde. Die dunklen feuchten Hundeaugen hatten etwas erschreckend menschliches für Greta. Ihr schien, als verstehe das Tier jedes Wort. Natürlich war das nicht möglich, wusste sie. Aber sie empfand das Leid der Kreatur, die nicht verstehen konnte was die Menschen tun, als eigenen Schmerz.
So versuchte Greta, die grausame Situation abzukürzen. Sie lockte den kleinen Welpen, der die ganze Zeit lebhaft mit dem kleinen Ball spielte, den sie mitgebracht hatte. Tapsig kugelte er am Boden. Den Ball mit seinen dicken Pfoten und mit seinen kleinen spitzen Zähnchen festhaltend, bot er ein Bild der Lebenslust. Unbeschwert. Nichts ahnend von der Grausamkeit der Natur und der Menschen.
Sofort kam er auf ihren lockenden Ruf in Erwartung auf ein neues Spiel. Seine Geschwister waren zurückhaltender und scheuer. Sie drängten sich an die Mutter, die immer noch bewegungslos auf ihren Hinterläufen saß. Nur ihre Augen liessen Greta nicht los. Um sie herum in den Gitterboxen lärmte, bellte und jaulte es ununterbrochen. Still saß die Hündin und ließ sich noch einmal streicheln, während Greta den Kleinen hochnahm. Ruhig blieb sie sitzen, als Greta die Boxentür öffnete und einen letzten Blick mit der Hündin tauschte. Grenzenloses Mitleid bei Greta, grenzenloses Leid bei der Hündin. Nur das Wissen um die Aussichtslosigkeit verband Mensch und Tier.
Schnell entfernte sich Greta mit dem zappelnden, immer noch an ein Spiel glaubenden kleinen Hund. Die Hündin und ihre Jungen sah sie nie wieder...
Der Kleine, den sie Lucky nannte, musste noch einige Impfungen über sich ergehen lassen. Papiere wurde für ihn ausgestellt und nachdem man ihm ein Beruhigungsmittel gegeben hatte, verschlief er seinen Flug in einer kleinen Transportkiste. So landete er wohlbehalten mit Greta in Deutschland. Hier verbrachte er nur einige Wochen in dem Tierheim, in dem Greta und viele andere ehrenamtliche tierliebe Menschen fast all ihre Freizeit verbringen. Verantwortungsvoll und das Wohl der Tiere im Auge, suchen sie Menschen, die ihren Schützlingen ein gutes, artgerechtes Zuhause geben können.
Noch einmal machte Lucky eine Reise. Dieses Mal in einem Auto. Es brachte ihn in ein kleines Dorf zu einer Familie, wo er seit nunmehr acht Jahren ein glückliches Rudelmitglied ist.

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