Besser wir wären Freunde geblieben
© Daniela Steinbach
"Bleib mir gewogen", hast du immer gesagt, wenn wir unsere zahlreichen Telefongespräche beendet haben. Oder wenn einer von uns dem anderen gestanden hat, dass er ihn vermisst, hat der andere geantwortet: "Wem sagst du das?" Aber das war dann schon in der Zeit, als wir unsere schwierige Beziehung begonnen hatten. Und vor dieser Zeit war uns klar, dass wir besser nichts beginnen sollten. Und wir haben auch gewusst, dass wir früher oder später etwas beginnen werden. "Es wird nicht besser,
wenn wir uns nicht hören oder sehen" war dein Standardsatz, wenn ich dir gesagt habe, dass mich mein Gefühlschaos mürbe macht. Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, waren wir Anfang 20 und jeder von uns hatte eine Beziehung. Sympathisch sind wir uns gleich gewesen und gefallen haben wir einander auch. Doch da war noch kein großer Gedanke dabei. Dann bist du mit deiner Freundin in das Nachbarhaus gezogen. Und wir waren alle gemeinsam befreundet. Du, deine Freundin, mein damaliger Freund und ich. Wir
haben lustige Abende mitsammen verbracht. Da war das Kribbeln schon da. Wenn du zu viel getrunken hast, kam es gelegentlich vor, dass du mir deine Zuneigung gestanden hast. Und das war witzig und kribbelig. Und sonst noch immer nichts. Wir haben jahrelang unsere eigene Freundschaft gepflegt, haben manchmal gemeinsam gefrühstückt oder uns in der Stadt auf einen Kaffee getroffen. Sonst war alles unter Kontrolle. Deine Freundin durfte nie von unseren Treffen wissen. Meinem Freund habe ich schon davon erzählt. Als
wir irgendwann auseinander gegangen sind, hast du gefragt, ob du mich küssen darfst. Irgendwie war mir die Frage peinlich, haben aber ziemlich geknutscht und sind anschließend wieder zur Freundschaftsschiene übergegangen. Ich war damals schwer in jemand anderen verliebt. Mittlerweile hattest du deine Freundin geheiratet. Wir haben eines Tages bei einem unserer Frühstücksvormittage noch einmal geknutscht und sind aufgeregt auseinander gegangen. Dann haben wir unseren Kontakt für einige Zeit abgebrochen Ich habe
auch geheiratet, du hast mit deiner Frau ein Kind bekommen. Und jedes Mal wenn wir uns - was sehr oft vorkam - zufällig in der Gasse wo unsere Häuser stehen, begegnet sind, haben wir uns gefreut und tausend Dinge zu bereden gehabt. Eines Tages hab ich dir ein Mail geschickt. Wollte so gerne unsere Freundschaft wiederhaben, unsere lustigen Treffen. Du hast ein Treffen empfohlen, bin aber trotz meinem Wunsch dich zu treffen, ausgewichen. Monatelang hab ich mir verboten, mit dir auszugehen. Auch ich hatte nun ein
Kind und meine Familie war mir irre wichtig. Eines Tages sind wir dann gemeinsam einkaufen gegangen, das waren künftig unsere Highlights. Gemeinsam zum Billa gehen. Das schien mir irgendwie unverfänglicher. 1000 SMS wurden zwischen uns verschickt, Mails und die Telefonrechnung ist in die Höhe geschnellt. Natürlich war uns das längst alles zu wenig geworden und beim ersten offiziellen Rendezvous sind wir so wild aufeinander gewesen, da war echt keine Rettung mehr in Sicht. Wir hatten herrlichen Sex, erlebten Sehnsucht,
Liebe, Ärger, Verletztheit, alles was eine Beziehung ausmacht. Kombiniert mit dem schlechten Gewissen unseren Familien gegenüber. Sich heimlich eine Stunde abzwicken um beisammen sein zu können. Jeder von uns hat ein Doppelleben geführt. Es hat uns sehr angestrengt, unser gemeinsames Leben. Abwechselnd haben wir versucht, uns voneinander zu lösen. Nie war ein Ende abzusehen. Mit den Jahren kam das Mürbesein. Irgendwann hat jeder für sich beschlossen, seine Familie nicht aufzugeben. Irgendwann war alles nur mehr
Sex haben. Irgendwann war alles nur mehr mühsam. Habe mich oft nach der unbeschwerten Freundschaftszeit gesehnt. Es war grotesk. Jeder von uns war schon lange in seiner Ehe unglücklich und doch hatten wir den Absprung verpasst und waren zu feig, gemeinsam neu zu starten. Wenn wir uns heute zufällig begegnen, fragst du immer, ob in meiner Ehe wieder alles in Ordnung ist. Ich versuche einen neuen Weg zu finden. Du bist nun von deiner Frau getrennt. Wir haben unser Kapitel irgendwie abgeschlossen. Was bleibt, ist
eine kleine Leere, die zu Anfang ziemlich groß war. Es gibt kein Zurück mehr in die Zeit davor und auch nicht in die Zeit unserer Zweisamkeit. Wir waren einmal gute Freunde und wir wären es besser geblieben.
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