James Curley starrte den Mond an und holte sich mit dem Messer Fleischreste aus den Zähnen. Die Männer schwiegen. Die Flasche kreiste, er entkorkte sie mit seinen Lippen, wenn einer daraus getrunken hatte, stopfte er das Ding wieder hinein, albern war das, unnötige Zeit.
Er drehte sich eine Zigarette und sah auf seine Fingernägel, die waren verflucht dreckig, seine Mutter hätte ordentlich getobt. Er dachte an sie und das blaue Kopftuch, das sie immer getragen hatte. Er dachte an ihren müden Blick und die alte Schürze, und irgendwie hätte er heulen können. Aber da waren die Jungs. Sie brüllten wortlos die Sterne an. Verflucht viele heute Nacht, dachte er, nahm noch einen Schluck und sagte sich, Kerl, die da oben sind alle tot.
Er fror, roch Schnee, der würde bald kommen, und die Pferde waren unruhig. Curley fiel die sonntägliche Messe ein, dort unten im Tal in diesem Kaff, das sein Zuhause gewesen war. Und er erinnerte sich an die Spucke seiner Mutter, mit der sie sein Haar vor dem Kirchgang geglättet hatte, an den Atem von Pastor Brown, immer Schnaps, rote Augen, fette Nase. Wie sein Vater.
Curley zog seinen Hut tiefer ins Gesicht, das war unnütz, er sehnte sich nach einem warmen Bett und einer warmen Frau, aber da war nichts, nur der Wind, der keuchte, um den Winter zu verkünden. Er legte sich die Wolldecke über die Schultern, sah unmännlich aus, war ihm egal, er wünschte sich ein schönes Bad und zärtliche Hände.
Da draußen irgendwo waren Wölfe. Klar, die wollen auch leben, dachte er, aber, Bastarde, mein Finger ist am Abzug.
Er hörte das Knacken in den Bäumen, er fühlte es wieder. Seit seiner Begegnung, wann war die gewesen, er empfand erneut diesen Schmerz, sah seine Mutter, all das Blut, seinen Vater. Den Mond.
Curley drückte seine Zigarette aus, das Lagerfeuer war fast erloschen. Er streckte sich. Er zuckte. Es begann.
Er richtete sich auf, warf die Decke ab, die Knochen, die Muskeln, das Fell. Noch war es gut, noch konnte er sprechen.
„Ihr sitzt hier und glotzt in die Nacht und wartet auf eine Geschichte. Dann haltet verflucht noch mal Eure Socken gegen den Wind, weil es hier nach drei Tage alten toten Coyoten stinkt, gebt mir den Whiskey, die Kaffeebohnen stinken auch, und hört einfach zu.
Ist noch Speck da? Ich werde verdammt hungrig, wenn ich erzähle.“
Warum wünscht sich ein Mädchen in einer Leichenhalle zu liegen und aufzuwachen
in einem weißen Nachthemd aus Spitze, das dem Totenhemd ihrer Tante ähnelt?
Wer ist der Tote Mann auf dem Bett, in dessen Hals ein Schraubenzieher steckt?
Wem gehört der Ring, der im Garten unter einer Zeder vergraben wurde? Kann ein
harmloser Teddybär zum Mörder werden? Warum kann es verhängnisvoll sein, ein
Einmachglas fallen zu lassen oder als Kind an seinem Zeh zu lutschen? Wer waren
die Personen, die auf dem alten Gemälde ohne Augen dargstellt sind und was ist
ihr Geheimnis? ...
Karin Reddemanns Geschichten erwecken alltägliche Ängste und düstere Bilder und
entführen den Leser in eine verstörte und verstörende Welt.