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Die wundersame E-M@il in den Weihnachtsferien

© Julian Zeiger


Natürlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass jemand wie Sarah in mein Leben platzen könnte. Der Tag hatte ja auch ganz normal begonnen. Es war der erste Montag in den Weihnachtsferien, ein nebliger kalter Dezembermorgen. Ich hatte lange im Bett gelegen, um mich vor der Arbeit zu drücken. Lustlos dachte ich an den Berg der längst fälligen Hausaufgaben, der sich vor mir auftürmte, und überlegte, was am dringendsten erledigt werden musste. Meine Noten waren im Moment ziemlich katastrophal, wenn es so weiterging konnte ich meine Hoffnung auf einen Studienplatz vergessen. Am Freitag hatte ich in der Schule eine Reihe von voreiligen Versprechungen gemacht und die Lehrer wie auch ich selbst davon überzeugen können, dass ich sie halten würde. Aber an Diesen Morgen war von Diesen Selbstvertrauen nichts mehr zu spüren. Es war unmöglich Diese Unmengen von Arbeit in einer einzigen Woche zu bewältigen, und außerdem musste ich noch in jeder Minute die ich am Computer saß gegen meine eigene Trägheit ankämpfen.
Als ich mir endlich einen Ruck gab und aufstand, fühlte ich mich schlapp und immer noch müde. Ein bisschen Bewegung an der frischen Luft half mir manchmal, deshalb beschloss ich, in die Stadt zu gehen und ein paar Süßigkeiten zu besorgen, die mir das Durchhalten am Computer erleichtern würde. In meinen ältesten und bequemsten Klamotten und der Jacke, die mein Vater immer zur Gartenarbeit anzog, machte ich mich auf dem Weg. Mit den Füßen wirbelte ich den frischen Schnee auf und betrachtete die zahlreichen Spinnenweben, die die Büsche überzogen, grau und klebrig. Im Sonnenlicht funkelten sie und schillerten in allen Farben, aber wenn der Himmel grau war, erinnerten sie mich an finstere Kellergewölbe, staubig und verfallen. Ich hob einen Zweig vom Boden auf und fegte damit durch die Büsche, aber plötzlich kam ich mir albern dabei vor. Ich warf den Zweig weg und steckte die Hände in die Taschen, wo ich eine leere Samentüte und den Schlüssel zum Geräteschuppen fand. Die Tüte war alt und vergilbt, man konnte gerade noch den Stempel auf der Rückseite erkennen: "bis März 1995". Das Bild auf der Vorderseite zeigte eine Wand voller Wicken in hellblau. Ich knüllte die Tüte zusammen und steckte sie wieder in die Tasche. Als ich meine Hände herauszog, war sie schmutzig von Staub und trockener Erde.
Ich hatte erwartet, auf dem Weg wenigstens ein bekanntes Gesicht zu sehen, aber die kleine Stadt wirkte ziemlich verlassen. Ich wechselte die Straßenseite, um "Fetti" der alten Schachtel von gegenüber, zu entgegen, die zwei überquellende Einkaufstüten bergan schleifte und dabei wie ein altersschwacher Ackergaul. An den Füßen trug sie Schnürstiefel und heruntergerollte Männersocken, zwischen Sockenrand und dem Saum ihres Tweedmantels schimmerte rötlich ein Stück nacktes Bein. Es sieh aus wie rohes Fleisch, dachte ich.
Außer mir schien sich niemand unter fünfzig im Dorf aufzuhalten. Ich nickte Frau Kellermann zu, als sie an mir vorbeifuhr, freundlich winkte und kurz hupte. Weiter unten an der Straße versuchte ein Mann, seinen Wagen zu starten; er stand über den Motor gebeugt und hustete bellend und krampfhaft. Neben ihm auf der Gartenmauer lag eine brennende Zigarette, von der eine schmale Rauchsäule in die graue Luft aufstieg. Jedes Mal wenn der Mann versuchte, den Wagen anzulassen, gab der Motor einen trockenen, spöttischen Huster von sich, als wolle er seinen Besitzer nachäffen.
Dort, wo die Geschäfte waren wirkte die Straße nicht mehr so ausgestorben. Plötzlich bellte ein Retriever. Es war ein tiefes, freundliches Bellen und als ich mich umdrehte sah ich einen Mann aus dem Gemüsegeschäft kommen, der auf dem Hund zuging. Der Retriever sprang auf und wedelte wild mit dem Schwanz, der Mann band ihn los und tätschelte ihn liebevoll den Kopf.
Im Zeitungsladen nahm ich mir Zeit, meine Süßigkeiten auszusuchen, ich nahm eine kleine Tüte Gummibärchen, zwei Snickers und eine Chipstüte mit und ging zum Thresen mit. Dahinter stand Sabine.
"Hallo. Was machst Du Denn hier?"
"Ich arbeite, Ferienjob. In der Schulzeit bin ich auch samstags hier."
"Na, wenn´s dir Spaß macht."
"Das wohl weniger. Ich brauch Geld."
"Das brauchen wir doch alle."
"Und warum arbeitest du Dann nicht?"
"Keine Zeit, entgegnete ich. Ich muss in dieser Woche die Hausaufgaben von
einen halben Jahr schaffen."
"Und warum sitzt du dann nicht am Schreibtisch."
"Ich bereite mich seelisch darauf vor."
Ich legte den Zeigefinger an die Lippen und zwinkerte.
"Gib mal her, ich kassier das ab. Es sei denn, du hast einen Ladendiebstahl geplant."
"Wer, ich?" Ich reichte ihr das Geld. "Könntest du mir eine Tüte geben, damit ich nicht alles fallen lasse?" Sie gab mir eine kleine weiße Tüte, in die ich meine Einkäufe gerade so hineinpassten.
"Wenn du nicht aufpasst, wirst du zu dick, bemerkte sie.
"Stattlich", korrigierte ich.
Sie lachte: "Ich hab um sechs Schluss, Süßer."



Eingereicht am 20. April 2006.
Herzlichen Dank an den Autor.
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