Im Thronsaal
© Lukas Tezlaff
Barfuß und mit aller Zuversicht der Welt, die Stadt werde Ihnen gehören sobald sie sich dem täglich aufs neue durch die schnurgerade Fußgängerzone irrenden Strom von Käufern und Verkäufern entledigt hatte , schlenderten Lukas, Anne und ihr Freund Daniel am Fuße der alten Reinoldiekirche in Richtung Brunnen. Der Lärmpegel der Stadt schwand und durch Ihre bloße Anwesenheit schein er in ein sanftes Raunen umzuschlagen, wie sie so ganz ohne Taschen oder anderes Gepäck, die Augen zum Himmel und nicht in die Schaufenster
gerichtet laut lachend Ihres Weges gingen und alle Blicke auf sich zogen. Viele Menschen schauten sie an und lachten, doch war es ein Lachen, wie das eines Kindes wenn es einem Straßenpantomimen zusieht. Sie waren die Könige der Stadt, dem wohlwollen ihrer Mitmenschen gewiss und bereit Ihre kurze Regentschaft zu genießen.
Der Brunnen, gesäumt von einem Gemisch aus Lokalen und fast schon amerikanisch anmutenden Konsumtempeln, deren Dimensionen die letzten Abschiedsgrüße der Sonne fraßen, lag friedlich plätschernd und zeitlos vor Ihnen und schien Ihnen als Thronsaal mehr als angemessen. Königlich schien Ihnen nun der Rotwein aus dem Tetrapack zu schmecken, wie sie so dasaßen und über die Welt und Ihre Probleme redeten, wie Leute es für Gewöhnlich taten, deren wirkliche Probleme sich nur um sie selbst drehten. Sie wussten es und
sie taten es trotzdem. Es war Ihnen egal. Sie waren die über alles erhabenen Herren der Schöpfung und doch jedem Lebewesen wohlgesonnen und gleichgroßer Teil des Ganzen.
In so entrückter Freude wurden die Minuten in einem Wirbel aus Gelächter und reflektierend durch die Luft wirbelnden Wassertropfen zu Stunden und der Mond begann über die Dächer der Stadt zu steigen und den Platz am Brunnen mit seinem Licht zu fluten. Stille kehrte ein im Thronsaal und die drei Herrschaften versanken für einen Moment in einer seltsamen weil seltenen Schweigsamkeit. Eine Schweigsamkeit, die niemandem Peinlich sein muss, weil sie alles und jeden umhüllt wie ein schützendes Tuch.
Nach einer Weile kam es, das eben jenes Tuch sich hob und die Uhr sich wieder zu drehen begann, als Alex, Annes Freundin laut rufend und gestikulierend schnellen Schrittes auf den Brunnen zulief. Sie fiel Anne in die Arme und beide freuten sich halb drehend, halb hüpfend über ihr Wiedersehen. Daniel sprang hinzu, drückte Alex und bot Ihr einen Schluck Wein zur Begrüßung an. Auch Lukas, der Alex zum ersten Mal sah kam hinzu, verbeugte sich von all dem Überschwang mitgerissen tief vor Alex und stellte sich vor.
So saßen Sie nun zu Viert am Fuße des Brunnens und während Anne und Daniel den Gast mit Fragen bombardierten, saß Lukas still aber froh mit im Kreis und blickte zu Alex herüber.
Er musste bei sich denken, dass Alex fast wie ein Junge aussah, mit Ihren kurzen blonden Haaren und Ihrem Runden Gesicht, dem großgewachsenen, drahtigen Körper und der Baggyjeans. Aber die so schön betonende Stimme, mit der sie sprach, ließ diesen Eindruck schnell verblassen und mit jedem Wort das Sie sagte und mit jeder Minute, in der er in Ihrer Nähe saß, begann Lukas sie mehr und mehr zu mögen. Das Gespräch schwang sich von einem Thema zum anderen und auch Lukas hatte nun Gelegenheit mitzureden und merkte
schnell, das jedes Wort, sagte er es auch zu Daniel oder Anne, eigentlich für Alex bestimmt war und er wie ferngesteuert versuchte, ihre Reaktionen zu erkennen. Er lachte innerlich über sich selbst, jedoch war es ein halbherziges Lachen, und ihm wurde schnell klar womit die andere Hälfte beschäftigt war. Alex begann Ihn zu verzaubern. Diese königliche Nacht, das Gefühl der Liebe für alles und jeden, ihre ausnehmende Gestalt und Ihre schöne Stimme die so kluge und trotzdem herzliche Worte formte, der nach süßem
Wein duftende Atem, der ihm entgegenschlug wenn sie den Kopf zu ihm drehte. Alex begann ihn zu verzaubern.
Etwas später, nachdem das rasend schnelle und pausenlose Gespräch etwas langsamer wurde, und die späte Stunde Ihren Tribut forderte, verabschiedeten sich Anne und Daniel, die noch einen etwas weiteren Weg in einen der Vororte zu meistern hatten, um ins Bett zu kommen.
Nach einem herzlichen und langen Abschied, standen Alex und Lukas allein auf dem großen Platz und sahen sich grinsend an. Alex schaute auf Ihre Uhr und bemerkte lächelnd, dass sie den letzten Zug in Richtung Duisburg um beinahe eine Stunde verpasst hatte.
"Wenn du magst, holen wir uns noch ein Fläschchen Wein und laufen einfach rum, bis wieder einer fährt." sagte Lukas, den Blick abgewandt. Er wollte nicht, das sie sah, wie sehr er es sich wünschte noch etwas Zeit mit ihr zu verbringen. Er war selbst Kilometerweit weg von zu Hause und sich sicher, das er diesen Menschen, der ihn so in seinen Bann zog, nicht mehr wieder sehen würde. Was solls, dachte er sich, drehte sich mit königlicher Würde um, verbeugte sich tief vor ihr, schaute ihr in die Augen uns
sagte inbrünstig "Fräulein Alexandra, in Anbetracht dieser wundervollen Nacht und der Zeit die uns beiden zur Verfügung steht, halte ich es für eine Sünde sie nicht hiermit in aller Form zu bitten, mich, Lukas, zu begleiten und mit mir zusammen die nächtliche Stadt zu erkunden. Der Wein geht natürlich auf mich" fügte er noch schnell und lächelnd hinzu um sein Peinlichkeitsgefühl zu verjagen. Grinsend stand sie vor ihm und hielt ihm die angewinkelte Hand entgegen. Er nahm sie sanft in die seine, sie
verneigten sich intuitiv voreinander und gingen theatralisch, aber kichernd eine Flasche Wein kaufen. Kein Wort, keine Geste, nur tiefe Innigkeit begleitete beide zu Ihrem Ziel.
Eingereicht am 21. Juli 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt.
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